FRANKFURT AM MAIN (KOBINET) Wissenschaftler in den USA haben kürzlich die Eizellen einer Frau "entkernt" und das "Erbmaterial" aus der Hautzelle eines anderen Menschen in diese Eizelle eingebaut. So wollen sie einen menschlichen Embryo erschaffen haben. Nun herrscht wieder große Erregung in Frankensteins gruseligen Laboratorien. Die Stammzellen von embryonalen Klonen könnten bei industrieller Verwertung die Menschheit "befreien" von der Multiplen Sklerose (MS), von Herzinfarkt, von Parkinson und von Querschnittlähmungen. Das alles wäre damit in Zukunft therapierbar, versucht man der staunenden Öffentlichkeit weiszumachen. Schon Johann Wolfgang von Goethe warnte im Zauberlehrling: "Walle! walle … Die ich rief, die Geister werd ich nun nicht los."
Der Koreaner Hwang Woo-Suk hatte zwar 2004 schon behauptet, er sei der erste Schöpfer menschlicher Klone. Doch dieser zweifelhafte Ruhm währte nur kurz, denn er wurde als Fälscher entlarvt. Das große Geschäft für die Reproduktionsmedizin war wie eine Seifenblase geplatzt.
Nun herrscht wieder große Erregung in Frankensteins gruseligen Laboratorien. Denn was kann man mit lebendiger menschlicher Materie alles anstellen? Selbstgebastelte menschliche Embryonen könnte man vielleicht weiterverarbeiten und verwursteln, weil die zwar leben, aber doch schließlich niemals geboren würden, und niemand müsste dabei irgendwelche Rücksichten nehmen auf diese Untoten und auf all die immerzu störenden gefühlsduseligen Querulanten mit ihren blödsinnigen Bedenken wegen irgendwelcher Lebensrechte.
Ein „Durchbruch in der Wissenschaft“ steht uns möglicherweise bevor. Was könnte man doch damit alles Gutes tun. Und wieder wird das ganze bekannte Repertoire der Heilsversprechen abgespult. Die Stammzellen von embryonalen Klonen könnten bei industrieller Verwertung die Menschheit „befreien“ von der Multiplen Sklerose (MS), von Herzinfarkten, von Parkinson und von Querschnittlähmungen. Das alles wäre damit in Zukunft therapierbar, versucht man der staunenden Öffentlichkeit weiszumachen.
Behinderten Menschen in aller Welt wird Hoffnung auf „Heilung“ gemacht. Keiner müsste sich mehr mit dem Rollstuhl oder im Krankenbett zur heiligen Mariengrotte von Massabielle nach Lourdes schieben lassen. Die Blinden könnten sehen, die Gehörlosen könnten hören und die Lahmen könnten laufen, welch eine Erlösung. Für wen eigentlich? Diese Frage beantwortete unbeabsichtigt am 4. März 2004 der seinerzeitige und inzwischen pensionierte Leiter des Sozialamtes der Stadt Frankfurt, Magistratsdirektor a.D. und SPD-Mitglied Ingo Staymann. Bei der Veranstaltung „Du hast Recht(e)!“ konnte er den Schrecken und die Empörung der versammelten Behinderten nicht verstehen, als er wohlmeinend darüber schwadronierte, wenn der Staat das Geld, was er für die Behindertenhilfe aufwenden müsse, in die medizinische Forschung investieren würde, dann gäbe es weniger Behinderte.
Solche geldwerten Schwärmereien von Endlösungen sind nicht neu. Gerade in Deutschland gibt es Erfahrungen damit, den „gesunden Volkskörper“ entlasten zu wollen durch die Erlösung von „unnützen Fressern“ und „Ballastexistenzen„. Ich sprach am 3. Juni 2011 in der Deutschen Nationalbibliothek anlässlich der Verleihung des „Ethik-Preises“ der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) an den umstrittenen australischen Bio-Ethiker Peter Singer, der das Lebensrecht behinderter Menschen in seinen unseligen Veröffentlichungen mehrfach in Frage gestellt hat, mit dem Pressesprecher der gbs Michael Schmidt-Salomon über diese Themen. Der sich selbst als aufgeklärten Humanisten bezeichnende Schmidt-Salomon erklärte mir: Wenn Behinderung kein persönliches Leid bedeute, wären besondere Zuwendungen der Gesellschaft nicht notwendig. Persönliches Leid sei nach seiner Auffassung vermeidbar durch die Vermeidung von Behinderungen. Mit „Behinderungen“ meinte er nicht etwa Barrieren, sondern behinderte Menschen.
„Wir tun, was wir können„, lautet ein bekannter Werbeslogan. Angst und Bang wurde mir, als vor einigen Jahren der IBM-Konzern diesen Satz umdrehte und auf seine Fähigkeiten aufmerksam machte mit der bedrohlichen Reklameparole: „Was wir können, das tun wir!“ Wenn wir die Frankensteins einer entgrenzten Reproduktionsmedizin nicht daran hindern, für Investitionen der Wirtschaft in die schwefeligen Forschungsinstitute Renditen abzuwerfen, indem sie Verwertungsrezepte von Menschenmaterial liefern, dann werden sie früher oder später tun, was sie können. Der Biochemiker, Wissenschaftler, Essayist und Kritiker der Gentechnologie, Erwin Chargaff, wusste, wovon er schrieb: „Der Weg zur Hölle ist mit den guten Vorsätzen der Gentechnologie gepflastert.“ Er ist weltberühmt geworden durch seine Entschlüsselung der DNS-Struktur. Schon Johann Wolfgang von Goethe warnte im Zauberlehrling: „Walle! walle … Die ich rief, die Geister werd ich nun nicht los.“ Anzuschauen ist, wie Goethes Zauberlehrling den verflixten Besen einfach nicht mehr unter Kontrolle bekommt als Walt Disney-Film:
In Deutschland sind Versuche mit menschlichen Embryonen verboten. Noch. Was können wir tun? Wir Behinderten sollten uns nicht instrumentalisieren lassen von den Zauberlehrlingen. Bezaubern wir lieber selbst, schamfrei und mit Selbstbewusstsein nach dem Motto der „Pride Parade 2013“ am Berliner Hermannplatz: „Freaks und Krüppel, Verrückte und Lahme, Eigensinnige und Blinde, Kranke und Normalgestörte – kommt raus auf die Straße, denn sie gehört uns! Tanzt Barrieren weg, hüpft über Schubladen, scheißt auf Diagnosen. Küsst den Wahnsinn wach, liebt Krummbeine und Spasmus, begehrt Krücken und Katheter. Malt Eurer Scham Pink und Glitzer auf die Wange, winkt ihr zum Abschied und lasst sie laufen. Rollt, humpelt, tastet Euch vor – zum Hermannplatz am 13. Juli, um 15 Uhr.“ (Mehr Infos dazu unter: www.pride-parade.de)
In der FAZ meinte ein Leserbriefschreiber, man solle sich nichts vormachen, es gebe sie bereits, die netten Kleinen. Sie spielten in irgendeinem Labor im Keller Nachlaufen und Verstecken und erfreuten sich bester Gesundheit.
Arthur Schopenhauer: „Jeder dumme Junge kann einen Käfer zertreten. Aber alle Professoren der Welt können keinen herstellen.„