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Foto: Hans-Günter Heiden
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BERLIN (KOBINET) Die Geschäftsführerin der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland, Dr. Sigrid Arnade, war letzte Woche mit dabei, als im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen die Menschenrechtssituation in Deutschland beraten wurde und auch das Thema Behinderung zur Sprache kam. Lesen Sie im kobinet-Interview eine Nachlese der engagierten Menschenrechtlerin aus Berlin.
kobinet-nachrichten: Was hat Sie bewogen, kurzfristig nach Genf zur Sitzung des Menschenrechtsrates über die Menschenrechtssituation in Deutschland zu fliegen?
Dr. Sigrid Arnade: Ursprünglich wollten wir nicht nach Genf fliegen. Dann erhielten wir Mitte März ein Papier, das vom Sekretariat des Menschenrechtsrats zusammengestellt worden war. Darin wurden die Kernaussagen aller Parallelberichte der Zivilgesellschaft zusammengestellt; die eingereichten Berichte wurden aufgelistet. Der Bericht der BRK-Allianz wurde weder genannt noch tauchten unsere Kernpunkte in dieser Zusammenstellung auf. Daraufhin haben wir nochmals eine größere Versandaktion gestartet und haben die Reise nach Genf gebucht.
kobinet-nachrichten: Wie wurde das Thema Behinderung Ihrer Ansicht nach bei der Anhörung berücksichtigt?
Dr. Sigrid Arnade: Unter dem Eindruck des beginnenden NSU-Prozesses ging es natürlich hauptsächlich um das Thema Rassismus. Trotzdem können wir mit der Berücksichtigung unserer Anliegen sehr zufrieden sein, denke ich: Die USA empfahl Deutschland, private Dienstleistungsanbieter per Gesetz zur Barrierefreiheit zu verpflichten (kobinet berichtete). Peru mahnte Maßnahmen gegen die hohe Arbeitslosigkeit behinderter Menschen in Deutschland an. Montenegro sprach sich für verstärkte Bemühungen zur inklusiven Bildung aus. Spanien regte an, das Konzept der angemessenen Vorkehrungen zu realisieren. Österreich empfahl verstärkte Anstrengungen gegen alle Formen der Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit Behinderungen, ähnlich äußerte sich Chile. Guatemala drückte seine Besorgnis hinsichtlich der Gewalt in der Psychiatrie aus. Großbritannien und Armenien empfahlen verstärkte Trainings zur Menschenrechtsbildung.
Die Delegierten der Staaten hatten jeweils nur 74 Sekunden Zeit für ihre Statements. Dieser enge Zeitrahmen wurde auch strikt eingehalten. So gesehen sind doch recht viele unserer Anregungen aufgegriffen worden.
kobinet-nachrichten: Sie haben bei einer Pressekonferenz und einer ergänzenden Veranstaltung deutlich gemacht, wie wichtig die Behandlung des Themas Behinderung als Menschenrechtsfrage ist. Welche Reaktionen gab es darauf?
Dr. Sigrid Arnade: Von den Journalisten gab es Nachfragen; bei der ergänzenden Veranstaltung kam Unterstützung aus dem Publikum. Als ich den Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Markus Löning, um eine Stellungnahme zu meinen Ausführungen bat, gab er zu, sich in dieser Thematik nicht auszukennen. Ich habe ihm schon einmal die Schattenübersetzung der Behindertenrechtskonvention überreicht und werde ihn mit weiterem Infomaterial versorgen. Bezüglich des Wahlrechts in Deutschland äußerte sich Markus Löning allerdings sehr eindeutig: Er persönlich sprach sich dafür aus, die Wahlrechtsausschlüsse zu streichen, wie es auch die BRK-Allianz in ihren Berichten fordert.
kobinet-nachrichten: Was kann die Behindertenbewegung von den Veranstaltungen in Genf in Sachen Menschenrechte lernen?
Dr. Sigrid Arnade: Meiner Ansicht nach können wir vor allem zweierlei lernen: Zum einen dürfen wir nicht müde werden, immer wieder anzumahnen, das Thema Behinderung unter einer Menschenrechtsperspektive zu betrachten. Dazu müssen wir auch selber konkrete Beispiele liefern. Zum anderen ist mir nochmals die mehrdimensionale Diskriminierung deutlich geworden, die in Deutschland nach meiner Beobachtung häufig vernachlässigt wird: Verschiedene Diskriminierungsmerkmale sind gleichzeitig im Auge zu behalten. Zum Beispiel werden Frauen mit Behinderungen mehrfach benachteiligt, oder auch Menschen mit Migrationshintergrund und Behinderungen.
kobinet-nachrichten: Vielen Dank für das Interview.
Das Interview mit Dr. Sigrid Arnade führte kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul