
Foto: Ralph Milewski
Villmar-Weyer (kobinet) "'Bei geschlossener Schranke bitte anhalten!' Und 'Die Stimme aus dem Off': Berufliche Biografie und Zwischenrufe eines ehemaligen Heilerziehungspflegers" lautet der Titel des Buches von Stephan Laux, das 2024 erschienen ist. kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul sprach mit dem Autor, der auch für die kobinet-nachrichten immer wieder Kolumnen verfasst, über seine 40jährige Erfahrung in Einrichtungen der Eingliederungshilfe und über die Pläne für ein weiteres Buch. Dieses soll voraussichtlich im Spätsommer 2025 erscheinen. "Wenn man einen Job in der Eingliederungshilfe gut macht, kann man Schicksale von Menschen positiv beeinflussen", ist die klare Ansage von Stephan Laux.
kobinet-nachrichten: Sie waren 40 Jahre in Einrichtungen der Eingliederungshilfe als Heilerziehungspfleger tätig. Wenn Sie heute auf diese Zeit zurückblicken, was kommt Ihnen dabei als Erstes in den Sinn?
Stephan Laux: Als Erstes fällt mir ein, dass der Beruf des Heilerziehungspflegers für mich ein erfüllender Beruf war, den ich heute noch Berufsanfänger*innen empfehlen würde. Man kann als Heilerziehungspfleger*in seine Interessen und Talente vielfältig einbringen. Wenn man einen Job in der Eingliederungshilfe gut macht, kann man Schicksale von Menschen positiv beeinflussen. Deswegen ist ein Beruf in sozialen Bereichen gerade heutzutage auch „Demokratiearbeit“! Allerdings würde ich heute für eine andere Berufsbezeichnung plädieren. „Inklusator*in“ würde mir gefallen.
kobinet-nachrichten: Mit Ihrem Buch „Bei geschlossener Schranke bitte anhalten!“ Und „Die Stimme aus dem Off“: Berufliche Biografie und Zwischenrufe eines ehemaligen Heilerziehungspflegers von 2024 haben Sie ausführlich über Ihre Erfahrungen in Ihrer beruflichen Tätigkeit berichtet. Haben Sie das Gefühl, dass im System der Behinderteneinrichtungen im Lichte der UN-Behindertenrechtskonvention nennenswerte Reformen möglich sind?
Stephan Laux: In meiner beruflichen Tätigkeit habe ich die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention als Chance empfunden, dringend notwendige Reformen anzustoßen. Dabei hätte man sich auf die völkerrechtliche Bindung der Konvention berufen können. Diese Chance wurde bis heute vertan. Mir drängt sich der Verdacht auf, dass Verantwortliche, als sie allmählich begriffen haben, welch drastische Veränderungen die UN-Behindertenrechtskonvention in der Eingliederungshilfe und der Gesellschaft eigentlich mit sich bringen, davor zurückschrecken. Stattdessen versucht man, ein bestehendes System „aufzuhübschen“.
Da werden dann Veranstaltungen und Projekte als „inklusiv“ bezeichnet, die es eigentlich, im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention nicht sind. Verstehen Sie mich da nicht falsch! Ich schätze und bewundere das Engagement und den Aufwand, die hinter Veranstaltungen, wie den „Special Olympics“ stehen. Aber sie sind nicht inklusiv. Im Gegenteil sie sind exklusiv und fördern die Wahrnehmung (und die Selbstwahrnehmung) der Behindertenhilfe als „Parallelwelt“.
kobinet-nachrichten: Sie sind viel unterwegs und sprechen mit verschiedenen Menschen über Ihre Erfahrungen, aber auch über Vorschläge für Veränderungen. Welche Reaktionen bekommen Sie darauf?
Stephan Laux: Ich versuche, mit der „Szene“ in Verbindung zu bleiben. Dafür lade ich mich auf Kongresse und Dialogveranstaltungen der Behindertenhilfe ein. Vor allem bei den Teilnehmenden solcher Veranstaltungen erhalte ich viele zustimmende und ermutigende Reaktionen auf mein Buch und meine Impulse für Veränderungen. Auch Verantwortliche aus Politik, Landes Arbeits Gemeinschaften (LAG) oder Einrichtungsleitungen zeigen sich interessiert. Wenn es dann um eine konkrete Umsetzung, mein Angebot an Workshops, eine Interviewanfrage oder eine Lesung geht, werde ich öfter vertröstet oder die Anfragen verlaufen im Sand. Vielleicht lesen die Anfragenden zwischenzeitlich meine Kolumnen auf kobinet und sind dann abgeschreckt.
Ich durfte auch schon an zwei Fachschulen für Heilerziehungspflege aus meinem Buch vorlesen um anschließend mit den Studierenden darüber diskutieren. Das waren Erfahrungen die mir Hoffnung für die Zukunft gemacht haben.
Wirklich gewinnbringend sind für mich die Vernetzung mit und der Kontakt zu anderen Aktivist*innen, wie Ralph Milewski, Hans Willi Weis, Uwe Heineker oder Ottmar Miles Paul. Jeder von Ihnen hat eine andere, bereichernde Perspektive auf das Thema Inklusion.
kobinet-nachrichten: Sie lassen trotzdem nicht locker und arbeiten derzeit an einem weiteren Buch. Worum geht es dabei?
Stephan Laux: Meine Tochter ist selbst Heilerziehungspflegerin und hat mich auf die Idee gebracht, eine „berufliche Biografie“ und meine Kolumnen zu veröffentlichen. Aus dieser Idee hat sich ein dynamischer Prozess entwickelt. Wir sehen ja, wie dynamisch (leider zu oft in eine negative Richtung) sich Behindertenhilfe und Sozialpolitik gerade entwickeln. Deswegen soll es eine angepasste, neue Auflage des Buches geben. Mit weiteren Kolumnen, einem neuen Vorwort und neuen Bildern von Ralph Milewski. Insbesondere meine Kolumnen sind ja oft kritisch, provokant und politisch inkorrekt. Ich hoffe damit eine Debatte, auch innerhalb der Aktivist*innen Szene, mit dem Arbeitstitel „Inklusion im Dialog“ anzustoßen.
kobinet-nachrichten: Wann ist mit dem Erscheinen des neuen Werkes zu rechnen?
Stephan Laux: Angepeilt ist der Spätsommer 2025. Mal sehen, was bis dahin noch alles passiert.
kobinet-nachrichten: Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, welcher wäre dies im Hinblick auf die Behindertenhilfe?
Stephan Laux: Ich wünsche mir für die Behindertenhilfe, die UN-Behindertenrechtskonvention endlich zum Anlass zu nehmen, mutig über echte Reformen zu diskutieren und weniger plakativ zu agieren. Dabei sollte die Behindertenhilfe Mitarbeitende ermutigen, das System konstruktiv kritisch zu hinterfragen und offen für neue Impulse sein.
Darauf sollte schon in der Ausbildung, zum Beispiel an Schulen für Heilerziehungspflege, Wert gelegt werden.
kobinet-nachrichten: Vielen Dank für das Interview.
Zum Buch von Stephan Laux:
„‚Bei geschlossener Schranke bitte anhalten!‘ Und ‚Die Stimme aus dem Off‘: Berufliche Biografie und Zwischenrufe eines ehemaligen Heilerziehungspflegers“, so lautet der Titel eines Taschenbuchs, das am 29. Mai 2024 erschienen ist und von Stephan Laux verfasst wurde. Das Buch ist für 10,97 Euro bei Amazon erhältlich und kann auch direkt beim Autor bestellt werden. „Die Eingliederungs- und Behindertenhilfe haben sich in den letzten 40 Jahren verändert. Stephan Laux (Jhg. 1963) beschreibt in seiner beruflichen Biografie, wie sich diese Veränderungen seit der Psychiatriereform Ende der 80er-Jahre auf das Berufsbild des Heilerziehungspflegers und die Lebensumstände der geistig beeinträchtigten Menschen, die er während seines Berufslebens kennen und schätzen gelernt hat, ausgewirkt haben. Dabei berichtet er von außergewöhnlichen Begegnungen mit Betroffenen und Kolleg*Innen, von Ideen, von Entwicklungen und Impulsen, die seine Arbeit in verschiedenen Sondereinrichtungen bis heute geprägt haben. So entstanden unterhaltsame Geschichten, in denen sich ‚altgediente‘ Mitarbeitende des Sozialwesens wiederfinden und Berufseinsteiger*Innen neue Impulse bekommen können. Stephan Laux (Jhg. 1963) ist Zimmermann und Heilerziehungspfleger. Er war fast 40 Jahre in Einrichtungen der Eingliederungshilfe tätig. Er leitete Wohnstätten und seit 2016 eine Tagesstätte für geistig und mehrfach schwer beeinträchtigte Erwachsene. Stephan Laux bietet Coachings und Workshops für soziale Einrichtungen an. In seiner beruflichen Biografie und seinen Kolumnen berichtet und kommentiert er Beobachtungen und Entwicklungen aus der Praxis der Behindertenhilfe. Er versteht sich als Fürsprecher jenes Personenkreises von kognitiv und mehrfach schwerst beeinträchtigten Menschen, die in Sondereinrichtungen leben und über eine wenig ausgeprägte Lobby verfügen. Auch die Sicht und die Situation der in der Behindertenhilfe tätigen Mitarbeiter*innen sind ihm ein Anliegen. Die UN Behindertenrechtskonvention und das sich daraus ergebenden Bundesteilhabegesetz erscheinen ihm dabei als bisher vertane Chance für eine dringend notwendige Reform der Behindertenhilfe“, heißt es in der Ankündigung des Buches auf Amazon.
Link zu weiteren Infos und zur Bestellmöglichkeit des Buches
Das Buch kann auch direkt bei Stephan Laux unter folgender E-Mail bestellt werden: [email protected]