
Foto: Hans-Willi Weis
Staufen (kobinet) Zwischen grünen und roten Gummibärchen wählen – blaue, schwarze oder braune gibt es ohnehin nicht – fällt relativ leicht, mir schmecken die grünen mit Waldmeistergeschmack am besten. Ganz anders die Wahl zwischen Parteien und überdies des kompletten Farbspektrums, die reinste Qual! Nicht nur der Geschmacklosigkeit und bisweilen Ungenießbarkeit halber. Ich werde weitere Gründe nennen und zum Schluss unverbindlich auf eine klipp und klare Wahlempfehlung verzichten, um der Quälerei ein Ende zu machen.
Also quäle ich mich und bin wählerisch
Zum Beispiel der Scholz, auch unter dem Namen Scholzomat geläufig. Die durch Ampelbruch irreparabel beschädigte Gallionsfigur der Roten, parteifarblich gesprochen. Scholz kann ich mir noch am ehesten als rotes Gummibärchen vorstellen, der Glatze wegen, Gummibärchen sind unbehaart. Nachdem Scholz eingestanden hat, beim Lesen von J.D. Vance Rührstück „Hillbilly-Elegie“ seien ihm die Tränen gekommen, kann ich mir das rote Scholz-Gummibärchen sogar mit Himbeergeschmack vorstellen. Hilft jedoch alles nichts, der Scholzomat im Kern ein Weichei? Lauwarme weichgekochte Eier mochte ich noch nie, nach seiner Wahl fühlte ich mich nicht minder gequält als zuvor.
Und wie halte ich es mit den grünen Bärchen, in der politischen Farbenlehre gesprochen? Schließlich kommen sie der Anmutung Gummibärchen am nächsten, so gallertartig und gummimäßig sie sich in ihrer politischen Biegsamkeit und Beugsamkeit die Jahre über erwiesen haben, kann ihnen keine andere Politbärchentruppe das Wasser reichen. Politisch biegsam nach jeder erforderlichen Himmelsrichtung, flexibel beugsam vor und zurück, man denke an Habecks Bückling um dem Scheich zu gefallen, diesem Gas- und Geldesel aus dem Morgenland. Das Gas muss halt wasserstoffgrün sein, die Öldollars sind es ohnehin, grüne Lappen wie alle Dollars. – Aber jetzt schweife ich kuweit nach Saudi-Arabien ab, die Qual der Wahl will vor unserer Haustür entschieden sein. Was zur Ähnlichkeit der Habeckgrünen mit meinen geliebten grünen Gummibärchen als weiterer Pluspunkt hinzukommt: In feministisch vorbildlicher Weise springen bei den Gummigrünen zur Hälfte weibliche Gummibärböcklein umher. Gummibärböcklein leitet sich von der grünen Frontfrau Bärbock her (in meinen Ohren die lieblichere Version des Genderns, hört sich besser an als Gummibär*innen).
Nein, ich muss bekennen „I am not convinced“ from der grünen Performance, ist mir alles zu verbogen! Mit meinem „I am not convinced“ zitiere ich übrigens ein grünes Urgestein, das inzwischen bis zur Unkenntlichkeit verwittert ist. Joschka Fischer, der sich später zu Josef Fischer zurückentwickelte oder zurückbog. Josef Maria oder Jesses Maria, was aus dem geworden ist! Vor Jahrzehnten einmal das basisdemokratische Sturmgeschütz einer häuserkampferbrobten Frankfurter Straßenkampfhaubitze, zu 100 Prozent aus körpereigener Biomasse, nicht aus Rheinmetallstahl. Während die hundertprozentig Grüngewaschenen von heute den Kopf nicht länger selber hinhalten, sondern stets „dem Bedarf auf dem Schlachtfeld entsprechend“ liefern, wie der Grünenhäuptling Habeck leider glaubwürdig versichert. – Next step: Rüstungs-Robert möchte in die Annalen der Kriegsertüchtigungsgeschichte eingehen und den Verteidigungshaushalt auf 3,5 Prozent des bip (Bruttoinlandsprodukt) erhöhen. Was knapp die Hälfte wäre von unser aller Haushaltsgeld, Bundeshaushaltsgeld. In einem Regierungsbündnis von H & M, Habeck und Merz, umgesetzt, müssten Kanzler Merz und Vize Habeck folglich die Sozialkasse plündern. Habecks Kapitalertrags- oder Vermögendenbesteuerung im grünen Wahlprogramm darf das grüne Wahlvolk schon jetzt in die Tonne treten. Wie ich es gleich mit dem ganzen Verein mache.
Welche Wahl hat einer wie ich denn dann noch?
Wenn die grünen und die roten Gummibärchen für mich politisch ungenießbar sind. Blaue, schwarze oder gar braune Gummibärchen (selbst wenn es sie gäbe) kämen für mich sowieso nicht in Frage. Allein deren Kanzlerattrappen, zum Fortlaufen! Stimmt, ein paar gelbe Gummibärchen stellen sich auch noch zur Wahl. Die habe ich bereits als Kind aussortiert, die hatten damals schon keinen richtigen Geschmack, heute sind sie politisch zum Ausspeien. Und mit der Kettensäge um den Hals könnten sie echt gefährlich werden. Nochmals in den Bundestag gewählt und mit einem Regierungsamt betraut, hinterließe so ein Sägewerk auf zwei Beinen wie dieser Lindner nicht nur im deutschen Wald eine Schneise der Verwüstung. – Nachdem ich mit dem politischen Gummibärchen und den drei anderen Farben, von denen es keine Gummibärchen gibt, durch bin, was bleibt noch zum Wählen und sich Quälen?
Das BSW? Ausbuchstabiert „Bitte Sarah Wählen“. Dass die anderen Wahlvereine von grün bis schwarz sie als „fünfte Kolonne Putins“ beschimpfen und die Mainstream-Medien die Diffamierungskampagne mitmachen, deutet für mich darauf hin, dass das BSW zumindest mit seinem Anti-Kriegs-Kurs etwas richtig macht. Die antiwoken Seitenhiebe des Bündnisses gefallen mir nicht, ich müsste mich quälen, den Verein zu wählen. So lande ich zuletzt bei der Rumpf-Linken, die über das glorreiche Projekt „Silberlocke“ mit den drei Direktmandaten ihrer prominenten Altvorderen abermals ins Parlament einzuziehen hofft. Für mich das Bemerkenswerteste: Der neue Ko-Vorsitzende van Aken hat über Friedens-und Konfliktforschung ein sehr lesenswertes Buch vorgelegt, „Worte statt Waffen“ lautet der programmatische Titel. Sollte ich wählen gehen, dann am ehesten die Linke. Auch wenn sich meine Haare im Unterschied zu Gysis nicht versilbert haben, sondern lediglich grau geworden sind.
Lasst mich Wahlertüchtigungskolumne mit einer weit zurückliegenden Erinnerung schließen. Gummibärchen waren nicht die einzige Qual der Wahl, vor die ich mich in der Kindheit gelegentlich gestellt sah. Fragte ich meine Mutter in unserer 1950er Jahre Wohnküche nach etwas Süßem, so fragte sie als erstes zurück, hast du denn keine Gummibärchen mehr? Sagte ich, die sind alle, kam der Moment, in welchem ich mich vor die zweite Kategorie von Qual der Wahl gestellt sah. Kuchen oder süße Teilchen gab es bei uns unter der Woche nicht. Also sagte meine Mutter, ich kann dir ein Brot mit Zucker drauf machen oder eine Scheibe mit Senf schmieren. Und sie vergaß nie hinzuzufügen, das haben wir Kinder und Jugendliche, wenn sonst nichts da war, uns auch immer gemacht, im Krieg. – Ehrlich, heute schüttelt es mich, wenn ich daran denke. Mehr noch schüttelt es mich allerdings, wenn ich die Wahlreden unserer Spitzenpolitiker höre. Dann doch lieber ein Senfbrot, wenn man mich schon vor die Wahl stellt.