
Foto: SOD
BERLIN (kobinet) Wenige Wochen vor der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 hatte Special Olympics Deutschland (SOD) sich mit "Politischen Forderungen" an die Öffentlichkeit gewandt. Seit dem nehmen Athleten in der Öffentlichkeit Stellung, so auch der SOD Athletensprecher Dennis Mellentin. Mit ihm hatte Hartmut Augustin gesprochen. In dem Gespräch erklärt Dennis Mellenthin, warum er es richtig findet, dass Sport als Teil der Persönlichkeitsentwicklung von Menschen mit geistiger Beeinträchtigung gefördert wird
In dem Gespräch erklärt Dennis Mellenthin: „Der Sport hält mich fit. Beim Sport können wir zeigen, dass wir etwas können. Ich habe 2008 angefangen mit dem Radfahren. Mein Trainer war überzeugt von mir. Er hat ein Test-Rennen gegen andere Sportler organisiert. Ich war ganz aufgeregt. Niemand hat damit gerechnet, dass ich gewinne. Aber ich habe gewonnen. Ich hätte die ganze Welt umarmen können vor Freude und Glück. Dann habe ich weiter viel trainiert.
Ich bin kein Einzelgänger. Ich mag die Gemeinschaft. Beim Sport habe ich ganz viele Freunde gefunden. Hier in Berlin, in Deutschland und in der Welt.
Eines meiner schönsten Erlebnisse waren die Special Olympics Weltspiele 2019 in Abu Dhabi. Dort habe ich zwei Mal Bronze im Radfahren geholt. Mit dem Trainer haben wir uns immer eine Strategie ausgedacht. Ich werde nicht vergessen, wie das Team mich jedes Mal nach dem Erfolg empfangen hat. Das war ganz toll. Wir haben uns sehr gut im Team verstanden. Dadurch hatte ich weniger Stress im Wettkampf. Und der Druck war nicht so groß. Ein Mega-Highlight für mich war dort auch, dass ich bei der Eröffnungsfeier einer der Fackelläufer sein konnte. Als ich wieder in Berlin bei meiner Arbeit war, haben sich alle mit mir gefreut. Mein Papa ist heute noch ganz stolz auf mich.
Sport ist ganz wichtig für mich. Ich habe Welten kennengelernt, die ich ohne Sport nie erlebt hätte. Jetzt als Athletensprecher fahre ich immer noch Rad und spiele gern Fußball. Ich möchte die Interessen der Sportlerinnen und Sportler vertreten. Ich bin für alle da.“
Protokolliert von Hartmut Augustin
Es freut mich, dass Dennis Mellenthin Freude am Sport hat und durch seine Leistungen Anerkennung erfährt. Sport kann ein wichtiger Teil des Lebens sein – für alle Menschen.
Aber genau hier liegt das Problem: Warum „für alle“, wenn es dann doch getrennte Strukturen wie die Paralympics oder die Special Olympics gibt? Wenn Sport wirklich verbindet, warum dann nicht in einer gemeinsamen Veranstaltung?
Die Aussage „Beim Sport können wir zeigen, dass wir etwas können“ ist für sich genommen nicht falsch. Anerkennung durch Leistung ist etwas Positives. Fragwürdig wird es aber, wenn es die einzige Möglichkeit ist, um Wertschätzung zu erhalten. Wenn sich Menschen mit Behinderung erst durch überdurchschnittliche sportliche Leistung beweisen müssen, um als „fähig“ wahrgenommen zu werden, dann ist das keine Inklusion, sondern ein Beweis für bestehende gesellschaftliche Vorurteile.
Das größere Problem ist jedoch die vorgegebene Richtung: Statt bestehende Strukturen so zu verändern, dass sie für alle zugänglich sind, werden eigene Formate geschaffen. Das sieht auf den ersten Blick nach Fortschritt aus, ist aber nichts anderes als eine geschönte Form der Exklusion. Es ist ein Disneyland für Menschen mit Behinderung – eine künstlich geschaffene Parallelwelt, die zwar nett aussieht, aber nichts an der grundlegenden Trennung ändert.
Echte Teilhabe bedeutet, dass Menschen mit Behinderung nicht in Sonderstrukturen verwaltet werden, sondern selbstverständlich in den regulären Wettkämpfen und Veranstaltungen vertreten sind. Allein die Tatsache, dass Paralympics und Olympische Spiele getrennt sind, zeigt, dass diese Gleichberechtigung noch lange nicht erreicht ist.
Wirkliche Inklusion bedeutet nicht, mehr Sonderveranstaltungen zu schaffen, sondern die allgemeinen Strukturen so anzupassen, dass sie für alle funktionieren. Aber genau das ist nicht gewollt.