
Foto: LWL Landesverband Westfalen Lippe
Gelsenkirchen (kobinet) "Menschen mit Behinderungen können manchmal nicht länger im eigenen Zuhause betreut werden. Mit dem 'Betreuten Wohnen in Gastfamilien' (BWF) bietet der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) inzwischen rund 700 Menschen mit Behinderungen eine Alternative zum Leben in einer Wohngruppe: Sie leben in einer sogenannten Gastfamilie, die sie bei einer möglichst selbstbestimmten Lebensführung unterstützt." Darauf hat der LWL in einer Presseinformation aufmerksam gemacht.
„Die neuen Mitbewohner:innen leben wie ein Familienmitglied in der Gastfamilie – ein Erfolgsmodell, denn das bedeutet ein großes Stück Normalität für diese Menschen mit Behinderungen“, so LWL-Sozialdezernent Takis Mehmet Ali. Eine besondere fachliche Qualifikation sei nicht erforderlich: „Gastfamilien leisten zwischenmenschlich eine Arbeit, die eine professionelle Begleitung kaum übernehmen kann.“
„Mit dem Begriff ‚Gastfamilien‘ wollen wir zeigen, dass es bei den erwachsenen Menschen, die wir hier ansprechen, nicht um Pflege oder Erziehung geht“, sagt Katrin Hermann, Regionalplanerin beim LWL. „Wir ermöglichen den Menschen mit Behinderungen eine individuelle Lebensführung, für die die dauerhafte Betreuung in einer besonderen Wohnform, einem Heim, zu viel – und ambulant unterstützt in einer eigenen Wohnung – zu wenig Sicherheit bietet.“
„Ohne ihn wäre ich nicht mehr am Leben“
Diese Erfahrung hat auch Nadine Noack gemacht, die heute bei den Kargs in Gelsenkirchen lebt. Ohne Herbert Karg, ihren Gastvater, sei sie „heute nicht mehr am Leben“, ist die 43-Jährige überzeugt. Missbrauch in der Familie, Drogensucht, der Tod einer Partnerin – seit sie ein Kind war, hätten diese Erfahrungen sie geprägt. „Meine Kindheit war echt scheiße – auf Deutsch gesagt“, so Noack. Drogensucht, Obdachlosigkeit und der Entzug eines Kindes haben Sie im Erwachsenenleben geprägt. Doch dann habe sich ihr Leben komplett gewandelt – in ein harmonisches Familienleben. Seit mittlerweile zwölf Jahren wohnt Nadine Noack mit ihrem achtjährigen Sohn beim Ehepaar Karg, die sie „Mama und Papa“ nennt. Gastmutter Ute Karg findet, dass ihre kleine Familie in beiden Richtungen funktioniert: „Nadine gibt uns einfach auch viel zurück.“
Die ganze Geschichte gibt’s im Internet unter: https://scomp.ly/lwl-gastfamilien-p
Hintergrund:
Das „Betreute Wohnen in Gastfamilien“ (BWF) ist ein Angebot des LWL für erwachsene Menschen mit einer psychischen, körperlichen und/oder geistigen Behinderung oder einer Suchterkrankung. Ähnlich wie in der Kinder- und Jugendhilfe nehmen Familien, Paare oder Einzelpersonen als sogenannte „“Gastfamilie“ Menschen mit Behinderung bei sich auf. Unterstützt werden die Familien und ihre Gäste immer von einem Fachteam vor Ort, das regelmäßig einmal im Monat vorbeikommt und mit dem LWL zusammenarbeitet.
In Westfalen-Lippe leben rund 700 Menschen mit Behinderung in einer Gastfamilie. Um noch mehr Menschen diese Möglichkeit bieten zu können, werden immer offene Familien gesucht, die für eine Gastelternschaft bereit wären. Bei Interesse informiert und unterstützt das jeweilige Fachteam in Wohnortnähe.
Der LWL organisiert das „Betreute Wohnen in Gastfamilien“ und finanziert es auch mit. Die Familien bekommen monatlich je nach Wohnort insgesamt rund 1.000 Euro vom LWL, etwa 800 Euro vom örtlichen Sozialamt. Der LWL zahlt außerdem 700 Euro für einen begleitenden Dienst. Ein Heimplatz kostet mindestens doppelt so viel, wie es in der Presseinformation des LWL heißt.
Die Rechnung, die hier aufgemacht wird, ist auch irreführend. Ein Wohnheimplatz in besonderen Wohnformen ist für ungefähr 200 Euro täglich zu haben. Das Modell Gastfamilie NRW inklusive begleitender Dienst für 1000 Euro monatliche Kosten für den LWL. Ein Wohnheimplatz würde also nicht, wie hier dargestellt, das Doppelte sondern das 6fache kosten. Diese Pressemitteilung führt leider in die Irre.
Bei den hier erwähnten insgesamt 1000 Euro, die die Gastfamilie erhält, ist die Grundsicherung bzw. das Bürgergeld enthalten. Vom LWL erhält die Familie dann die Differenz. Wenn z.B. ein Mietvertrag mit der Familie besteht und ein Mehrbedarf wegen Behinderung, kann die Grundsicherung oder Bürgergeld schon höher als 1000 Euro sein und der LWL muss garnichts mehr zahlen. Ausser den begleitenden Dienst.
Dieses Modell wird auch ehemaligen Pflegefamilien „aufgedrückt“, wenn die Kinder erwachsen werden auch für Menschen, die sehr viel mehr eingeschränkt sind als hier erwähnt.