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Ampel hat viele behindertenpolitische Vorhaben liegen gelassen

Verkehrszeichen Gefahr mit den Ampelfarben Rot, Gelb,Grün
Gefahrzeichen Ampel
Foto: CopyrightFreePictures In neuem Fenster öffnen via Pixabay In neuem Fenster öffnen

Berlin (kobinet) Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hat viele behindertenpolitischen Vorhaben liegen gelassen. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit dem Titel "119 Fragen zur Amtszeit des Bundesministers für Arbeit und Soziales" (BT-Drs. 20/14446) hervor. Zum Bereich der Inklusion erklärte der Teilhabebeauftragte der CDU/CSU Bundestagsfraktion, Wilfried Oellers: "Wir haben es nun noch einmal schwarz auf weiß: Bis auf das Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts, einen gesteigerten Anteil barrierefreier Informationen der Bundesregierung sowie den Aktionsplan für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen bestand die Inklusions-Politik der Ampel im Wesentlichen aus Dialogformaten, Ankündigen und Vertagen. Bei vielen Vorhaben wie der Reform des Werkstattentgelts, des Behindertengleichstellungsgesetzes, des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes oder Verbesserungen beim Bundesteilhabegesetz tat sich auch schon lange vor dem Bruch der Ampel-Koalition nichts mehr."

„Nach den Wahlen muss eine neue Regierungs-Koalition die Bremse bei der Inklusion endlich wieder lösen. Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch: Die Barrierefreiheit im öffentlichen Raum muss vorankommen. Für die Barrierefreiheit im Privatbereich braucht es verbindliche Einzelfalllösungen, unterstützt durch gezielte und unbürokratische Förderprogramme, zum Beispiel für den Wohnungsbau, aber auch für den barrierefreien Umbau von Arztpraxen. Zusätzlich bedarf es mehr Bewusstseinsbildung zur Barrierefreiheit in Fachberufen und zur Nutzung der Potentiale der Digitalisierung. Die Baustellen nach dem Bundesteilhabegesetz wie die Entbürokratisierung der Bedarfsermittlung und Leistungserbringung und die Schnittstellen zur Pflege müssen dringend angegangen werden. Die Anreize und Förderinstrumente, um von der Werkstatt in den ersten Arbeitsmarkt zu wechseln, müssen passgenauer und attraktiver werden. Und wir können die Werkstattbeschäftigten mit einer Lösung für ein auskömmliches und transparentes Werkstattentgelt nicht länger vertrösten“, betonte Wilfried Oellers angesichts der Antwort der Bundesregierung.

Kommentar von kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul

Was aus der Presseinformation von Wilfried Oellers nicht hervorgeht, sind die vertanen Möglichkeit bzw. der Unwille der CDU/CSU Fraktion nach dem Bruch der Amepl-Koalition Anfang November 2024 bis heute noch einige behindertenpolitische Punkte fraktionsübergreifend im Sinne der Sache anzupacken und zu beschließen. Viele Vorschläge lagen schon in der Schublade. Bei der verstärkten Forschung und Anerkennung der „Euthanasie-Opfer“ und bei der Erleichterung bei der Hilfsmittelversorgung konnten zwar noch Beschlüsse herbeigeführt werden, aber bei wichtigen von Wilfried Oellers genannten Punkten wie der Barrierefreiheit oder der Reform des Werkstättensystems, aber auch bei den nicht-invasiven Pränataltests wären durchaus noch gemeinsame Initiativen möglich gewesen. Die CDU/CSU trägt sicherlich nicht die Schuld daran, was die Ampelregierung verbaselt hat, aber im Sinne der Sache hätte sie noch einiges anschieben können, hätte sie es gewollt.

Auch ein Blick in das Wahlprogramm zur Bundestagswahl der CDU/CSU macht wenig Hoffnung, dass es entscheidende Fortschritte bei der Barrierefreiheit und Inklusion mit einer CDU/CSU geführten Bundesregierung geben wird. Hier findet man wenig Hinweise auf konkrete Gesetzesinitiativen, sondern hauptsächlich schöne Rhetorik, von der behinderte Menschen erst einmal wenig haben. Im Wahlprogramm der CDU/CSU ist beispielsweise nichts von der Verpflichtung privater Anbieter von Dienstleistungen und Produkten zur Barrierefreiheit bzw. zu angemessenen Vorkehrungen zu lesen. Zudem merkt man dem Wahlprogramm der CDU/CSU das Geeiere bei verschiedenen Punkten an, wo zwar mehr Inklusion proklamiert wird, aber der Erhalt und die Stärkung der Sondersysteme vorgesehen ist. Mit reiner Bewusstseinsbildung ändert sich wenig, wie behinderte Menschen aus den vielen Sonntagsreden und Hinhaltetaktiken von wegen „die Barrieren in den Köpfen abbauen“, leidvoll bestätigen können. Ein Blick nach Bayern zeigt zudem, was die CSU unter Inklusion auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt versteht. Wöchtendlich grüßt hier der Murmeltier mit den Pressemeldungen des bayerischen Sozialministeriums über weiter Millionen Euro, die in Werkstätten für behinderte Menschen fließen. Die im schwarz-grün regierten Nordrhein-Westfalen erfolgte Konzentration der Wohnraumförderung auf Einrichtungen mit mindestens 24 Bewohner*innen statt kleinere Wohnformen in den Mittelpunkt zu stellen, lässt ebenfalls erahnen, wohin die Reise mit der CDU gehen könnte.

Folgender Blick in das Wahlprogramm der CDU/CSU zur Bundestagswahl lohnt sich daher. Dort heißt es auf Seite 59/60:

„Teilhabe von Menschen mit Behinderungen sichern
Menschen mit und ohne Behinderungen leben gemeinsam und gleichberechtigt. Sie lernen und arbeiten miteinander. Aber wir sind noch nicht am Ziel. Deshalb stärken wir Selbständigkeit, Eigenverantwortlichkeit und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen weiter. Ein inklusiver Sozialraum und Barrierefreiheit sehen wir als Mehrwert für alle Generationen. Die Digitalisierung eröffnet neue Möglichkeiten der Teilhabe und Inklusion.

• Mehr Chancen bieten. Wir erleichtern Menschen mit Behinderungen den Zugang zu Ausbildung und Arbeit mit passgenauen Impulsen für einen inklusiven Arbeitsmarkt. Dafür stärken wir sowohl die Vermittlung auf den ersten Arbeitsmarkt als auch Inklusionsbetriebe und Werkstätten. Denn sie bieten einen geschützten Raum, um sich im Arbeitsleben zu erproben.

• Leistungen aus einer Hand. Unser Ziel ist es, eine integrierte Leistungsplanung einzuführen. Für den Bürger soll es keine Rolle mehr spielen, wie viele Sozialleistungsträger gerade für ihn zuständig sind.

• Gesundheitssystem inklusiver gestalten. Wir setzen uns für weitere Verbesserungen beim barrierefreien Zugang zur gesundheitlichen Versorgung und Informationen ein. Wir führen den Aktionsplan für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen fort. Aufwändige Antragsprozesse für Hilfsmittel, insbesondere für Kinder mit Behinderungen, werden wir vereinfachen.

• Mehr Achtsamkeit im öffentlichen Raum. Barrieren in Bus und Bahn müssen schneller beseitigt werden. Gleiches gilt für Hürden im Alltag wie beliebig abgestellte Leihräder und -roller, die gerade für blinde und sehbehinderte Menschen eine Unfallgefahr sind.

• Bildungsvielfalt erhalten. Wir fördern Gebärdensprache als Minderheitensprache. Wir sorgen für individuelle Bildungsmöglichkeiten für Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen und sehen neben Inklusionsangeboten auch Förderschulen als Bestandteil der Bildungswelt.“

Link zum vollständigen Wahlprogramm der CDU/CSU für die Bundestagswahl am 23. Februar 2025

Hintergrund:

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat eine Kleine Anfrage mit dem Titel „119 Fragen zur Amtszeit des Bundesministers für Arbeit und Soziales“, (BT-Drs. 20/14446), an die Bundesregierung gerichtet. Die Antwort der Bundesregierung kann bei der Pressestelle der CDU/CSU-Bundestagsfraktion angefordert werden.

Die Antwort der Bundesregierung auf die Fragen wurde noch nicht veröffentlicht. Sie dürfte demnächst auf folgender Seite des Bundestages veröffentlicht werden: https://dip.bundestag.de/vorgang/119-fragen-zur-amtszeit-des-bundesministers-f%C3%BCr-arbeit-und-soziales/319200?f.deskriptor=Bundesmittel&rows=25&pos=1&ctx=d