Berlin / Kaiserslautern (kobinet) Die Äußerungen des CDU Generalsekretärs Carsten Linnemann mit einem Vorschlag für ein Register für psychische kranke Menschen hat entschiedenen Widerstand ausgelöst. Im Deutschlandfunk hatte Carsten Linnemann einem taz-Kommentar zufolge gesagt: "Es reicht nicht aus, Register anzulegen für Rechtsextremisten und Islamisten, sondern in Zukunft sollte das auch für psychisch Kranke gelten.“ Später habe der CDU-Politiker zurückgerudert, er habe psychisch kranke Gewalttäter gemeint. "Doch sein ursprüngliches Zitat spricht für sich und die Relativierung bleibt problematisch, wie es in einem taz-Bericht heißt", schreibt Daniela Sepehri im taz-Kommentar zu den Vorschlägen des CDU Generalsekretärs.
Link zum taz-Kommentar von Daniela Sepehri
Die Selbsthilfe Psychiatrie-Erfahrener Rheinland-Pfalz hat mit einem offenen Brief auf die Äußerungen des CDU Generalsekretärs reagiert: „Sehr geehrter Herr Carsten Linnemann, mit großer Besorgnis nehmen wir, die Selbsthilfe Psychiatrie-Erfahrener Rheinland- Pfalz e.V., die Äußerungen des CDU-Generalsekretärs Carsten Linnemann zur Kenntnis, der im Kontext des tragischen Attentats von Magdeburg die Einführung eines Registers für psychisch auffällige Gefährder fordert. Die von Herrn Linnemann gewählte Rhetorik, insbesondere die Bezeichnung ‚für diese Typen haben wir keine Raster‘, zeugt von einer stigmatisierenden und pauschalisierenden Haltung gegenüber Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen“, heißt es u.a. im offenen Brief.
„Die Äußerung von Carsten Linnemann, psychisch kranke Menschen in ein Register aufzunehmen, ist nicht nur zutiefst menschenfeindlich, sondern ein gefährlicher Angriff auf die Würde und Rechte einer ohnehin besonders schutzbedürftigen Gruppe unserer Gesellschaft. Eine solche Forderung entmenschlicht Menschen mit psychischen Erkrankungen und wirft sie in denselben Topf mit Rechtsextremisten und islamistischen Gewalttätern – ein ungeheuerlicher Vergleich, der auf blankem Unwissen oder bewusster Ausgrenzung basiert“, heißt es vonseiten der Linken des Bezirksverband Westpfalz.
Mit der doch recht tendenziösen Überschrift beteiligt sich der Kobinet Autor bzw. die Autorin allerdings bedauerlicherweise selbst an der Befeuerung von Vorurteilen gegenüber Menschen mit psychischer Erkrankung und gegenüber Menschen mit seelischer Behinderung. Menschen mit psychischer Erkrankung sind genauso wenig inhärent auffällig, wie sie auch genauso wenig per se inhärent gewalttätig sind. Nur zu häufig ist das Gegenteil der Fall. Ein schwer depressiver Mensch wird beispielsweise in der Regel gar nicht wahrgenommen, ist also das ganze Gegenteil von „auffällig“.
Das von Herrn Linnemann geforderte Register ist eine Methode, die ein einziges Mal in der deutschen Geschichte angewendet wurde -nämlich in der NS-Zeit. Dort wurde ein solches Register im Rahmen der Euthanasie-Pläne geschaffen, um behinderte und psychisch kranke Menschen in sogenannte Heil- und Pflegestätten“ bzw. „Kinderfachabteilungen“ zu zwingen. Dort wurden viele Verbrechen an ihnen ausgeübt: Von menschlichen Experimenten über Verstümmelungsprozesse bis hin zur gezielten Tötung von Jung und Alt. Diese Praxis war die Vorarbeit für die sogenannte „Aktion T4“, bei der über 70.000 behinderte und psychisch kranke Menschen systematisch von den Nazis getötet wurden.
Die Vorurteile gegenüber Menschen mit psychischer Erkrankung oder seelischer Behinderung haben sich bis heute nicht wesentlich geändert.
Die umstrittenen Äußerungen von Carsten Linnemann kann man sich unter Anschlag in Magdeburg: Linnemann fordert schnelle Aufarbeitung ab Minute 03:30 im Deutschlandfunk anhören.