
Foto: Birger Höhn
Dresden (kobinet) In der Woche vom 10. - 14. Juni hatte Birger Höhn durch das Projekt "Lernorte des Erinnerns" der Brücke-Most-Stiftung die Gelegenheit eine Förderschulklasse bei deren inklusiver Bildungsfahrt nach Theresienstadt zu begleiten. Nun hat Birger Höhn folgenden Bericht über die für ihn sehr bewegende Bildungsreiche verfasst und den kobinet-nachrichten zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt.
Bericht von Birger Höhn
In der Woche vom 10. – 14. Juni hatte ich durch das Projekt „Lernorte des Erinnerns“ der Brücke-Most-Stiftung die Gelegenheit eine Förderschulklasse bei deren inklusiver Bildungsfahrt nach Theresienstadt zu begleiten.
Es war für mich eine Premiere in gleich mehrfacher Hinsicht, denn ich war noch nie in Theresienstadt, ich habe noch nie an einem Gedenk- und Erinnerungsort mehrere Nächte übernachtet und schließlich hatte ich auch zur Aufgabe, da es in der Klasse schon ein bißchen problematische Erfahrungen mit einem autistischen Mitschüler gab, der allerdings bei der Fahrt selber aus anderen Gründen nicht mit war. Außerdem sollte ich für mich persönlich herausfinden, ob ich denke, dass es für mich möglich wäre, eine solche Fahrt auch künftig sozusagen als externer Peer-Ansprechpartner mit zu begleiten, und die im Programm vorgesehenen täglichen Auswertungsrunden mitzuübernehmen.
Vorweg gesagt: Alle diese Premieren sind gut gelaufen und ich kann es mir sehr gut vorstellen, solche Bildungsfahrten auch künftig als externer Peer Ansprechpartner mitzugestalten.
Es war eine sehr, sehr bewegende Bildungsfahrt, an der neben dem Projekt „Lernorte des Erinnerns“ der Brücke-Most-Stiftung, den Freiwilligendiensten der Gedenkstätte Theresienstadt, den ReferentInnen vom „Parcours Bildung“, eben die Förderschulklasse mit zwei Begleitungslehrern und eben ich auch gleich meherere Menschen von verschiedenen Institutionen beteiligt waren.
Nach einer kurzen Vorstellungsrunde ging es los mit den Workshops. Es begann mit dem Zeitstrahl Workshop, in dem von 1933 bis 1945 die Geschichte von Theresienstadt, und was die Nazis daraus gemacht haben, dargestellt wurde.
Am Dienstagmorgen bekamen wir von den Freiwilligendiensten der Gedenkstätte eine sehr umfangreiche Führung durch Theresienstadt, von den Wallanlagen, die durch die Habsburger errichtet wurden, zum jüdischen Friedhof bis zum Krematorium. Dann ging es in Form von Workshops weiter, denn eigentlich waren Zeitzeugengespräche im Programm eingeplant. Das ging leider aufgrund eines jüdischen Feiertages nicht – ebenso wie die geplanten Besuche in Prag in den Synagogen am Donnerstag und des dortigen jüdischen Friedhofs. Insofern musste da improvisiert werden.
Der Besuch und die Führung durch die kleine Festung gehörte zu den gefühlsmäßig schwierigsten für mich auf dieser ganzen Reise, neben dem Krematorium – wo im Gegensatz zur Gedenkstätte Pirna Sonnenstein noch die originalen Öfen stehen, denn die kleine Festung ist zur Zeit der Nazi-Besatzung das Gestapo-Gefängnis gewesen. Wer einmal da gewesen ist, wird mit mir der Meinung sein, dass es aufgrund der Grausamkeiten, die dort gewesen sind, eigentlich ein KZ gewesen ist, was auch im Sinne der dortigen SS-Leitung so konzipiert gewesen ist. Besonders negativ bewegend ist hier gewesen, dass die Familien der SS-Offiziere dort mit gewohnt haben, und Freizeiteinrichtungen, wie ein Schwimmbad und ein Kino, hatten. In unmittelbarer Nachbarschaft waren die Häftlingsunterkünfte und wurde gemordet und getötet.
Am Freitag nach der Auswertungsrunde haben die SchülerInnen dann eine sehr, sehr bewegende Gedenkzeremonie gestaltet.
Leider ist der gesamte Gedenkort zumindest für Rollstuhlfahrer nicht oder nur sehr stark eingeschränkt barrierefrei. Es gibt zwar zum Beispiel Rampen zu den Behindertentoiletten in der „kleinen Festung“, diese nützen aber fast nichts, weil der Weg dahin mit Kies oder Schotter zugepflastert ist. Oder es gibt Orte, die für Rollstuhlfahrer unerreichbar sind, da diese nur über Treppen zu erreichen sind. Da ist auf tschechischer bzw. europäischer Ebene noch viel zu tun in Sachen Barrierefreiheit von Gedenkorten. Aber das nur nebenbei.
Für mich war es eine sehr, sehr bewegende und nachhaltig wirkende Reise. Ich habe daraufhin, bezugnehmend auf die aktuellen Wahlergebnisse vom Sonntag davor, in meinem Facebook-Post, die Frage gestellt, wie man in Kenntnis dieser Vorgänge in Deutschland die AfD wählen kann. Für mich ist das unvorstell- und unvereinbar.
Ich habe auch von allen anderen positive, wertschätzende Rückmeldungen über meine Teilnahme und Begleitung bekommen. Das bestärkt mich darin natürlich sehr. Und so wird es bei den Gesprächen mit der Ansprechpartnerin der Brücke-Most-Stiftung nicht um das Ob, sondern um das wie der weiteren Begleitungen dieser Fahrten gehen. Für mich ist aber im Rückblick auch die oft aus behindertenfeindlichen Kreisen geäußerte Meinung oder Befürchtung, dass wir eine solche Reise nicht emotional bewältigen können, einfach ebenso falsch wie ableistisch. Es ist sehr gut möglich, wenn wie hier hinreichend pädagogisches Begleitpersonal vorhanden ist, um darüber zu reden bzw. die Reise zu reflektieren.
Hier die Links zum Projekt der Brücke Most Stiftung, zum Parcours Bildung e. V. und zu den Freiwilligendiensten der Gedenkstätte:
http://bmst.eu/gedenkstetttenfahrten/index.htm