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Vom Zimmermann zum Zimmermädchen oder warum Ordnung wichtig ist.

Wolkenkratzer
mindestens 10 Stockwerke eines Hochhauses ragen in den Himmel. Man sieht die abgerundeten Balkone rund um das mehreckige Gebäude. Schwarz-weiß Aufnahme.
Foto: Ralph Milewski

Villmar - Weyer (Kobinet) In seiner neuen Kolumne geht Stephan Laux der Frage nach, ob die Berufsbezeichnung „Heilerziehungspfleger*in“ noch zeitgemäß ist und ob sich aus dieser Bezeichnung nicht längst überholtes pädagogisches Handeln ableitet. Was in den 1980er Jahren noch als die Ausbildung in der Behindertenhilfe galt, definiert sich heute, auch durch die UN Behindertenkonvention und das Bundesteilhabegesetz eigentlich vollkommen neu.

Als ich hauptberuflich, vom ehrbaren Handwerk des Zimmermanns, zur Heilerziehungspflege wechselte, fand ich mich unvermittelt in einer Situation wieder, in der ich beauftragt wurde, angeblich geistig beeinträchtigte, erwachsene Systemsprenger*innen, davon zu überzeugen, dass es ihrer Inklusion zuträglich sei, wenn sie ihr Zimmer aufräumen.

Dass dieser Auftrag aussichtslos war, wurde mir relativ schnell klar (In Wohnheimen der Behindertenhilfe wird er aber, noch heute gerne, als sogenanntes Förderziel hergenommen). Ich selbst bevorzuge eine gewisse Ordnung in meiner Umgebung (auch, wenn meine Frau das Gegenteil behaupten würde). Also beschloss ich, recht früh, diesen Auftrag „stellvertretend zu übernehmen“. Auch um des Teamfriedens willen, denn beim Großteil meiner Kolleg*innen, stand Ordnung halten auch ganz oben auf der pädagogischen Prioritätenliste. So kam ich mir, in meinem neuen, selbst gewählten, Beruf manchmal vor, wie das Zimmermädchen einer Pension. Vom Zimmermann zum Zimmermädchen! Nicht gerade ein Karrieresprung! Natürlich versah ich diese „stellvertretende Übernahme“ heimlich. Was die Sache nicht einfacher machte. Denn „stellvertretende Übernahme“ ist eine der größten Sünden in der Heilerziehungspflege! Sie ist unpädagogisch und wird vom Kostenträger nur minimal honoriert.

Wie auch Raul Krauthausen, habe ich meine Schwierigkeiten, mit dem Begriff „Heilerziehungspfleger“. Und auf garkeinen Fall möchte ich Raul Krauthausen heilerziehungspflegen. Körperbeeinträchtigte Leute zu heilerziehungspflegen ist unmöglich! Sie neigen dazu, zu argumentieren! „Heilerziehungspfleger“ klingt mir auch zu unspektakulär. Fast so wie „Zimmermädchen“.

Jetzt, wo ich im Ruhestand bin, fällt mir eine zufriedenstellendere Berufsbezeichnung ein: „Inklusator!“ Die gefällt mir. Hat mich Sascha Lang drauf gebracht. Hat etwas Martialisches. So ähnlich wie „Terminator“. Und es lässt sich ein klarer Auftrag davon ableiten: Sich mit den Systemsprenger*innen in den Sondereinrichtungen solidarisieren und selbst zum Systemsprenger werden. Die Bezeichnung „Inklusator*in“ dürfte auch Heinz Becker gefallen, der in seinem personenzentrierten Ansatz, von den künftigen Inklusator*innen, eine profunde Kenntnis des Sozialraumes, den der oder die Betroffenen umgibt, einfordert. Damit er und die anderen Systemsprenger*innen und Inklusator*innen dahin gehen, wo`s auch wehtun kann. Zum vermeintlich AfD nahen, örtlichen Schützenverein z.B. Zur Stadtverwaltung. Zum Bauamt. Zur Feuerwehr. Zum Landschafts-und Gartenbauverein. Um Teilhabe einzufordern und Schmerzen, auf beiden Seiten zu lindern. Eine weitere Qualifizierung wäre dann natürlich auch der „Mut“. Das könnte man dann in den ehemaligen Heilerziehungspflegeschulen (die dann Inklusator*innen Trainingscamps heißen sollten) als Hauptfach einführen. „Mut und Zivilcourrage“ anstatt „Basteln“!? Dozenten : Raul Krauthausen, Hans Willi Weis, Otmar – Miles Paul.

Und zum Ende dieser Kolumne noch ein paar kollegiale Tipps zum Thema „stellvertretende Ausführung“.

Liebe Inklusator*innen (ehemals Heilerziehungspfleger*innen).

Wenn Ihnen Ordnung wichtig ist, halten Sie sie. Versuchen Sie aber niemals andere Personen davon zu überzeugen (selbst Ihre pubertierenden Kinder und auf keinen Fall Ihre/n Partner*in).

Übernehmen Sie die Ordnung stellvertretend!

Das spart Ressourcen. Behalten Sie jedoch das Förderziel: „Ordnung im privaten Bereich“, in Ihrer Teilhabeplanung bei. Bestimmt ist den Sachbearbeiter*innen des Kostenträgers, Ordnung ebenfalls wichtig. Formulieren Sie, in der Teilhabeplanung, dass Sie dieses Ziel umfänglich vorbereitet und in Grob-, Zwischen-, und Feinziele aufgegliedert haben. Dass Sie es der Hauptperson wohlwollend und einfühlsam, didaktisch – methodisch, nähergebracht haben. Dass Sie immer wieder kleine Erfolge erzielt haben aber auch Rückschläge hinnehmen mussten. Und das Sie das Ziel deshalb für den kommenden Bewilligungszeitraum übernehmen. (Mit ein wenig „inklusatorischem“ Geschick, gelingt es Ihnen vielleicht, mit der Zeit, dass die Hauptperson Ihnen den Zutritt zu seinem privaten Bereich verweigert! Wählen Sie dann ein neues Ziel und nennen Sie es: „Selbstbestimmtes Verwahrlosen“).

Schreiben Sie nicht in die Teilhabeplanung, dass Berthold Brecht einmal gesagt hat: “Ziele sind etwas auf das man schießt!“

„Hasta la vista, Baby!“ (Arnold Schwarzenegger)

Stephan Laux, Februar 2024

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Heidi Eiselein
29.02.2024 20:21

Danke. Schöne Kolumne.
Für mich ist und bleibt Ordnung etwas selbst gewähltes. In meiner Pubertät immer Streitpunkt mit meiner „perfekten“ Mama … Das Ergebnis: Ich schaltete auf stur und das Chaos nahm seinen Lauf… Erst viele Jahre später – als die Forderungen nach Ordnung leiser wurden und ich mich zwar im Chaos zurechtfand, es aber selbst anstrengend fand, fand ich das richtige Maß für mich. Nicht 100% in keine Richtung und das ist gut so!
Jeder Mensch muss seine Erfahrungen selbst machen und seine Bedürfnisse dann selbst festlegen und umsetzen dürfen!

Silvia Hauser
22.02.2024 17:48

Prima, humorvoll und mit Biss auf die Schwachstellen im System aufmerksam gemacht. Arno Gruen,ein emmigrierter Psychotherapeut hat einige gute Bücher wie DER WAHNSINN DER NORMALITÄT geschrieben. (Sorry der Kommentar ist vorhin zu Ottmar geruscht….)