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Darmstadt (kobinet) Das hessische Landessozialgericht (LSG) hat in einem Urteil von Oktober 2023 festgestellt, dass ein per einfacher E-Mail eingelegter Widerspruch unwirksam ist. Auf diese Entscheidung macht Henry Spradau in einem Beitrag für die kobinet-nachrichten aufmerksam.
Bericht von Henry Spradau
Hessisches Landessozialgericht (LSG) zu Widerspruch per einfacher E-Mail
Das hessische Landessozialgericht (LSG) hat in einem Urteil von Oktober 2023 festgestellt, dass ein per einfacher E-Mail eingelegter Widerspruch unwirksam ist.
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Ein Fachjournalist für IT-Technik (schwerbehindert) legte gegen einen Sozialhilfebescheid per einfacher E-Mail Widerspruch ein. Die Sozialhilfebehörde teilte ihm unverzüglich mit, dass sie den Widerspruch als unzulässig zurückweise, da die qualifizierte elektronische Signatur fehle. Daraufhin übersandte er seinen Widerspruch fristgemäß per Fax.
Außerdem erhob er aber Klage gegen die Behörde mit dem Ziel, diese gerichtlich zu verpflichten, auch formgebundenen Schriftverkehr (insbesondere Erhebung von Widersprüchen) per einfacher E-Mail zuzulassen. Aufgrund seiner Schwerbehinderung sei er dringend darauf angewiesen, mit Behörden und Gerichten einfach und unkompliziert per E-Mail zu kommunizieren. Die Kosten für De-Mail und das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) seien nicht in der Regelbedarfsbemessung für die Sozialhilfe enthalten. Daher werde er als behinderter Mensch benachteiligt und sein Anspruch auf barrierefreie Kommunikation werde verletzt.
Das Sozialgericht und das LSG wiesen die Klage zurück, da die Erhebung eines Widerspruches gegen einen Verwaltungsakt gesetzlichen Formvorschriften unterliegt. Er kann schriftlich oder zur Niederschrift eingelegt werden. Für die elektronische Form ist eine qualifizierte elektronische Signatur bzw. die Versendung per De-Mail erforderlich. Eine einfache E-Mail ist nicht ausreichend. Das gesetzliche Formerfordernis verstößt nicht gegen das Benachteiligungsverbot.
Sinn der Regelung sei, dass klar erkennbar sein müsse, dass nur solche Schreiben als Widerspruch gewertet werden, die eindeutig und willentlich von dem Betreffenden in den Verkehr gebracht worden sind. Diese Voraussetzungen liegen bei einer einfachen E-Mail nicht vor.
Der Kläger werde auch nicht in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Der Schutz nach Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz wegen einer Benachteiligung aufgrund einer Behinderung könne zum Beispiel zutreffen, wenn Personen in ihren Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten durch die öffentliche Gewalt beeinträchtigt werden und keine hinlängliche Kompensation stattfinde. Davon sei jedoch nicht auszugehen, da der Kläger über ein Fax-Gerät verfüge, mit dem formgerecht Widerspruch und andere Rechtsmittel eingelegt werden könnten.
Im übrigen bleibe es dem Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit überlassen, den barrierefreien Zugang zu behördlichem und gerichtlichem Rechtsschutz näher auszugestalten. Eine Revision wurde nicht zugelassen.
Rechtsgrundlagen: § 9 SGB X, § 84 Sozialgerichtsgesetz, § 36a SGB
Urteil Hessisches LSG vom 18.10.2023 – L 4 SO 180/21