
Foto: Gabriele Scheibner
Hamburg (kobinet) "Das Absurde hat einen Superlativ: 'Werkstätten' und inklusiver Arbeitsmarkt", so lautet der Titel eines Vortrags von Ulrich F. Scheibner, ehemaliger Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft der "Werkstätten" für behinderte Menschen. Das ZeDiS - Zentrum für Disability Studies an der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit & Diakonie. Stiftung Das Rauhe Haus in Hamburg lädt für Dienstag, den 7. November 2023 von 18:30 - 20:00 Uhr im Rahmen seiner Ringveranstaltung mit dem Titel "Was meint 'Inklusiver Arbeitsmarkt'? Beiträge zur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der (Erwerbs-)Arbeitsgesellschaft" zu dieser Online-Veranstaltung ein.
„Das deutsche ‚Werkstätten‘-System ist ein absurdes System; absurd i.S. von widersinnig, widersprüchlich, anachronistisch. Bereits die gesetzliche Firmierung ‚Werkstatt für behinderte Menschen‘ ist Unsinn. Weder sind diese Konzerne mit ihren bis zu 2.000 Beschäftigten und ihren bis zu fünfzehn Zweigbetrieben Werkstätten im handwerksrechtlichen Sinne, noch sind sie es in der Realität: Sie repräsentieren kein handwerkliches Gewerk. Sie sind nicht durch einen handwerklichen Fertigungstypus charakterisiert. Ihr Ablaufprinzip ist nicht nach der typischen sog. Werkstättenfertigung organisiert. Das Absurde setzt sich bei der Präposition ‚für‘ fort, die i.d.R. den Zweck und Nutzen beschreibt. Sind ‚Werkstätten‘ etwas ‚für behinderte Menschen‘? Als Reparaturstätten ‚für‘ behinderte Menschen wären ‚Werkstätten‘ völlig absurd. Als Arbeitsstätten ‚zum Nutzen‘ behinderter Menschen sind ‚Werkstätten‘ u.a. deshalb absurd, weil sie diesem Bevölkerungsteil weder einen politischen noch rechtlichen oder wirtschaftlichen Nutzen bringen: Als ‚geistig behindert‘ geltende und nur ‚arbeitnehmerähnliche‘ Personen werden sie weder von der Politik noch von den ‚Werkstätten‘-Eignern als Gleichberechtigte wahr- und als Vertragspartner ernstgenommen“, heißt es in der Ankündigung des Online-Vortrags von Ulrich F. Scheibner.
Und weiter heißt es: „Obwohl wertschaffend und abhängig Arbeitende haben Sie als ‚Werkstatt‘-Angehörige keinen Anspruch auf alle Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerschutzrechte. Zwar sind Sie es, die vom Staat die finanziellen Mittel zur Finanzierung Ihres ‚Werkstatt‘-Aufenthalts beantragen müssen, aber Einfluß auf Art, Umfang und Qualität der ‚Werkstatt‘-Leistungen haben Sie nicht. Die Ihnen zustehenden Geldbeträge zahlt der Staat absurderweise direkt an die ‚Werkstätten‘-Betreiber. Und mit der sozialen Anerkennung, die ‚die Arbeit‘ angeblich befördert, ist es im ‚Werkstätten‘-System auch nicht weit her. Ebenso absurd ist es, die heutigen ‚Werkstätten‘ mit dem Ziel eines inklusiven Arbeitsmarktes zu verbinden: Die ‚Werkstätten‘-Eigner können es im Interesse ihrer Existenzsicherung gar nicht zulassen, dass große Teile der ‚Werkstatt‘-Beschäftigten ihre Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt anbieten. Andererseits haben Wirtschaft und Politik alle notwendigen Fakten geschaffen, damit erst gar keine Nachfrage nach Arbeitskräften aus den ‚Werkstätten‘ entsteht. Das Sonderweltsystem, seine politischen und rechtlichen Fundamente sind arbeitsmarktfeindlich, inklusionswidrig und deshalb menschenrechtsabträglich.“
Aber ist diese Anti-Kommodifizierung und damit die menschenrechtlich absurde Inklusionsfeindlichkeit des Systems nicht genau das, was unter „beschützenden Werkstätten“ zu verstehen ist? Ist die gewollte systembedingte Verweigerung des Zur-Ware-Werdens der Arbeitskraft der „Werkstatt“-Beschäftigten und die Verweigerung ihrer Marktfähigkeit nicht ein schutzgebender Vorteil gegen ihre Kommerzialisierung? Sind diese anti-inklusiven „Werkstätten“ nicht eben deshalb Schutzräume wie es der berühmte Dom für den Glöckner von Notre Dame sein sollte? Diesen und anderen Fragen geht Ulrich F. Scheibner in seinem Vortrag nach.
„Die Veranstaltung findet digital über das Meeting-Tool Zoom statt. Bitte melden Sie sich einmalig für Ihre Teilnahme an. Es empfiehlt sich, die Zoom-App auf Ihrem Endgerät zu installieren. Den Einladungslink mit der Meeting-ID erhalten Sie mit separater e-Post vor Veranstaltungsbeginn. Bitte überprüfen Sie ansonsten den Spam-Ordner. Die Veranstaltung wird von Dolmetscher*innen für Deutsche Gebärdensprache und Schriftsprache begleitet“, heißt es in der Ankündigung der Veranstaltung.
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Daran müssten alle politische Mandatsträger teilnehmen, damit ihnen dieses menschenrechtswidrige System vorgehalten wird …
Das ist der Politik schon lange bewusst. Nur Lösungen, die kommen von den Kritikern nicht, denn mit steigendem Entgelt oder Verbesserung eines inklusiven Arbeitsmarkts muss immer eine Refinanzierung stattfinden. Diese finanzieren am Ende die Endverbraucher, die schon jetzt wegen steigenden Preisen, zurückhalten. Nicht nur das, immer mehr Betriebe gehen bankrott und dann sitzen am Ende alle auf der Straße ….
Also: Was soll die Lösung unter Vermeidung von Preissteigerung und Arbeitslosigkeit sein?
Die Deutschen haben in einem jahrzehntelangen demokratischen Prozess dafür gestimmt (…und immer wieder bekräftigt!) ein starker Sozialstaat zu sein. Warum sollte das in dieser Situation anders sein und die hunderttausende, gar Millionen, armen, prekär beschäftigten Aufstocker, die behinderten Grundsicherungsempfänger, die mit Grundrente unterstützten Rentner, die mit Wohngeld unterstützten und wie auch immer benachteiligten Menschen nicht [weiterhin] solidarisch von der Gesellschaft und insbesondere von einigen wenigen hundert oder tausend grotesk reichen Deutschen unterstützt werden?
Ansätze gibt es zuhauf von der Finanztransaktionssteuer über die Reichensteuer, bis hin zu einer Reform der Erbschaftssteuer: Das heuchlerische Argument Friedrich Merz‘, dass „der arme Bäcker von nebenan seinen Familienbetrieb zumachen muss, wenn man an der Erbschaftssteuer etwas verändert“ ist wirklich an Abwegigkeit nichts mehr hinzuzufügen.
Die Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft formuliert es in der Präambel sehr treffend:
…die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen…
Ich bin so müde immer wieder mitansehen zu müssen, wie die „einfachen Leute“ in Deutschland immer wieder nach links und rechts schauen und der Bürgergeld-Bezieher dem Behinderten nichts gönnt und seinerseits vom getriebenen Mindestlohn-Paketboten beäugt wird, anstatt einmal nach oben zu schauen und Menschen mit einem perversen Reichtum in die Pflicht zu nehmen, die eben nicht Familienbetriebe mit Anlagegütern sind, sondern Multi-Milliardäre (oder Multimillionäre im höheren zwei-/dreistelligen Bereich), die unseren Staat und unsere Nation mit geringer Kraftanstrengung in ein vollkommen neues Zeitalter führen könnten.
Aber der deutsche Michel denkt eben nur von der Haustür bis zum eigenen Gartenzaun und Schuld sind immer die Ausländer/Linken/AfD/Sahra Wagenknecht/CIA/BionTech/schlechtes Wetter.
Ich habe nichts gegen Reichensteuer, obwohl die dazu führen wird, dass die Reichen aus Deutschland abwandern und dem Staat somit noch weniger Geld für Sozialausgaben bleiben werden. Übrigens: Was ist reich? Deutschland definiert „Reich“ bereits bei Einkommen im vierstelligen Bereich. Beispiel: Single gilt mit 3850 Euro im Monat als „reich“ doch real ist das eher wenig, wenn man bedenkt, wie die Lebenshaltungskosten gestiegen sind.
Was ist in Ihrer Definition Reich (Monatseinkommen)? Und wie würden Sie diese besteuern, ohne Abwanderung zu riskieren?
Bei der Erbschaftssteuer kann ich Ihnen ebenfalls nicht zustimmen. Aus der Praxis ist mir ein Fall bekannt, da ging es um den kleine Laden von nebenan, Beide Besitzer verstorben, Erbe der Sohn (Alleinerbe) Erbschaftssteuer, dafür hatte der Sohn kein Privatvermögen (davon muss diese bezahlt werden). Resultat: 8 Angestellte arbeitslos, Geschäft musste aufgegeben werden, da der Sohn das Erbe ablehnen musste.