Bonn (kobinet) Spielen für alle? Das gilt in Deutschland nur bedingt. Lediglich jeder fünfte Spielplatz ist zumindest teilweise barrierefrei oder verfügt über inklusive Spielgeräte, die das Recht auf Spiel und Teilhabe auch für Kinder mit Behinderung umsetzen. Im regionalen Vergleich zeigt sich, dass der größte Nachholbedarf dabei in Brandenburg sowie Schleswig-Holstein besteht. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Aktion Mensch zum Weltspieltag, der heute am 28. Mai begangen wird. Die Studie ist in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut für Inklusion durch Bewegung und Sport (FIBS) entstanden. "Schluss mit der Einfalt – es lebe die Vielfalt!" Das fordern auch der familienpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Matthias Seestern-Pauly, und der teilhabepolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Jens Beeck anlässlich des Weltspieltags.
Gesellschaftliche Ausgrenzung statt Inklusion von Anfang an
Fast 80 Prozent der Spielplätze in Deutschland weisen keine Merkmale auf, die ein gemeinsames Spielen von Kindern mit und ohne Behinderung erlauben. Besonders dramatisch äußert sich die Situation bei der Beschaffenheit der Böden. Gerade einmal ein Prozent der Spielplätze verfügt über befahrbare Zuwege, die zu allen Geräten führen und sogar weniger als ein Prozent über Leitsysteme oder andere taktile Hilfen. Statt barrierefreien Flächen aus stoßdämpfendem Gummi oder Korkmischungen weit verbreitet: Sand, Kies oder Hackschnitzel. Für Kinder mit einer Mobilitätseinschränkung oder Sehbehinderung scheitert das Spielen folglich spätestens am Erreichen der Spielgeräte. Sie tragen die unmittelbaren Konsequenzen, wie etwa der achtjährige Metin, der einen Rollstuhl nutzt: „Ich kann nicht zu Geburtstagen, wenn es auf den Spielplatz geht“, heißt es in der Presseinformation der Aktion Mensch.
Ein Blick über den Atlantik zeigt: Es geht auch anders
Mit den bestehenden DIN-Normen existieren hierzulande bereits Richtlinien, die den Bau von inklusiven und barrierefreien Spielplätzen unterstützen – ihre Anwendung ist jedoch freiwillig. „Ohne ein Gesetz zur verpflichtenden Umsetzung haben die derzeitigen Rahmenbedingungen keine Durchschlagkraft“, kommentiert Christina Marx, Sprecherin der Aktion Mensch die Situation. „Auch beim Spielplatzbau müssen Menschen mit Behinderung von den ersten Planungsschritten an mitgedacht werden, um einer Diskriminierung bereits im Kindesalter entgegenzuwirken.“ Als Vorbild können die USA dienen: Dort müssen qua Gesetz alle seit 2012 errichteten Spielplätze barrierefrei ausgestaltet sein. Neben dem Zugang umfasst dies auch die Gestaltung der Geräte, die etwa durch Rampen oder verschiedene Griffhöhen und -stärken Kinder mit und ohne Behinderung gleichermaßen adressieren.
Inklusive Spielplätze als #OrteFürAlle
Als Orte der Begegnung haben inklusive Spielplätze eine Strahlkraft weit über die Kinder hinaus – nicht nur sie und ihre Begleitpersonen profitieren von einem gleichberechtigten Miteinander, sondern letztlich die gesamte Gesellschaft. Gleichzeitig erhöhen sie, wie die Studie zeigt, die Qualität des Spiels sowie die Attraktivität des Standortes. Dort wo inklusive Spielplätze bereits existieren, werden sie gut angenommen. Ihr Angebot ist jedoch zu gering. Im Rahmen der Initiative „Stück zum Glück“ hat es sich die Aktion Mensch gemeinsam mit REWE und Procter & Gamble daher zum Ziel gemacht, inklusive Spielplätze zu errichten sowie bestehende Spielplätze umzugestalten. Seit 2018 sind so bereits über 40 Orte gelebter Vielfalt überall in Deutschland entstanden, viele weitere werden folgen.
Unter www.aktion-mensch.de/presse und www.aktion-mensch.de/spielplatzstudie gibt’s die vollständige Studie und Bildmaterial, zusätzliche Statements von Christina Marx sowie konkrete Handlungsempfehlungen.
„Freies Spielen ist eine Grundvoraussetzung für eine gesunde Entwicklung von Kindern. Auf diese Weise erlernen Kinder motorische und soziale Fähigkeiten“, erklärt Matthias Seestern-Pauly von der FDP. „Die Freiheit zu spielen gilt dabei für jedes Kind, denn jedes Kind will und soll mitspielen können. Dafür steht auch das Thema `Spiel und Inklusion des diesjährigen Aktionstages“, so Seestern-Pauly weiter. „Das Recht auf Ruhe und Freizeit, auf Spiel und altersgemäße aktive Erholung sowie auf freie Teilnahme am kulturellen und künstlerischen Leben ist allen Kindern in Artikel 31 der UN-Kinderrechtskonvention zugesichert. Möglichkeiten zur Teilhabe zu schaffen, sehe ich deshalb als unseren politischen Auftrag – es braucht deshalb zum Beispiel mehr barrierefreie Spielplätze“, ergänzt Jens Beeck.
Der Weltspieltag 2023 wird deutschlandweit zum 16. Mal ausgerichtet. Zum Weltspieltag sind Schulen und Kindergärten, öffentliche Einrichtungen, Vereine und Nachbarschaftsinitiativen aufgerufen, in ihrer Stadt oder Gemeinde eine beispielgebende oder öffentlichkeitswirksame Aktion durchzuführen – egal ob Spiel-, Beteiligungs- oder Protestaktion. Weitere Informationen finden sich unter www.weltspieltag.de.