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Politische Partizipation muss bei Triage-Regelung besser werden

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Foto: VbA

München (kobinet) Dass das Thema Triage nach wie vor wichtig und aktuell ist, das zeigte eine Veranstaltung des Münchner Vereins VbA - Selbstbestimmt Leben. Daniela Maier von der Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) des Vereins hat den kobinet-nachrichten folgenden Bericht über eine Diskussionsveranstaltung zur politischen Partizipation bei Triage Regelungen vom 21. April zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt.

Politische Partizipation muss besser werden bei Triage Regelung!

Triage-Tagung des VbA – Selbstbestimmt Leben zeigt Defizite der neuen Regelung auf

Bei der Triage-Tagung des Münchner Vereins VbA – Selbstbestimmt Leben stand die neue Triage-Regelung im Mittelpunkt. Kooperationspartner waren die Katholische Stiftungshochschule München, sowie die Professur für Spiritual Care und psychosomatische Gesundheit an der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Klinikums rechts der Isar München, einer Einrichtung der TU München. Medizinethische, rechtsethische sowie menschen- und völkerrechtliche Aspekte wurden in den Vorträgen beleuchtet. Die anschließende lebhafte Diskussion zeigte deutlich den Handlungsbedarf über das Thema der Triage hinaus.

„Der gleichberechtigte und diskriminierungsfreie Zugang zur gesundheitlichen Versorgung klappt nicht. Das zeigt auch die neue Triage-Regelung“, betonte Karin Steinberg (VbA Vorstand) in der Schlussdiskussion der Tagung. Kristina Biburger (VbA Vorstand) betonte: „In den Gremien, zum Beispiel im Gemeinsamen Bundesausschuss werden wir Menschen mit Behinderung nicht ausreichend und wirksam beteiligt. Das muss sich ändern.“ Stefan Sandor schloss sich seinen beiden Vorstandskolleginnen an: „Wir brauchen Bürger:innen-Anwaltschaften nach österreichischen Vorbild für einen wirksamen und schnellen Schutz vor Diskriminierung. Gerade im Gesundheitsbereich wäre dies dringend notwendig.“

Prof. Dr. Eckhard Frick SJ von der TU München zeigte das zentrale Spannungsfeld auf: Der Gegensatz zwischen dem Ziel, möglichst viele Menschenleben zu retten (Utilitarismus) und dem Prinzip, dass ein Leben nicht gegen ein anderes abgewogen darf (Egalitarismus). Die neue Regelung habe dieses Spannungsfeld nicht aufgelöst. Der Gesetzgeber habe die Lebenswertindifferenz als Konsequenz aus der Unantastbarkeit der Menschenwürde (Art. 1 Grundgesetz) nicht konsequent umgesetzt. Zwar dürfe die Behinderung bei der Triageentscheidung keine Rolle spielen, das Kriterium der aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit werfe aber Probleme auf. Es bleibt die Gefahr des Ableismus, auch als Folge unbewusster stereotyper Vorstellungen über Menschen mit Behinderung.

Dr. Bernhard Opolony, Abteilungsleiter Pflege am Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, ging unter anderem auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 16.12.2021 ein. Das höchste deutsche Gericht sah die Notwendigkeit, dass die Triage gesetzlich geregelt werden muss. Es gehe um einen Eingriff in das Lebensrecht. Er stellte die neue Regelung aus rechtlicher Sicht dar, darunter auch die Bedingungen der ärztlichen Entscheidung: dazu gehöre, dass ärztliche Entscheider:innen nicht unmittelbar an der Behandlung beteiligt sind und Fachexpertise beim Thema Behinderung/Komorbidität besitzen. Die Kritikpunkte am Gesetz wurden breit dargestellt. Auch Dr. Opolony betonte die Gefahr, dass stereotype Vorstellungen eine gerechte Entscheidung verhindern könnten.

Dr. Stephan Gerbig, Lehrbeauftragter an der Juristischen Fakultät der LMU München, betonte, dass der Gesetzgeber die Diskriminierungsgefahr lediglich reduzieren wollte. Eine diskriminierungsfreie Regelung zu schaffen, sei nicht das Ziel gewesen. Die Triage-Vorschrift schaffe eine mittelbar-faktische Diskriminierung von Menschen mit Behinderung. Kritisch sei der der Begriff der kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit. Insbesondere was unter „kurzfristig“ zu verstehen sei, wäre nicht klar. Als diskriminierungsfreie Alternative plädierte er für ein Losverfahren bzw. einen noch zu entwickelnden Nachteilsausgleich. Ein solches Losverfahren hatte auch Prof. Dr. Frick erwähnt, angelehnt an ein Zitat von Theresia Degener.

In der anschließenden Diskussion wurden die erwähnten Aspekte aufgegriffen und weiterentwickelt. Ein Nachteilsausgleich komme immer zu spät, die Diskriminierung sei doch schon geschehen, so eine Teilnehmerin. Man müsse früher ansetzen. In der Diskussion zeigte sich: Die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung im Gesundheitswesen hat viele Facetten. „Wir bleiben bei diesem Thema am Ball“, betonten zum Schluss Karin Steinberg, Kristina Biburger und Stefan Sandor als Vorstände des VbA Selbstbestimmt Leben.