
Foto: Jens Beeck
BERLIN (kobinet) Der Abgeordnete des Deutschen Bundestags Jens Beeck hat dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes, in dem die „Triage“ geregelt werden soll nicht zugestimmt.
In der Mitteilung an die Bundestagspräsidentin erklärt dieser Abgeordnete: „Ich teile die Sorgen der Menschen mit Behinderung und auch die Einschätzung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) in seinem Beschluss vom 16. Dezember 2021, 1 BvR 1541/20, dass eine Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen bei
eintretenden Ressourcenverknappungen im Bereich des Möglichen liegt.
Das Diskriminierungsrisiko resultiert laut BVerfG aus mangelndem Fachwissen, einer unzureichenden Sensibilisierung des medizinischen und pflegenden Gesundheitspersonals für behinderungsspezifische Besonderheiten und der Gefahr einer unbewussten Stereotypisierung von behinderten Menschen, die diese bei medizinischen Entscheidungen benachteiligen könne. Aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG resultiert ein Schutzauftrag des Gesetzgebers, Menschen vor einer Benachteiligung wegen einer Behinderung zu schützen. Dieser Schutzauftrag gilt, unabhängig von Bedingungen.
Das BVerfG bestimmt in seiner Entscheidung nicht, in welchem Gesetz die Triage geregelt werden muss. Das BVerfG äußert nur, dass bestehende Vorschriften zum Schutz vor Diskriminierung wegen einer Behinderung, beispielsweise in § 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), unzureichend seien. Daraus, dass das BVerfG prüft, ob diese Vorschriften geeignet sein könnten, folgt aber zugleich, dass eine Regelung im AGG wie auch in anderen Gesetzen grundsätzlich geeignet sein kann. Eine Regelung zur Triage hat somit nicht zwingend im Infektionsschutzgesetz (IfSG) zu erfolgen, sondern könnte und sollte allgemeingültig erfolgen.
Denn mit der Verortung im Infektionsschutzgesetz geht eine nicht begründete Einschränkung auf Ressourcenverknappung lediglich aufgrund übertragbarer Krankheiten einher. Eine grundsätzlich denkbare Triagierung und Diskriminierung aufgrund einer überregionalen Ressourcenverknappung (trotz Kleeblatt-Prinzip) bei intensiv-medizinischen Behandlungskapazitäten, zum Beispiel durch eine große Anzahl an Patienten aufgrund eines Verkehrsunfallgeschehens, etwa einem Zug- oder Flugzeugunglücks, oder einer Naturkatastrophe wird so nicht gesetzlich geregelt. Dies halte ich für unzureichend und nicht mit der auf Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 Grundgesetz gestützten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vereinbar.
Die im Gesetzentwurf vorgeschlagene Orientierung der Zuteilungsentscheidung aufgrund der „aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit“ teile ich. Es ist richtig, dass weitere sich nicht auf diese kurzfristige Überlebenswahrscheinlichkeit auswirkenden Kriterien nicht berücksichtigt werden dürfen.
Dennoch wird es auch zukünftig Engpass-Situationen geben, in denen Ärzte selbst bei Berücksichtigung dieser Vorgaben zeitgleich mehrere Patienten mit vergleichbaren Überlebenschancen haben, die versorgt werden müssen. Die Ärzteschaft muss hier entscheiden können ohne Sorgen vor Klagen zu haben.
Eine vielfach vorgeschlagene Randomisierung in diesen Situationen lehne ich ab.
Eine Verbesserung des Schutzes vor Diskriminierung ist auf diesem Wege nicht zu erreichen.
Es ist zudem von erheblichen Rechtsunsicherheiten und Klagen in der Folge auszugehen. Dies führt darüber hinaus in meinen Augen auch zwangsläufig zu ethisch-moralischen Dilemmata, wenn in einer Situation der Rechtsunsicherheit potentielle Entscheidungen über Leben und Tod getroffen werden müssen.