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Packender ZDF-Film

Familie und Demonstrierende
"Du sollst hören"
Foto: ZDF

Berlin (kobinet) Packende Unterhaltung im Dienste der Aufklärung – so der Deutsche Gehörlosenbund über den Film "Du sollst hören“, der gestern im ZDF ausgestrahlt wurde.

Der Film basiert auf wahren Begebenheiten: 2018 machte ein Gerichtsfall in Goslar Schlagzeilen, in dem es darum ging, ob es eine Kindeswohlgefährdung darstellt, wenn ein taubes Kind kein Cochlea Implantat eingesetzt bekommt.

Der ZDF-Film geht einen ungewöhnlichen, aber sehr begrüßenswerten Weg: Für den Dreh wurde der „Deaf Supervisor“ Tobias Lehmann engagiert. Als Deaf Supervisor wachte er darüber, dass der Film Inhalte und Details zur Gebärdensprache und Gehörlosenkultur richtig darstellte. Darüber hinaus wurden neben den Rollen der gehörlosen Eltern auch viele andere, auch Komparsenrollen, durch Betroffene besetzt. Mit Anne Zander und Benjamin Piwko kamen zwei gehörlose Profis zum Einsatz, die in ihren Rollen brillieren.

Der Film zeichnet ein beklemmendes Bild des Falls, der für Aufruhr sorgte, letztendlich aber eine erfreuliche Wendung nahm. Ein „Zwang zum Hören“ sei mit der UN-Behindertenrechtskonvention nicht vereinbar, urteilte das Amtsgericht Goslar. Auch gelingt es, die Perspektive von der Medizin ebenso auf die sprachlich-kulturelle Ebene zu lenken: “Sprich doch meine Sprache!” fordert eines der Kinder die Richterin auf, die über den Fall entscheidet.

Als unmittelbare Reaktion auf den „Fall Goslar“ hat der Gehörlosenbund am 28. November 2018 die Fachtagung „Cochlea Implantat – Realitäten ohne Zwang“ in Berlin durchgeführt. Die Broschüre stellt ein gutes Begleitmaterial zu dem heutigen Film dar.

Lesermeinungen

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4 Lesermeinungen
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Uwe N.
22.09.2022 09:55

Hallo zusammen.
Habe den Film geschaut und bin absolut Begeistert!! Was mich am meisten Beeindruckt hat, war die Vorgehensweise der Richterin. Selbst mal auszuprobieren, wie es sich anfühlt nichts zu hören, ist der beste Weg um so etwas beurteilen zu können!!

Um eine der Grundsatzfragen des Filmes aufzugreifen:
Wie wichtig ist das Hören, wenn man seit geburt6 an nichts hört/ Taub wird (durch unfall o.ä.)

Prinzipiell bin ich der festen Überzeugung: Wir können nur etwas vermissen, was wir einmal hatten. Wachsen wir demnach Taub auf und konnten niemals hören, ist DAS unsere Welt…… Andersrum ist es ja genauso. Wir können uns nicht vorstellen wie unsere Welt wäre, könnten wier nicht hören. Selbst durch ausprobieren können wir nur erahnen wie sich das anfühlt…….. Aber das auch nur, wenn wir Taub werden. Nicht aber wenn wir schon taub geboren werden.
Der kleine Mats hat es genau auf den Punkt gebracht: „Dann lern doch meine Sprache!“ auf die frage obe es nicht schöner wäre sich mit hörenden zu Unterhalten OHNE einen gebärdendolmetscher nutzen zu müssen!!
Die Gebäredensprache ist nun mal die Kommunikation der tauben menschen. ANERKANNT!!!!!

Reden wir alle also von Inklusion, die ja so wichtig ist (was sie ja auch ist) dann sollte es in unserem interesse sein, den Willen der menschen mit behinderung (welche auch immer das sein mag) zu AKZEPTIEREN und auch zu RESPEKTIEREN!! das ist meine ganz Persönliche Meinung, die ich auch jederzeit vertrete……entgegen aller Widerstände!! Und davon begegnen mir tatsächlich häufig viele!!

Von der Art Filme zu sehen, finde ich echt gut! Es sollte derlei Filme wesentlich öfter geben……… und sei es nur um aufzuzeigen, was in unserer gesellschaft wirklich schief läuft…. und das ist so einiges!!

Sabrina Mevis
20.09.2022 14:02

Mal eine unpopuläre Meinung: Ob das Kind die Entscheidung seiner Eltern genauso großartig findet wie seine Eltern und die CI-Gegner? Ich zumindest würde hören vorziehen. Ein CI kann man ein- und ausschalten, Gebärdensprache kann man aber nicht herbeizuabern. Eine abwägende Darstellung wäre angemessener gewesen. Ich staune immer über die Schwarz-Weiß-Debatten in der Gehörlosen-Community, z.B. über den Ausschluss von CI-Trägern durch einige Personen.

Alexander Drewes
Antwort auf  Sabrina Mevis
20.09.2022 22:49

Sehr geehrte Frau Mevis,

Sie rekurrieren in Ihrem Leserbrief darauf, dass man ja nicht wissen könne, ob ein Kind hinsichtlich des Lautspracherwerbs die gleiche Ansicht hege wie seine gehörlosen Eltern, die ausschließlich mittels Deutscher Gebärdensprache (DGS) kommunizieren.
Ich bin außerordentlich dankbar für meinen Spracherwerb; ich bin als hochgradig hör- und sehbeeinträchtigtes Kind auf die Welt gekommen. Mein Hör- und Sehvermögen hat über die Jahre hinweg immer mehr abgenommen, mittlerweile bin ich taubblind.
Mir wäre es trotz meiner zunehmenden Ertaubung niemals in den Sinn gekommen, mir eine Einfach- oder Doppelversorgung eines CI implantieren zu lassen. Die Entscheidung, sich mit einem hochspezifischen und technisch komplexen Gerät im Kopf behelfen zu wollen, muss jeder Gehörlose und Ertaubte für sich selbst treffen.
Allerding geht Ihr Ansatz völlig am Thema vorbei: Sie konstruieren, dass die Bedürfnisse des Kindes hinter denen seiner Eltern hintan gestellt würden.
Die vorliegende Fallgestaltung zeigt jedoch, dass dem durchaus nicht so ist. Das Familiengericht entscheidet in solchen Fällen ja _gerade_ im Hinblick auf die Bedürfnisse des Kindes und nicht hinsichtlich derjenigen der Eltern, so ist zumindest das deutsche Familienrecht angelegt.
Und wir sollten nicht so tun, als handele es sich bei der DGS nicht um eine eigenständige Kultur. Sie würden ja auch einem Maori nicht dessen Kulturfähigkeit absprechen wollen, nur weil Sie sich vermutlich mit dessen Kommunikationsgewohnheiten Ihr Leben lang nicht befasst haben würden.
Es war für die Gehörlosengemeinde ein langer, steiniger und außerordentlich beschwerlicher Weg, die DGS als eigene Sprache in Deutschland durchzusetzen.
Lautspracherwerb wird für viele gehörlose Menschen als eine Zumutung empfunden, weil man sie damit in ein kulturelles Korsett zwängt, dem sie sich einfach nicht zugehörig fühlen. Deshalb geht man selbst an Förderschulen mit dem Schwerpunkt Hören – zum Glück – zunehmend dazu über, den Unterricht in DGS auszugestalten.
Zudem insinuiert Ihr Beitrag, dass Gehörlosigkeit an und für sich ein Stigma anhaftet. Das mag nach wie vor so sein, Diskriminierung erleben gehörlose Menschen nach wie vor eher als Alltagssituation denn als Ausnahme. Ein Beitrag wie der Ihre zielt ersichtlich darauf ab, diese stigmatisierende Situation zu verfestigen, anstatt – auch für gehörlose Menschen gilt: nicht über uns, nicht ohne uns – dieselbe aufzubrechen.
Um es prosaisch schreiben: Gehörlose Menschen kommunizieren ja nicht deshalb in DGS, weil es für den „Rest“ der Hörenden sonderlich einfach sein soll, sondern sie leben damit ihre Kultur aus. Ihr Beitrag lässt zumindest die Vermutung nicht völlig abhold erscheinen, dass Sie gehörlosen Menschen den eigenständigen Kulturansatz abzusprechen willens sind.

Mit freundlichem Gruß

Alexander Drewes, LL.M.

Marion
Antwort auf  Sabrina Mevis
26.09.2022 12:03

So ganz, Frau Mevis, kann ich ihre Ansicht nicht teilen, denn ob ein Implantat zum Einsatz kommt, oder eben nicht, ist eine schwere Entscheidung be der Eltern viele Risiken abwägen müssen. Schließlich wird bei einem gesunden Menschen, der Schädel geöffnet. Nur weil jemand ein CI bekommen hat, heißt das nicht automatisch, dass dieser Mensch die Sprache der Mitmenschen kann, denn auch hier ist ein langer Lernprozess notwendig, damit CI auch wirklich unterstützend zum Erfolg führt. Zumal, wenn man den Film gesehen hat zu beachten ist, dass die Eltern hier nicht wirklich unterstützen können.

Mit oder ohne Implantat: Sprache muss man immer lernen, egal ob Laut-Sprache oder Gebärdensprache. Die Abwägung ob mit CI oder ohne, ist und bleibt Abwägung des Risikos oder Mehrgewinn. Teilhabe und Inklusion sind keine Frage eines Implantates, sondern eine gesellschaftliche Aufgabe und dazu gehört auch die Gebärdensprache.