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Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen zu Operation wegen geringer Körpergröße

Goldene Statue Justitia mit Schwert und Waage
Justitia
Foto: Sang Hyun Cho auf Pixabay

Greifswald (kobinet) Henry Spradau berichtet für die kobinet-nachrichten über eine Entscheidung des Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen zu Operation wegen geringer Körpergröße. Das LSG hat in einem Urteil von Juli 2022 festgestellt, dass eine geringe Körpergröße keine Krankheit im Sinne des Sozialgesetzbuch V (SGB V) ist.

Bericht von Henry Spradau

Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen zu Operation wegen Kleinwuchs

Das LSG hat in einem Urteil von Juli 2022 festgestellt, dass eine geringe Körpergröße keine Krankheit im Sinne des Sozialgesetzbuch V (SGB V) ist. Der Angelegenheit lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Eine junge Frau aus Bremen, die nach Abschluss des Wachstums eine Körpergröße von knapp 1,50 m erreicht hatte, beantragte bei ihrer Krankenkasse die Übernahme der Kosten für eine Operation, um ihre Beine zu verlängern. Ober- bzw. Unterschenkelknochen sollten durchtrennt und mit einem implantierten System Knochen und Gewebe auf eine Körpergröße von ca 1,60 bis 1,65 m gedehnt werden. Unter ihrer jetzigen Größe leide sie psychisch; diese Auswirkungen in Form von depressiven Phasen hätten Krankheitswert. Sie werde von ihrer Umwelt nicht als vollwertig wahrgenommen. In ihrer Berufswahl sei sie eingeschränkt. Im Alltag werde sie durch die baulich-architektonische Gegebenheiten behindert.

Die Krankenkasse lehnte den Antrag ab, da eine geringe Körpergröße nicht als eine Krankheit zu bewerten sei, die einen medizinisch notwendigen Leistungsanspruch auslöse.

Als Krankheit im Rechtssinne komme nicht jede körperliche Unregelmäßigkeit in Betracht. Vielmehr müssten die Körperfunktionen beeinträchtigt sein oder eine Abweichung vom Regelfall vorliegen, die entstellend wirke und an der die Versicherte leide. Eine solche Entstellung müsse objektiv eine erhebliche Auffälligkeit aufweisen, die Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier, Betroffenheit oder ständiges Auf-sich-ziehen vieler Blicke verursache. Als Folge werde sich aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückgezogen und Vereinsamung und die Gefährdung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft drohe. Eine derart beachtliche Erheblichkeitsschwelle sei hier jedoch nicht überschritten.

Dies gelte umsomehr als die Rechtsordnung im Interesse der umfassenden Eingliederung und gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderung von der Gesellschaft fordere, dass nichtbehinderte Menschen ihre Wahrnehmung von Behinderung korrigieren müssen. Den Problemen im Alltag könne zum Beispiel durch eine angepasste Wohnungsausstattung, technische Hilfsmittel, bauliche Maßnahmen u.ä. begegnet werden.

Auch nach den für die Feststellung einer (Schwer)Behinderung maßgeblichen „Versorgungsmedizinischen Grundsätzen“ wird bei Kleinwuchs erst ab einer Körpergröße nach Abschluss des Wachstums von weniger als 1,41 m ein Grad der Behinderung angenommen, eine Schwerbehinderteneigenschaft erst bei einer Körpergröße von weniger als 1,31 m.

Das LSG hat die vorangegangenen Entscheidungen bestätigt. Eine Revision wurde nicht zugelassen.

Urteil LSG Niedersachsen-Bremen vom 5.7.2022 – L 16 KR 183/21

Vorinstanz Gerichtsbescheid Sozialgericht Bremen vom 19.3.2021 – S 62 KR 99/18