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Rahmenverträge zur Eingliederungshilfe für Niedersachsen unterzeichnet

Wappen Bundesland Niedersachsen
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Foto: Gemeinfrei, public domain

Hannover (kobinet) Die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) in Niedersachsen ist einen wichtigen Schritt vorangekommen. Die Vertragsparteien haben unter Mitwirkung der Interessenvertreter*innen der Menschen mit Behinderungen Rahmenverträge zur Eingliederungshilfe unterzeichnet. Durch die Rahmenverträge, die rückwirkend zum 01.01.2022 in Kraft treten, werden nicht nur bereits bestehende Regelungen in das neue System überführt, ein zentraler Bestandteil ist die Verpflichtung zur Erarbeitung von Gewaltschutzkonzepten und anderer Maßnahmen zum Schutz von Menschen mit Behinderungen.

Die Niedersächsische Sozialministerin begrüßt vor allem den bereits begonnenen Aufbau eines „Bürgerportals“, durch das sich Interessierte rasch und einfach über Leistungsangebote der Eingliederungshilfe in Niedersachsen informieren könnten. Die Unterzeichner*innen haben sich zudem darauf verständigt, innerhalb des Befristungszeitraums von drei Jahren über weitere wichtige Schritte zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes zu verhandeln. Eine Arbeitsstruktur und ein Zeitplan wurden bereits beschlossen.

Im Rahmenvertrag für Kinder und Jugendliche konnte mit der Aufnahme einer einheitlichen Regelleistungsvereinbarung für die „Leistungen zur Schulassistenz für Kinder und Jugendliche im Rahmen der Schulbildung nach SGB IX“ ein großer Erfolg für einheitliche Leistungsstandards in Niedersachsen verzeichnet werden, heißt es in der Presseinformation des niedersächsischen Sozialministeriums.

Auch für das ambulant betreute Wohnen haben Vertreter*innen der Vertragsparteien und die Interessenvertreter*innen der Menschen mit Behinderungen während der zweijährigen Verhandlungsphase eine landeseinheitliche Regelleistungsvereinbarung und landesweite Qualitätsstandards vorbereitet. Diese stellen einen weiteren wichtigen Baustein zur Vereinheitlichung der Leistungsangebote in Niedersachsen dar. Die Landesregierung hofft auf eine schnelle Beschlussfassung durch das Vertragsgremium.

Statements der Unterzeichnerinnen und Unterzeichner:

Die niedersachsens Sozialministerin Daniela Behrens erklärte: „Die jetzt unterzeichneten Rahmenverträge sind ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Umsetzung des BTHG und zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen. Ich danke der Freien Wohlfahrtspflege, den privat-gewerblichen Leistungsanbietern, den Kommunalen Spitzenverbänden und nicht zuletzt den Menschen mit Behinderungen für die intensiven und trotz der unterschiedlichen Interessen vertrauensvollen und konstruktiven Verhandlungen.“

Marco Brunotte, Vorsitzender der LAG Freie Wohlfahrtspflege betonte: „Mit den Rahmenverträgen sind wichtige Schritte erfolgt, damit die Inklusion in Niedersachsen auch tatsächlich belebt wird. Eine dauerhafte und nachhaltige Inklusion kann aber nur gelingen, wenn dies der Normalzustand in unserer Gesellschaft wird. Wir müssen gemeinsam weiter daran arbeiten, mehr Teilhabe für die Menschen mit Behinderungen zu fördern. Davon sind wir noch weit entfernt und werden dies nur erreichen, wenn deutlich mehr investiert wird. Wir sind daher gespannt, welchen Stellenwert das Thema Inklusion in den Parteiprogrammen zur Landtagswahl haben wird.“

Dr. Marco Trips, Präsident des niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes für die kommunalen Spitzenverbände sagte: „Die neuen Landesrahmenverträge schaffen die Rechtssicherheit für die künftige Leistungsgewährung im Bereich der Eingliederungshilfe nach SGB IX in Niedersachsen. Die Landkreise, kreisfreien Städte und die Region Hannover sind überzeugt, dass mit dem kommunalen Rahmenvertrag die Lebenssituation der Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen weiter verbessert wird und die Leistungen künftig noch stärker inklusiv ausgerichtet werden können.“

Petra Schülke, Landesvorsitzende des Verbandes deutscher Alten- und Behindertenhilfe e.V. (VDAB) teilte mit: „Mit diesen neuen Vereinbarungen ist ein wichtiger Grundstein gelegt, um das Leistungsangebot im Rahmen der Eingliederungshilfe auf eine bessere Basis zu stellen. Nun liegt es an den Vertragspartnern, in der Gemeinsamen Kommission die Leistungen kontinuierlich so weiter zu entwickeln, dass die Ziele des Bundesteilhabegesetzes durch die Angebote der Einrichtungen umgesetzt werden können und dadurch für die Menschen mit Behinderungen erfahrbar werden.“

Monika Nölting betonte stellvertretend für die Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen: „Wir begrüßen den Abschluss des Landesrahmenvertrages, weil damit der rechtliche Rahmen für die Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe und für die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in Niedersachsen gesetzt wird. Allerdings bedauern wir, dass sich für Menschen mit Behinderungen erst einmal noch nicht viel ändert. Dies gilt im besonderen Maße für die besonderen Wohnformen, in denen sich zunächst gar nichts ändert. Für die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes wäre es ein gutes Signal gewesen, wenn in den besonderen Wohnformen Zusatzleistungen zur sozialen Teilhabe hätten vereinbart werden können.“

Zum Hintergrund:

Das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) vom 23. Dezember 2016 tritt in vier Stufen in Kraft.

Mit der 3. Reformstufe des Bundesteilhabegesetzes, die zum 1. Januar 2020 in Kraft trat, wurde das Herzstück des Reformprozesses umgesetzt. Hierbei wurde die Eingliederungshilfe aus dem bisherigen System der Sozialhilfe herausgelöst und in das Recht der Rehabilitation überführt.

Der durch das BTHG vorgegebene Systemwechsel von einer „einrichtungsbezogenen“ zu einer „personenzentrierten Sichtweise“ wurde hierdurch entscheidend vorangebracht und bewirkte tiefgreifende Veränderungen im Vergütungssystem der Eingliederungshilfe.

Nach dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) sind Rahmenverträge für die Inhalte der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen und deren Vergütung zwischen der Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege, den privat-gewerblichen Leistungsanbietern, den Kommunalen Spitzenverbänden und dem Land unter Mitwirkung der Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter der Menschen mit Behinderungen zu vereinbaren (§ 131 SGB IX).

Wie in vielen anderen Bundesländern auch bestand Einigkeit zwischen den Vertragspartnern, in Anbetracht der Komplexität der Materie zunächst zwei Übergangsvereinbarungen – für Kinder und Jugendliche und für die Erwachsenen – zu schließen.

Die Vertragsparteien hatten sich verpflichtet, unverzüglich in Verhandlungen zum Abschluss von Rahmenverträgen für die Eingliederungshilfe einzutreten, die nun nach zwei Jahren unterzeichnet werden konnten. Die Verhandlungen zur Weiterentwicklung der Leistungen der Eingliederungshilfe werden nahtlos fortgesetzt.

Wie auch schon bei den Vorgänger-Rahmenverträgen bildet die sogenannte Gemeinsame Kommission (GK) das zentrale Vertragsgremium zur Umsetzung und die Weiterentwicklung des Rahmenvertrages, in der alle Vertragsparteien sowie die Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter für Menschen mit Behinderungen vertreten sind. Die GK wird sowohl für die Eingliederungshilfe für Erwachsene als auch für Kinder und Jugendliche zuständig sein.