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Mit Volldampf in die Triage?

Porträt von Ottmar Miles-Paul
Ottmar Miles-Paul
Foto: Susanne Göbel

Kassel (kobinet) Ein trauriger Tagesrekord bei den Neuinfektionen jagt derzeit den nächsten, die Zahl der intensivmedizinisch Behandelten steigt täglich, "verschiebbare" Operationen werden zum Teil schon von einzelnen Kliniken derzeit nicht mehr durchgeführt und die Verlegungen von Corona-Patient*innen in andere, zum Teil weit entfernte Kliniken ist auch schon aufgrund der vollen Kliniken im Gange. In dieser Situation taucht die Diskussion um die Triage auch wieder an verschiedenen Ecken auf. Oder sind wir gar schon mittendrin in der Triage? Diese Frage beschäftigt in der vierten Welle der Corona-Pandemie nicht nur viele behinderte und ältere Menschen, sondern auch kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul.

Kommentar von kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul

Auch wenn sich die einen oder anderen wegen des Impfschutzes noch in einer vermeintlichen Sicherheit wähnen, erschrecken die aktuellen Zahlen und Fakten, die täglich gemeldet und diskutiert werden. Die Inzidenz der Neuinfektionen innerhalb der letzten 7-Tage hat bundesweit mittlerweile den Wert von 303 erreicht. Der Gesundheitsexperte der SPD, Karl Lauterbach, prognostiziert einen flächendeckenden Klinikkollaps angesichts der derzeitigen Zahlen für Anfang Dezember. In Österreich hat mittlerweile sogar ein Lockdown von Ungeimpften begonnen und erneute nächtliche Ausgangssperren werden dort ernsthaft erwogen. Allein in der letzten Woche sind nach ntv-Angaben 1.152 coronabedingte Todesfälle hinzugekommen, so dass bald die Marke von 100.000 Corona-Toten in Deutschland überschritten werden dürfte. Und die 5-Millionen-Schwelle derjenigen, die sich seit Beginn der Pandemie in Deutschland mit dem Corona-Virus infiziert haben, ist mittlerweile überschritten. Laut DIVI-Intensivregister werden in Deutschland derzeit 3.034 Covid-19-Patienten intensivmedizinisch behandelt, 1.557 davon werden invasiv beatmet. Diese Zahl ist in den letzten Tagen auch massiv angestiegen.

Dieser kleine Auszug aus den aktuellen Nachrichten des Coronavirus-Livetickers von ntv zeigt, wie dramatisch die Lage mittlerweile in Deutschland ist. Da ist auch der Ruf nach einer Diskussion über die Triage nicht mehr fern. Denn bereits jetzt dürften die einen oder anderen Ärzt*innen mit der Überlegung geplagt sein, wen man bei einer solchen Situation aus Alten- und Behinderteneinrichtungen bei Infektionen mit dem Corona-Virus noch in die Kliniken überweist und wen nicht. Denn in Einrichtungen für ältere und behinderte Menschen häufen sich wieder trotz Impfungen zunehmende Infektionen mit dem Coronavirus.

Daher ist nun nicht nur die Politik gefordet, einen guten Weg zwischen dem Erhalt der individuellen Freiheit und Maßnahmen zu treffen, die das Infektionsgeschehen schnell eindämmen. Vor allem ist dabei überfällig, dass sich der Deutsche Bundestag mit den Regelungen zur Triage beschäftigen, also darüber, wer bei Ressourcenknappheit zuerst behandelt wird und wer nicht. Denn eine solche Entscheidung darf nicht den Ärzt*innen überlassen oder gar aufgebürdet werden. Und behinderte und ältere Menschen dürfen dabei nicht aufgrund ihrer Behinderungen bzw. Alters diskriminiert werden.

Da der Deutsche Bundestag zum Thema „Priorisierungs-Entscheidungen“ schweigt, haben die LIGA Selbstvertretung (DPO Deutschland), die Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP) sowie das Forum behinderter Juristinnen und Juristen (FbJJ) schon am 5. Mai 2020 einen digitalen Runden Tisch „Triage“ als (zeitlich begrenzte) Online-Diskussion ins Leben gerufen. Es ist also längst überfällig, dass sich der Bundestag intensiv mit diesem Thema beschäftigt und klare Regelungen vorgibt.

Link zu weiteren Infos zum Runden Tisch Triage