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Neue Bundesregierung muss bei Assistenz im Krankenhaus nachbessern

Marcel Renz mit E-Rolli und Beatmungsmaske
Marcel Renz mit E-Rolli und Beatmungsmaske
Foto: privat

Edingen-Neckarhausen (kobinet) Der Journalist und Blogger Marcel Renz lebt aufgrund einer Muskelerkrankung mit Dauerbeatmung. Dank 24-Stunden-Assistenz ist es ihm möglich, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Wenn er jedoch ins Krankenhaus kommt, ergeben sich für ihn trotz der vollzogenen Gesetzesänderung dazu, immer noch massive und lebensgefährdende Probleme, wie er im Interview mit kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul schildert. Von der neuen Bundesregierung erwartet er, dass sie sich der Kritik an der neuen Gesetzgebung stellt und möglichst schnell nachbessert.

kobinet-nachrichten: Sie sind Mitorganisator einer Online-Veranstaltung zur Assistenz im Krankenhaus im Rahmen des MAIK (Münchner Intensivpflege Kongress) am 27. Oktober von 17:00 bis 19:00 Uhr. Warum hat das Thema Assistenz im Krankenhaus für Sie persönlich eine wichtige Bedeutung?

Marcel Renz: Aufgrund einer Muskelerkrankung lebe ich mit Dauerbeatmung. Dank 24-Stunden-Assistenz ist es mir möglich, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Meine Assistenz kennt mich sehr gut und weiß auf den Millimeter genau, worauf es beispielsweise ankommt, mich in den Rollstuhl zu setzen oder bei der Pflege, mich zum Beispiel richtig auf dem Toilettenstuhl zu positionieren, ankommt. Da ich die Assistenz über einen Pflegedienst beziehe, ist die Weiterbezahlung im Krankenhaus nicht ohne weiteres gewährleistet. Deshalb hat mein Pflegedienst einen Spendenfonds eingeführt, mit dem wenigstens ein Teil der Kosten refinanziert wird.

Ich fand es schon immer ungerecht und unplausibel, dass die Assistenz bezahlt wird, wenn man selbst Arbeitgeber ist, aber nicht, wenn es über einen Pflegedienst läuft. Als ich vor zwei Jahren schwer an einer Lungenentzündung erkrankt bin, habe ich die Problematik hautnah zu spüren bekommen. Da ich um die Problematik der Finanzierung wusste, habe ich den Krankenhausaufenthalt mit allen Mitteln hinausgezögert und dies deshalb fast mit dem Leben bezahlt. Durch die Unterstützung meiner Familie und der Kulanz meines Pflegedienstes konnten wir mit der Krankenkasse einen Kompromiss per Einzelfallentscheidung erzielen, sodass zumindest ein Teil von der Krankenkasse bezahlt wurde. Die Verhandlung mit der Krankenkasse hat meine Familie zusätzlich zu meiner kritischen Situation viel Nerven gekostet und waren eine große Belastung.

kobinet-nachrichten: Ging es nur Ihnen im Krankenhaus so oder beobachten Sie das auch bei anderen behinderten Menschen?

Marcel Renz: Ich habe das auch schon bei vielen anderen Menschen mit Behinderung beobachtet. Ich habe schon Menschen in der gleichen Krisensituation kennengelernt, die im Vergleich zu mir leider nicht so viel oder gar keine Unterstützung aus ihrem Umfeld bekommen haben. Dann ist es ganz schwierig, die Assistenz im Krankenhaus durchzusetzen.

kobinet-nachrichten: Mittlerweile hat der Gesetzgeber ja einiges in Sachen Assistenz im Krankenhaus geändert. Reicht das oder gibt es da aus Ihrer Sicht noch Lücken?

Marcel Renz: Das ist zwar nicht schlecht, kann aber nur ein Anfang sein. Krankengeld für Angehörige, die so ohne finanzielle Sorgen mit ins Krankenhaus begleiten können, ist ein guter Schritt. Aber die zu erfüllenden Bedingungen – vor allem die Finanzierung von eigenen Assistenzkräften im Krankenhaus – sind viel zu hoch. Alle Menschen mit Behinderung, die sehr stark auf Assistenz angewiesen sind, müssen bedingungslos miteinbezogen werden. Dazu gehören für mich voa allem auch Menschen, die mit ambulanter Intensivpflege leben. Das ist vom Krankenhauspersonal einfach nicht zu stemmen.

kobinet-nachrichten: Was erhoffen Sie sich von der Veranstaltung und von der neuen Bundesregierung?

Marcel Renz: Ich hoffe auf weitere Sensibilisierung seitens der Politik und dass diese für eine kleine und schwache Bevölkerungsgruppe große Problematik weiter klar benannt und in die Öffentlichkeit getragen wird. Von der neuen Bundesregierung erwarte ich, dass sie sich der Kritik an der neuen Gesetzgebung stellt und möglichst schnell nachbessert. Ein langwieriger Evaluationsprozess ist aus meiner Sicht unnötig, weil die Probleme klar sind.

kobinet-nachrichten: Vielen Dank für das Interview.

Marcel Renz ist als Journalist, Blogger und Referent aktiv und setzt sich schon seit Jahren mit seinem Inklusionsblog https://marcel-gibtgas.de/ für die Verständigung von Menschen mit und ohne Behinderung ein.

Die Zugangsdaten zum kostenlosen Zoom-Meeting zur Assistenz im Krankenhaus am 27. Oktober von 17:00 bis 19:00 Uhr gibt’s unter https://www.maik-online.org/onlinetalks.html.