
Foto: ad Berlin
Berlin (kobinet) Am 8. Mai 1981, also vor 40 Jahren, wurde ambulante dienste e. V. in Berlin gegründet. Die Wahl dieses Datums war kein Zufall: Der 8. Mai ist der Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs und somit der Tag der Befreiung. 1981 gab es für behinderte Menschen mit hohem Assistenzbedarf nur zwei Alternativen: entweder innerhalb der Familie versorgt zu werden oder im Heim zu leben. Ein selbstbestimmtes Leben war nicht möglich. Die Gründung von ambulante dienste e. V. war eine Befreiung aus den Zwängen ihres bisherigen Lebens, heißt es in einem Bericht von Uschi Aurien und Martin Seidler zum Jubiläum von ambulante dienste in Berlin. Heute ist ambulante dienste mit über 100 Kund*innen und rund 650 Mitarbeiter*innen einer der größten Assistenzdienste in Deutschland.
Sondersituation im damaligen West-Berlin
In West-Deutschland entstanden damals zu dieser Zeit die ISB-Dienste (Individuelle Schwerstbehinderten-Betreuung), bei denen fast ausschließlich Zivildienstleistende für ihren geringen Sold mehr oder weniger freiwillig die Arbeit machten, die heute als persönliche Assistenz bezeichnet wird. In Berlin aber gab es keine Wehrpflicht und somit auch keine „Zivis“. Die Arbeit bei ambulante dienste e. V. galt als guter Job neben dem Studium.
Gravierende Einschnitte
Das Konzept der Persönlichen Assistenz drohte zu scheitern, als im Jahre 1995 die Pflegeversicherung eingeführt wurde: Mit dem Modulsystem, bei dem die verschiedenen (pflegerischen) Verrichtungen einzeln vergütet wurden, war eine ganzheitliche Unterstützung in allen Lebensbereichen nicht mehr möglich. Glücklicherweise konnte ein Leistungskomplex 32 „Persönliche Assistenz“ durchgesetzt werden, mit dem weiterhin eine stundenweise Vergütung möglich war. Mit der Einführung der Pflegeversicherung einher ging eine Professionalisierung: Um einen Versorgungsvertrag mit der Pflegekasse zu erhalten, war qua Gesetz der Aufbau eines Teams mit Pflegefachkräften inklusive einer Pflegedienstleitung notwendig.
Einen weiteren gravierenden Einschnitt gab es, als kurze Zeit später klar wurde, dass die Arbeit in der persönlichen Assistenz vom Finanzamt und von der AOK als sozialversicherungspflichtige Tätigkeit angesehen wurde. ambulante dienste e. V. sollte enorme Beiträge nachzahlen. Die „Helfer“ (so wurden die Assistent*innen damals noch genannt) durften nun nicht mehr auf Honorarbasis arbeiten.
Dauerthema Assistenz im Krankenhaus
Ein Dauer-Problem, das sich durch die Geschichte von ambulante dienste e. V. hindurch zog, war die Weigerung des Sozialhilfeträgers, die geleistete Assistenz im Krankenhaus zu finanzieren. Gerade sie ist aber u. a. aufgrund der sich zuspitzenden Personalsituation in den Krankenhäusern für viele im wahrsten Sinne des Wortes (über-)lebens-notwendig. Diese Weigerung war unverständlich, weil diese Leistung nur die Weiterführung der alltäglich notwendigen Unterstützung an einem anderen Ort bedeutet und keine Mehrkosten verursacht.
Seit In-Kraft-Treten der 3. Stufe des Bundesteilhabegesetzes im Jahre 2020 ist nun Persönliche Assistenz (so wie sie im ehemaligen Leistungskomplex 32 definiert ist) in Berlin als Eingliederungshilfeleistung verankert, die ortsunabhängig gewährt wird – also auch im Krankenhaus.
Leistungsgerechte Entlohnung von Assistenz
Lange war die Arbeit in der Persönlichen Assistenz ein relativ gering bezahlter Job. Eine bessere Entlohnung gelang nur häppchenweise. 2020 konnte erstmalig im Bereich der persönlichen Assistenz ein Haustarifvertrag mit einer leistungsgerechten Vergütung abgeschlossen werden.
Statt großer Jubiläumsfeier: Virtuelle Ausstellung
Da auf Grund der Corona-Pandemie leider zurzeit keine große Jubiläumsfeier möglich ist, wird es im Herbst eine virtuelle Ausstellung geben, in der auf die letzten vier Jahrzehnte zurückgeblickt wird. Eine spannende Geschichte voller Herausforderungen.
Dies berichten Uschi Aurien, Mitglied im Vorstand von ambulante dienste e. V. und Martin Seidler, Referent für Öffentlichkeitsarbeit bei ambulante dienste e. V.
Mehr Infos gibt’s in der kostenfreien Broschüre „SELBSTBESTIMMT LEBEN – MIT PERSÖNLICHER ASSISTENZ“ aus dem Jahre 2019. Sie kann in Papierform bestellt werden per E-Mail an [email protected] oder auf der Internetseite von ambulante dienste heruntergeladen werden unter dem Link http://www.adberlin.com/downloads/Broschuere%20_SELBT%20BESTIMMT%20LEBEN_%20-%20barrierefrei.pdf