
Foto: Fabian Birke
Berlin (kobinet) Vor dem Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar schickte die Lebenshilfe Erlangen heute ein Foto von ihrer Bewohnerin Lilo Eschenbacher und einen Text, der an die „Euthanasie“-Morde erinnert. Aktuelle politische Entwicklungen machen der Lebenshilfe Sorgen. Nutzlose Esser, Ballast für die Gesellschaft, lebensunwert: So wurden Menschen mit (geistiger) Behinderung und psychischer Erkrankung von den Nazis bezeichnet. Sie wurden ab 1940 systematisch getötet ...
Auch die Psychiatrie in Erlangen war hier auf verschiedenen Ebenen involviert. Bereits 1932 hatte beispielsweise der Erlanger Psychiater Berthold Kihn (1895 bis 1964) über die „Ausschaltung der Minderwertigen aus der Gesellschaft“ referiert. Von 1940 bis 1941 war er „T4-Gutachter“. Das Kürzel T4 stand für die Tiergartenstraße 4 in Berlin, wo in einer Villa die „Schreibtisch-Täter“ der Morde saßen.
Daran erinnert die Lebenshilfe Erlangen zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. An diesem Tag 1945 haben Soldaten der Roten Armee die Überlebenden des KZ Auschwitz-Birkenau befreit.
Das Erinnern an die Nazi-Verbrechen sei wichtiger denn je, da aktuelle politische Entwicklungen Grund zur Sorge sind. „Rassistische und menschenverachtende Ideologien bedeuten eine Gefahr für Menschen mit Beeinträchtigung, vor allem auch mit geistiger Behinderung“, sagt Frank Morell, Vorstandsvorsitzender der Lebenshilfe Erlangen. Auch wenn es grundsätzlich in Erlangen und dem Landkreis eine große Offenheit gegenüber Menschen mit Beeinträchtigung gibt und es mit der Inklusion vorangeht, erlebt die Lebenshilfe immer noch und immer wieder Ablehnung.
„Ich empfinde das so. Wenn wir mit unseren Bewohnern spazieren gehen, gibt es wieder häufiger komische Blicke, Augenrollen und Unverständnis“, so Lebenshilfe-Mitarbeiter Manuel Baum. Petra Reichert bestätigt das: „Ich werde manchmal komisch angeguckt und ausgelacht, weil ich so bin.“
Die Lebenshilfe ist froh, dass die Impfstrategie in Deutschland ein eindeutiges Zeichen setzt. Menschen mit einem höheren Unterstützungsbedarf, alte Menschen, Personen mit Vorerkrankungen und mit Beeinträchtigung stehen im Vordergrund. Dieser gesellschaftliche Konsens ist ein Ergebnis der letzten Jahrzehnte. Ist es doch erst 75 Jahre her, dass Schwächere nicht geschützt, sondern aussortiert wurden.
Darüber müssten sich Politik, Gesellschaft und jeder Einzelne bewusst sein, nicht zuletzt bei der Diskussion über intensivmedizinische Kapazitäten in der Pandemie. Es gilt wachsam zu bleiben und gemeinsam zu verhindern, dass es je wieder Bestrebungen gibt, Menschen auszusortieren oder für unwert zu erklären.