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Wie geht’s Frieder Nebe?

fab-Haus mit Transparent
fab-Haus mit Transparent "Wir schaffen das! GEMEINSAM!
Foto: Frieder Nebe fab

Kassel (kobinet) Frieder Nebe vom Assistenzdienst des Kasseler Verein zur Förderung der Autonomie Behinderter (fab) hat schon am 23. März auf die Herausforderungen der Erbringung der Assistenz in der eigenen Wohnung und durch Ambulante Assistenzdienste in Zeiten der Corona-Pandemie hingewiesen. kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul sprach mit dem Pflegedienstleiter des Assistenzdienstes, wie sich die Situation gut sechs Wochen nach seinem Appell entwickelt hat und wie es ihm in Corona-Zeiten geht.

kobinet-nachrichten: Wie geht es Ihnen in Zeiten der Corona-Pandemie und wie hat sich Ihr Leben verändert?

Frieder Nebe: Es ist eine entschleunigte Zeit, vieles vorher Selbstverständliche ist es auf einmal nicht mehr. Besuche fallen weg, aber auch neue Wege, zum Beispiel über Zoom, habe ich entdeckt. Da kommen auf einmal Menschen für ein paar Stunden zusammen, die ich sonst nur ganz selten treffe. Das hat auch eine neue Qualität. Tanzen per Zoom mit 15 Menschen, jeder im eigenen Zuhause.

kobinet-nachrichten: Welche Fragen bzw. Gedanken treiben Sie in dieser ungewöhnlichen Zeit besonders um?

Frieder Nebe: Auf der persönlichen Ebene habe ich keine Angst vor einer Corona-Erkrankung, was sein wird, wird sein. Aber die Sorge um unsere Kund*innen, die alle zu der sehr verletzlichen Gruppe gehören, treibt mich um. Hier das Infektionsrisiko zu minimieren, ist ein großes Ziel. Wir müssen uns jetzt auf eine lange Zeit mit hohem Risiko einrichten. Anders als in ambulanten Diensten, wo ich maximal eine Stunde bei einem Menschen bin, sind unsere Assistent*innen zum Teil rund um die Uhr bei unseren Kund*innen. Da können wir nicht die ganze Zeit im Vollschutz arbeiten, mit Schutzmaske und Kittel und Handschuhen. Da kommen sich unsere Kund*innen wie in der Klinik vor und gleichzeitig halten es die Assistent*innen auch nicht lange aus. Hier einen geeigneten Weg zu finden, ist momentan eine große Herausforderung.

kobinet-nachrichten: Als Pflegedienstleiter eines Assistenzdienstes, der die Selbstbestimmung der Betroffenen groß schreibt, haben Sie sich bereits am 22. März mit einem Appell an die Medien gewandt, um u.a. auf das Fehlen von Schutzmasken – und -kleidung hinzuweisen. Wie gestaltet sich jetzt die Situation?

Frieder Nebe: Wir haben uns jetzt im Notstand eingerichtet und finden zu einer neuen „Normalität“. Unsere Assistent*innen und Unterstützer*innen haben ca. 1.000 Mund-Nasen-Abdeckungen selbst genäht; es war eine unglaubliche Unterstützung für uns vorhanden. Alle unsere Kund*innen und Assistent*innen sind damit ausreichend ausgerüstet. Apotheken brauen jetzt eigenes Desinfektionsmittel, wir kommen also wieder an Nachschub. Medizinischer Schutz, wie FFP2-Masken und Mund-Nasen-Schutz, ist wieder erhältlich, allerdings zu Wahnsinnspreisen. Schutzkittel lassen wir selber nähen. Das bringt uns an den Rand unserer finanziellen Möglichkeiten. Da ist es eine unglaubliche Unterstützung, dass wir eine Förderung durch die Corona-Soforthilfe der Aktion Mensch bekommen haben, die großzügig und schnell finanzielle Mittel zur Bewältigung dieser Krise zur Verfügung gestellt hat. Wir haben eine eigene Assistent*innen-Task-Force aufgebaut, die im Corona-Verdachtsfall sofort die Assistenz vor Ort übernehmen kann und so allen Auflagen des Gesundheitsamtes gerecht werden könnte. Das sind sehr versierte und erfahrene Assistent*innen und unsere Kund*innen haben dadurch eine große Sicherheit. Dank der finanziellen Unterstützung durch die Aktion Mensch können wir dieses Engagement auch entsprechend vergüten. Das hat uns wirklich sehr gefreut und geholfen.

kobinet-nachrichten: Der Blick der Medien und Politik richtet sich nach wie vor meist auf Alten-, Pflege- und Behinderteneinrichtungen. Was würden Sie sich für die Unterstützung behinderter Menschen in der eigenen Wohnung wünschen?

Frieder Nebe: Wenn die Empfehlungen jetzt lauten, nur noch im Vollschutz bei Kund*innen vor Ort zu arbeiten, mag das in einer Sozialstation möglich sein, in der Assistenz ist das unmöglich, da drehen Kund*innen und Assistent*innen durch. Da hat die Politik natürlich nur die traditionellen Einrichtungen im Auge, die persönliche selbstbestimmte Assistenz bleibt außen vor. Hier mit Augenmaß das richtige Umgehen zu finden, ist mir ein großes Anliegen.

kobinet-nachrichten: Wenn Sie zwei Wünsche frei hätten, welche wären das?

Frieder Nebe: Mein einer Wunsch ist, dass wir alle gut durch diese Krise kommen. Das wir alle, unsere Kund*innen und unsere Assistent*innen, diese Situation überleben, aber auch wir als gemeinnütziger Verein. Und meine Gedanken gehen auch zu den ganzen Budget-Kund*innen, die als kleine einzelne Arbeitgeber*innen häufig ganz alleine auf sich gestellt sind. Auch diese versuchen wir zu unterstützen und unsere Ressourcen mit ihnen zu teilen. Mein anderer Wunsch ist ein weitergehender: Ich bin viel gereist und habe viele behinderte Menschen in Asien getroffen. In dieser weltweiten Krise sind diese Menschen häufig ganz alleine auf sich gestellt, es gibt keine Unterstützung mehr. Dass diese Menschen irgendwie überleben, ist mir ein großes Anliegen.

kobinet-nachrichten: Vielen Dank für das Interview.