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Unterstützung behinderter Eltern sicherstellen

Kerstin Blochberger
Kerstin Blochberger
Foto: privat

Hannover (kobinet) Bei der gestrigen Telefonkonferenz der in der LIGA Selbstvertretung zusammengeschlossenen Selbstvertretungsorganisationen wurde deutlich, dass es gerade für behinderte Menschen, die nicht in Einrichtungen wohnen, in Zeiten der Corona-Krise zum Teil massive Probleme gibt. Diese können dazu führen, dass sie wegen fehlender Unterstützung in Kliniken oder Einrichtungen ziehen müssen. Kerstin Blochberger vom Bundesverband behinderter Eltern (bbe) hat sich daraufhin mit einer Problembeschreibung und Vorschlägen an die Zuständigen in der Region Hannover gewandt, um die Unterstützung behinderter Eltern auch weiterhin adäquat zu gewährleisten.

Kerstin Blochberger hat folgende Mail an die örtlichen Mitarbeitenden der Sozial- und Jugendämter und der Sozialpädagogischen Familienhilfe (SPFH) und an die Anbieter des Ambulant Betreuten Wohnens (ABW) in Hannover folgende Mail geschickt.

Liebe Kolleg*innen aus den Kommunalen Sozialdiensten (KSDs), liebe Kolleg*innen der SPFH-Anbieter,

in Corona-Zeiten finden ich es durchaus wichtig, Mitarbeitende vor Ansteckung zu schützen. Das Dienste der SPFH und des Ambulant Betreuten Wohnens deshalb grundsätzlich alle Hausbesuche bis auf weiteres aussetzen, kann ich aber nicht verstehen. Ich lese aus den Erlassen nicht heraus, dass gar keine Hausbesuche mehr stattfinden dürfen. Sicherlich gibt es Familien, die mit telefonischer Unterstützung auch zurechtkommen. Aber in Familien mit behinderten und chronisch erkrankten Elternteilen, die sonst keine andere Unterstützung erhalten, ist persönlicher Kontakt durch die SPFH mitunter gerade jetzt sehr wichtig. Eine erste verzweifelte Mutter rief mich letzte Woche an. In ihrer Not hatte sie ihr Kind in Obhut geben müssen, weil sie aktuell keine andere Unterstützung für ihre psychosomatischen und körperlichen Ausfälle bekam, die SPFH aber auch nicht mehr zur Verfügung stand. Durch die Kontaktbeschränkung sind nun Besuche beim Kind oder umgekehrt mehr als fraglich geworden.

Unter Beachtung des Infektionsschutzes sind laut bisheriger mir bekannter Erlasse die Notsituationen auch im ambulanten Bereich abzusichern. Deshalb kann ich alle Dienste und Mitarbeitende nur bitten, Prioritäten zu setzen. Bitte lassen Sie Familien nicht im Stich, wo gerade jetzt dringende Unterstützung durch SPFH nötig ist, um Fremdunterbringung oder gar Inobhutnahmen zu vermeiden.

Lösungsvorschläge:

Die Region Hannover nimmt Bedarfsmeldungen für Schutzmaterialien von ambulanten Diensten entgegen und verteilt nach Dringlichkeit. Kinderschutz und Vermeidung von Inobhutnahmen dürfte dringlich sein. Bestellen Sie für die dringendsten Hausbesuche das Material. Dann können die Mitarbeitenden auch wieder in die Familien gehen, um Kindeswohlgefährdungen zu vermeiden – Pflegekräfte machen dies bisher durchgehend und wechseln mehrfach täglich von Wohnung zu Wohnung. Keine unserer Elternassistenzkräfte ist bisher auf die Idee gekommen, nicht mehr in die Familien zu gehen (schwangere Kolleginnen mal ausgenommen).

Unterstützen Sie die Eltern, wenn wegen Kita- und Schulschließungen erhöhte Elternassistenzbedarfe entstehen. Anträge auf Elternassistenz werden jetzt auf schriftlichem Weg bearbeitet, deshalb ist eine gute Formulierung des Bedarfs schon im Antrag sehr hilfreich. Ein Musterantrag ist auf Seite 98 der folgenden Broschüre zu finden:

https://www.behinderte-eltern.de/pdf/bbe_Ratgeber_Elternassistenz_PDF-UA.pdf

Eine andere Lösung: Die Kinder aus diesen Familien könnten in die Notgruppen der Kitas/Schulen gehen. Das müsste die Region oder Stadt Hannover aber auch als Notbedarf formulieren und an alle Kitas weiterleiten. So verhindern wir, dass statt der Kinder aus den bedürftigsten Familien gleich noch mehr Kinder der zusätzlichen Assistenzkräfte und Sozialarbeiter*innen in die Notgruppen gebracht werden müssten.

Eltern, die aufgrund einer chronischen psychischen Erkrankung oder anderen Behinderungen selbst Pflegeleistungsansprüche haben, können ihre Unterstützungsbedarfe bei der Versorgung und Betreuung der Kinder als Antrag auf Elternassistenz bei der Region Hannover nach § 78 Abs. 3 SGB IX stellen (Bewohner*innen der Stadt Hannover in der Hamburger Allee).

Setzen Sie sich mit den Eltern und dann mit den anderen in der Familie tätigen Diensten in Verbindung. Wenn die anderen Dienste coronabedingt zeitweise doch ausfallen oder die Eltern notfallmäßig in die Klinik müssen, muss es ein Notfallmanagement für die Kinder geben. So habe ich alle unsere meist alleinerziehenden Eltern mit Elternassistenz gebeten, für diese Situationen den Verbleib der Kinder vorsorglich schriftlich zu regeln und dies den Assistenzkräften zur Kenntnis zu geben.

Besten Dank an alle, die mit Optimismus und Tatendrang nach kreativen und passenden Lösungen in dieser Ausnahmezeit suchen und Kraft in mitunter schwierige neue Wege stecken. Unser aller Engagement ist jetzt mehr denn je gefragt.

Viele Grüße

Kerstin Blochberger, Geschäftsführerin des Bundesverband behinderter Eltern (bbe)