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Change.org kämpft um Erhalt der Gemeinnützigkeit

Team von change.org
Team von change.org
Foto: change.org

Berlin (kobinet) Das Engagement zivilgesellschaftlicher Organisationen wird zunehmend durch den Entzug deren Gemeinnützigkeit bedroht. Nach Attac und Campact muss auch die gerade bei behinderten Menschen häufig genutzte Petitionsplattform Change.org um den Erhalt ihrer Gemeinnützigkeit kämpfen. Attac hat mit dem Slogan "Gemeinwohl ist politisch" auf den Punkt gebracht, worum es geht. Gregor Hackmack vom Vorstand von Change.org hat sich nun mit einer Mail zum Stand der Dinge bei Change.org geäussert und zur Solidarität aufgerufen.

„Kürzlich haben wir erfahren, dass Change.org Deutschland zu den Top 5 der ‚gefährlichsten NGOs für Unternehmen‘ zählt. In einem PR-Report werden Firmen vor einer starken Zivilgesellschaft gewarnt. Gerade Organisationen mit einer großen Reichweite in den Sozialen Medien seien ‚brandgefährlich‘. Dazu gehören wir, dazu gehört auch die Kampagnenorganisation Campact“, schreibt Gregor Hackmack von Change.org.

Zur Erinnerung erläutert er: „Campact hat im vergangenen Jahr die Gemeinnützigkeit verloren und wir sind akut vom Verlust der Gemeinnützigkeit bedroht. Unternehmen hingegen können weiterhin jede Ausgabe für ihre Lobbyarbeit von der Steuer absetzen. Wir können da nicht mehr an Zufälle glauben. Im Gegenteil, es drängt sich der Verdacht auf, dass die Wirtschaft mit Hilfe des Steuerrechts systematisch begünstigt und die Zivilgesellschaft geschwächt werden soll.“ Genau deswegen sei Change.org fest entschlossen, ihre Gemeinnützigkeit mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen. „Wir werden den vollen Rechtsweg ausschöpfen und notfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen“, so Gregor Hackmack.

Noch immer warte Change.org auf ein offizielles Schreiben des zuständigen Finanzamtes. Der große öffentliche Druck und die gewaltige Solidarität, die Change.org erfahren habe, zeigten offenbar Wirkung. „Das Finanzamt hat uns den Aberkennungsbescheid, der laut unserem Sachbearbeiter bereits geschrieben wurde, noch nicht zugestellt. Die Berliner Senatsverwaltung für Finanzen hat die fehlende Unterschrift noch nicht geleistet und stattdessen ein Gespräch Ende Januar in Aussicht gestellt. Wir werden dieses Angebot wahrnehmen und Sie weiter auf dem Laufenden halten“, heißt es von Change.org verbunden mit dem Aufruf: „Bitte unterstützen Sie uns als Förder*in ab fünf Euro im Monat. Nur mit den notwendigen finanziellen Mitteln und längerfristiger Planbarkeit können wir uns auf einen langwierigen Gerichtsprozess vorbereiten, der uns möglicherweise bis zum Bundesverfassungsgericht führt.“

Auch wenn der Organisation die Gemeinnützigkeit noch nicht aberkannt wurde, könne diese bis auf weiteres keine Spendenbescheinigungen ausstellen. Denn der Freistellungsbescheid ist trotz rechtzeitiger Einreichung aller Steuerunterlagen im letzten Jahr abgelaufen. „Wir werden das Gespräch mit der Berliner Senatsverwaltung führen und hoffen, dass wir bald Rechtssicherheit haben. Sobald wir einen neuen Freistellungsbescheid erhalten, werden wir unseren Spender*innen und Förder*innen die Spendenbescheinigung umgehend nachreichen.“

Link zu weiteren Infos und zur Spendenmöglichkeit von Change.org

Lesermeinungen

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9 Lesermeinungen
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Empire 2014
27.01.2020 09:16

Auch wenn das viele nicht lesen wollen. Was bringen Petitionen auf irgend welchen Petitionsplattformen wirklich? NICHTS!

Gemeinwohl heißt immer noch, etwas für die Gemeinschaft zu tun. Gemeinwohl heißt nicht, irgendwas im Internet zu betreiben und dafür auch noch Spenden oder Werbeeinnahmen zu kassieren. Das ist kein Gemeinwohl, sondern wirtschaftsorientiert.

Petition die was „bringen“ sollen, kann man beim Bundestag einreichen.
Für alle anderen Dinge gibt es das Demonstrations- oder Streikrecht.

Michel
Antwort auf  Empire 2014
27.01.2020 12:17

Das stimmt nicht. Aktuelle Erfolge von Change.org-Petitionen: Change.org/Intensivpflege, Change.org/Upskirting, Change.org/Tamponsteuer, Change.org/Stoppt-Homo-Heilung, Change.org/Invalidenstrasse, Change.org/Birgit, Change.org/Veronika

Mehr: Changeverein.org/Erfolge

Empire 2014
Antwort auf  Michel
28.01.2020 11:33

Abgesehen davon, dass nicht einmal nachgewiesen ist, dass diese Petitionen zu irgend ein Umdenken bewegt hat, ist dass nur im Promillbereich und rechtfertigt keine Gemeinnützigkeit.

Beispiel Intensivpflege: Zwar eine „starke“ Petition, aber hier hat das Umdenken wohl eher die Behindertenbeauftragten und Verbände sowie mögliche verfassungsrechtliche Bedenken, verursacht. Das jetzt Change.org als Erfolg zuzuschreiben, könnte als das Schmücken mit fremden Blumen ausgelegt werden. Auch „Homoheilung“ – Erfolg von Change.org oder vielleicht nur ausgelöst aus Eigeninteresse eines Bundesministers der den Druck der Verbände ausgesetzt wäre, wenn er das Thema als homosexueller nicht angeht?

Arnd Hellinger
Antwort auf  Empire 2014
28.01.2020 16:12

@empire2014:disqus:

Rein formal betrachtet haben Sie mit Ihrem Verweis auf die „offiziellen“ Petitionswege an Bundestag und Landtage natürlich Recht, aber damit erreicht man eben auch „nur“ unmittelbar staatliche Stellen und die Bearbeitungszeiten sowie Entscheidungswege sind – berechtigterweise – wegen vorgegebener Verfahrensabläufe relativ lang. Das kann im Falle etwa einer benötigten Assistenzfinanzierung oder Hilfsmittelversorgung schlicht ZU LANGE sein und eine PRIVATE Krankenversicherung oder ein PRIVATES Hotelerieunternehmen erreicht mensch durch Petitionen an den Bundestag oder örtlich zuständigen Landtag auch eher weniger.

Hinzu kommt noch der psychologische Aspekt: Eine ggf. von mehreren tausend Unterstützenden auf change.org oder openpetition mitgetragene Eingabe wirkt auf den/die jeweils Angesprochenen schon anders als das gleichlautende Schreiben einer Einzelperson. Zudem lassen sich so Medien eher für ein relevantes Thema sensibilisieren.

Empire 2014
Antwort auf  Arnd Hellinger
29.01.2020 10:35

Zugegeben, die Petitionen im Bundestag haben einen längeren Weg, sind allerdings, nicht wie von ihnen dargestellt, Einzelpetition, sondern müssen genauso ihr Quorum erreichen und die Mitzeichnung geschieht online. Vorteil: Sie haben damit direkten Einfluss auf das Gesetzgebungsverfahren.

Zu „change.org“ – Aus meiner Sicht, sollte ein Verein, der wirtschaftlich agiert, eben nicht als gemeinnütziger „e.V.“ agieren. Wer Werbeeinnahmen tätigt, Gewinne generiert, hat nichts mit Gemeinnützigkeit zu tun.

Gemeinnützig – also etwas für die Gemeinschaft nach § 52 AO.
Alles Andere ist wirtschaftsorientiert.

Nehmen wir als Beispiel „Kobinet“: „sammeln“ aus irgendwelchen Quellen Material und publizieren (kopieren) das dann. Gemeinnützig nach §52 AO? Zumindest in §52 AO nicht definiert, lässt sich drüber streiten, könnte man begründen, da Kobinet für Menschen mit Behinderung, Information zentral bereitstellt. „Tagesaktueller Nachrichtendienst“ sei mal dahingestellt, weil dazu müsste man sich auch an den journalistischen Regeln orientieren und wirklich „tagesaktuell“ sein. Eher als Presseportal? Dann wäre es bspw. nicht gemeinnützig. Also eher als Blog der Informationen für Menschen mit Behinderung sammelt.

Oder anderes Beispiel: Deb „Berliner Behindertenverband“ – Bieten Beratungsleistung für Menschen mit Behinderung an (kostenlos). Gemeinnützig? Ja, denn sie tun es für Menschen, also für die Gemeinschaft.

Anders wird es, wenn es „politisch“ wird, was bei Change.org über die Petitionen der Fall ist, denn Politik ist im direktem Sinne kein Gemeinnutz.

Ich denke, der Gesetzgeber hat Gemeinnützigkeit im §52 AO gut definiert. Das ist deutsches Recht und daran muss man sich halten. Wem es nicht gefällt, der kann ja beim Bundestag eine Petition einreichen und dann wird die Online-Abstimmung auf der Petitionsplattform des Deutschen Bundestags schon zeigen, wie das Meinungsbild ist.

Michael Günter
Antwort auf  Empire 2014
29.01.2020 19:23

Zitat:
„Zu „change.org“
– Aus meiner Sicht, sollte ein Verein, der wirtschaftlich agiert, eben nicht als gemeinnütziger „e.V.“ agieren. Wer Werbeeinnahmen tätigt, Gewinne generiert, hat nichts mit Gemeinnützigkeit zu tun.“

Hmm,
demnach wären so ziemlich alle Einrichtungsträger der EGH raus, oder? Was ist der Unterschied zwischen einer Werbeeinnahme und Spenden/Sponsoring? Selbst wenn formal kein Gewinn abfällt, dafür aber massives Lobbying in Berlin erfolgt, ist dies doch schon wirtschaftliches Handeln, oder?

Ich stelle hier ihre Aussagen nicht in Frage, ich mühe mich im Klarheit für mich selbst…

Empire 2014
Antwort auf  Michael Günter
30.01.2020 10:37

Vielleicht habe ich das ein wenig suboptimal formuliert.

Es gibt ja Vereine, die „Spenden“ sammeln oder bspw Werbeeinnahmen generieren. Sonst aber dem Grunde nach NICHTS an der Gemeinschaft nach §52AO tun (nur eine Webplattform bereitstellen) – Bei solchen Vereinen sehe ich keine Gemeinnützigkeit.

Andere Vereine, die sammeln auch „Spenden“ oder bspw. Werbeeinnahmen, tun aber gleichzeitig auch aktiv was für die Gemeinschaft nach §52AO – Das sind natürlich Vereine die berechtigterweise als gemeinnütziger e.V. agieren.

Auch das massives Lobbying in Berlin, durch viele Vereine und Verbände ist wichtig, um die Interessen Ihrer Mitglieder zu vertreten. Zumal es in der Tat viel Geld kostet, die Vorarbeiten zu leisten, die oft seitens der Vereine notwendig sind. Ob diese Form der „Interessenvertretung“ die Gemeinnützigkeit als e.V. nach §52 AO rechtfertigt oder dann als „die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens im Geltungsbereich dieses Gesetzes“ gilt, ist sicherlich eine Frage der Gestaltung von Vereinszielen

Nehmen wir noch mal Change.org: Die stellen nur eine Plattform bereit. „Inhalte“ kommen von Kunden. „die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens im Geltungsbereich dieses Gesetzes“ ist die gegeben auf einem Petitionsportal das Petitionen ermöglicht die kein Rechtsbestand haben? (Darum auch mein Hinweis auf das Petitionsportal des Bundestags, mit Rechtsbestand)

Oder kann ein „Tagesaktueller Nachrichtendienst zur Behindertenpolitik“ (bitte nur als Beispiel) nach §52 AO eine Gemeinnützigkeit erfüllen, wenn die Inhalte nur bedingt journalistischen Wert im Sinne der eigenen urheberrechtlich geschützten Werke haben? Oder ist das dann am Ende nur ein „Wirtschaftsunternehmen“ mit wirtschaftlichen Zielen, da die Inhalte auch anderen Quellen entnommen werden können? – Was ich damit meine: Was macht Gemeinnützigkeit wirklich aus? Eigentlich ist das in der Tat im Gesetz klar definiert und ich denke, bevor mal „Kritik“ anbringt ist es ratsam, sich mit dem Thema und der Definition der Gemeinnützigkeit wirklich auseinander zu setzen. Dann wird man feststellen, dass es noch viele gemeinnützige e.V. gibt, die den Anforderungen nicht entsprechen.

Michael Günter
Antwort auf  Empire 2014
30.01.2020 19:18

Hallo Empire,
danke für die ausführliche Antwort. Ich hänge mich mal an sie dran:
„Andere Vereine, die sammeln auch ‚Spenden‘ oder bspw. Werbeeinnahmen,
tun aber gleichzeitig auch aktiv was für die Gemeinschaft nach §52AO –
Das sind natürlich Vereine die berechtigterweise als gemeinnütziger e.V.
agieren.“
Woran ich hänge ist „tun aber gleichzeitig auch aktiv was…“.
Dieses „was tun“ müsste viel enger gefasst werden. Google ist ja nicht aktiv beim Tun in der Richtung, wenn sie einen Tag im Jahr einen Teil ihrer Belegschaft Gartenanlagen im Kindergarten pflegen lässt.

Okay, der war zu dick – aber sind wirklich alle unsere Träger der EGH noch gleichmässig „förderungsfähig“ nur weil sie im BeB oder im Paritätischen sind?

Viele davon haben längst eigene Immobilenbereiche als eigenständige Bereiche ausgegliedert und sitzen teilweise auf Vermögenswerten im 3stelligen Millionenbereich! Ist dies dann noch förderungsfähig?

Empire 2014
Antwort auf  Michael Günter
31.01.2020 12:23

Aus „förderungsfähig“ würde ich fast schon „förderungebedürftig“ machen. Und ja, man sollte auch dir Fragen nach „Vermögenswerten“ angehen …