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Gut gemeint aber Problem nur verlagert

BSK-Vertreter Krasa und Witsch sowie Jan Homfeld, Mitarbeiter des Landesbeauftragten
BSK-Vertreter Krasa und Witsch sowie Jan Homfeld, Mitarbeiter des Landesbeauftragten
Foto: BSK / privat

KRAUTHEIM (BSK / kobinet) Am 18. Dezember hatte der Verkehrsverbund "Nah.sh" in Kiel erneut zum „Runden Tisch für mobilitätseingeschränkte Reisende“ eingeladen. Den Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter vertraten Matthias Krasa, Leiter der BSK-Landesvertretung Schleswig-Holstein und Heike Witsch, die Leiterin der Kontaktstelle Hohenwestedt. Thema war die Bestellung nicht barrierefreier Züge durch den Verkehrsverbund "Nah.sh" beim Hersteller Stadler für das Bahnnetz Ost.

Nachdem die Planung der Züge am 21. Oktober 2019 erstmalig am Runden Tisch vorgestellt worden war, da gab es energischen Protest aus den Verbänden. Hauptkritikpunkte waren die 15 Prozent steilen Rampen und die mangelnde Bewegungsfläche mit nur 1,17 Meter Länge zwischen den beiden gegenüberliegenden Schrägen.

Wie die „Nah.sh“ jetzt mitteilte, wurde im Rahmen einer Neuplanung die Steigungen auf neun Prozent im Eingangsbereich reduziert. Die Schräge zum Fahrgastraum bleibt mit zwölf Prozent für Menschen mit ihrem Hilfsmittel nicht selbständig befahrbar.

Diese Neuplanung bedingt eine Reduzierung der ebenerdigen Bewegungsfläche zwischen den Eingangstüren auf nur noch 100 Zentimeter.

Nach Auskunft der „Nah.sh“ soll bis Ende Januar ein maßgerechtes Holzmodel vom Eingang zu Erprobungszwecken gebaut werden. Für die beiden BSK-Vertreter Heike Witsch und Mathias Krasa ist das nicht akzeptabel: „Wir haben klare Vorschriften für einen barrierefreien Nahverkehr. Die jetzt vom „Nah.sh“ präsentierten Nachbesserungen auf Kosten der Steuerzahler sind nicht barrierefrei und werden von uns und den anderen Verbänden für Menschen mit Behinderung nicht akzeptiert“.

Für Witsch und Krasa ist nur eine Lösung annehmbar, die auf dem BGG und im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention Artikel 9, Absatz 1 erfolgt.

Lesermeinungen

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7 Lesermeinungen
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Sven Drebes
21.12.2019 23:24

Das Problem liegt dann doch etwas anders.
Rechtlich gesehen waren die Züge von Anfang an barrierefrei! Was barrierefrei technisch heißt, steht ja weder in den Behindertengleichstellungsgesetzen noch in der UN-BRK sondern in technischen Normen. Für Züge heißt die Norm TSI PRM. Dort sind Seigungen von 15%, für kurze Rampen sogar 18%, erlaubt. Dass solche Steigungen für viele Rollstuhlnutzer und andere mobilitätseingeschränkte Menschen nicht zu schaffen sind, steht auf einem anderen Blatt. Das Problem ist also, dass die Norm niicht zum Lleben passt.
Allerdings muss man auch sagen, dass in man in einem Zug kein Platz ist, um zwei Rampen, die von 76 cm hohen Bahnsteigen eine Steigung von 6% oder 8% haben UND eine 150 cm breite Fläche dazwischen unter zu bringen.

Michael Günter
Antwort auf  Sven Drebes
26.12.2019 19:15

Hallo Herr Drebes,
inhaltlich haben sie vollkommen Recht, der Verweis auf das BGG und die UN-BRK ist schon etwas abstrakt.
Die technischen Probleme zuseitig haben sie auch gut erfasst, dennoch gäbe es gleich 2 Möglichkeiten, dieses Problem zu beheben:
1.) Bau entsprechender Rampen auf dem Bahnsteig, dies liesse sich technisch einfach umsetzen, max. Gefälle wäre 6% bei DIN 18040-1

2.) Erstellen einer lebengerechten Norm durch den Gesetzgeber. Da für den Betrieb eines Schienenverkehrsmittels auf den Gleisen der DB die DB-Netz zuständig ist, könnte man diese auch mit der technischen Überwachung beauftragen – im Extremfall hiesse dies, wer nicht die entsprechend barrierefreien Züge nachweisen kann, bekommt keinen Zugang zum Schienennetz.

Sven Drebes
Antwort auf  Michael Günter
28.12.2019 12:55

Hallo Herr Günter,
Rampen auf dem Bahnsteig sind keine Option, weil der Wagenboden an den Rollstuhlplätzen etwa 30 cm niedriger liegt als die Bahnseige der Bahnhöfe, an denen die fraglichen Züge halten. Es geht also nicht nach oben sondern nach unten. Außerdem können von Menschen bediente Züge nicht metergenau halten.

Das Problem wäre technisch auf folgende Arten lösbar:
– sämtliche Bahnsteige in Deutschland würden auf 55 cm Bahnsteighöhe umgebaut. Das wäre gut für Barrierefreiheit im Bahn-Regionalverkehr, macht das Einsteigen in (die meisten) Hochgeschwindigkeitszüge aber mühsamer und den Mischbetrieb von Regionalzügen und Großstadt-S-Bahnen (Rhein-Main, Rhein-Ruhr-Köln etc.) unmöglich.
– Doppelstock-Züge und einstöckge Züger mit 55 bis 60 cm Einstiegshöhe werden abgeschafft. Dann müssten entweder viele Bahnsteige verlängert (und erhöht) werden oder deutlich mehr Züge fahren. (Mein Favorit)
– Dioppelstockzüge werden 30 cm höher gebaut. Dafür müssten die meisten Stromleitungen höher gehängt und einige Brückern, Bahnhofsdächer usw. umgebaut werden.
– Züge werden deutlich breiter. Dazu müsste das Schienennetz weltweit umgebaut werden, da wir ja grenzüberschreitenden Bahnverkehr brauchen.

Ich fürchte also, dass wir noch 20-30 Jahre mit diesem Problem leben müssen.

Michael Günter
Antwort auf  Sven Drebes
28.12.2019 18:20

Hallo Herr Drebes,
dass es sich um ein Gefälle und nicht um eine Steigung handelt, ging aus dem Bericht nicht hervor – ich kenne es aus dem regionalen Bereich eher andersherum.
Ich fürchte alle ihre Problemlösungsvorschläge sind entweder zeitlich und/oder finanziell vertretbar zu lösen:
– alle Bahnsteige absenken ist finanziell nicht realiserbar, allein bei unserem kleinen Bahnhof hier sind dies mal eben locker 700m für die 2 Bahnsteige…
– Waggons sind im Mittel sicherlich 50 Jahre im Einsatz
– weltweit neue Gleise sind ebensowenig finanzierbar wie das Höherhängen aller Oberleitungen.
– mehr Züge mag in Ballungsräumen attraktiv klingen, aber in den ländlichen Regionen ineffezient…zumal auch hier erhebliche Baumaßnahmen erfolgen müssten.

Was spricht dagegen, die Rampen, die ich vorgeschlagen habe nicht steigen, sondern fallen zu lassen? Dafür müssten auch nicht komplette Bahnsteige gesperrt werden…
Ferner habe ich wenig Sorgen bzgl. der Ansteuerung der Haltepunkte, dies schaftt ein normaler Aufzug schon seit Jahrzehnten millimetergenau; ferner wäre dies auch via GPS noch einfacher zu lösen, da müsste man nichtmal Lichtschranken oder Kontakte an den Bahnsteigen nachrüsten.

Sven Drebes
Antwort auf  Michael Günter
29.12.2019 12:54

Hallo Herr Günter,
eine Rampe, die die gut 15 cm Höhenunterschied zwischen 76cm-Bahnsteig und dem (knapp) 60 cm hohen Einstieg eines Stamdard-Doppelstockzugs halbwegs DIN-konform überbrückt, müsste (ohne Zwischenpodest) rund 3 Meter lamg sein. Bei üblichen Bahnsteigen muss sie auch noch um die Ecke gehen. Am „unteren“ Ende gäbe es, je nach Bauart, eine rund 15 cm hohe Stufe oder steiles Gefälle.

Damit so etwas funktioniert, müssten alle auf der Strecke fahrenden Züge den rollstuhlgerechten Einstieg an derselben Stelle haben und zumindest einigermaßen genau halten. Ersteres mag noch machbar sein. Letzteres ist bei von Menschen gesteuerten etliche Tonnen schweren Zügen dagegen komplett unrealistisch. Wenn Sie die Züge an „Ihrem“ Bahnhof mal genauer beobachten, werden Sie feststellen, dass da Schwankungen von 10 bis 20 Metern nicht ungewöhnlich sind.
Der Vergleich mit Aufzügen trägt nicht, weil Aufzüge erstens viel leichter und langsamerr sind und maschinell gesteuert werden. Die maschinelle Steuerung ist auch der entscheodende Unterschied zu den U-Bahnen in Nürnberg und einigen anderen Städten.

Michael Günter
Antwort auf  Sven Drebes
29.12.2019 18:50

Hallo Herr Drebes,
ja eine solche Rampe müsste etwa 3m lang sein – ein Zwischenpodest wäre aber nach DIN 18040-1 nicht notwendig, ebenso bedürfte es keines „Um-die-Ecke-gehens“, wenn die Rampe parallel zum Bahnsteig verläuft und sich eine Plattform m unteren Ende befindet (insg. wäre wir damit bei etwa 5x2m Umbau Fläche pro Bahnsteig, statt mehrerer hundert QM, wenn ich den Bahnsteig komplett absenken müsste).
Alternativ böten sich noch Hebeplattformen an – die könnten höhentechnisch auch auf versch. hohe Zugänge eingestellt werden. Kostentechnisch dürfte dies auch nicht höher liegen als bei der Variante 1 – und steuern könnte man diese pragmatischerweise gleich mit dem Toilettenschlüssel für die Behinderten-WCs, dann wäre der jeweilige Nutzer auch unabhängig von wohlmeinendem, aber ggf. nicht vorhandenem Personal).
Den Punkt mit der Ansteuerbarkeit fixer Punkte am Bahndamm lasse ich nicht gelten, sorry (die 10-20m bei der U-Bahn kommen doch nur zustande, weil der Fahrer nicht auf einen festen Haltepunkt festgelegt ist!).

Sven Drebes
Antwort auf  Michael Günter
30.12.2019 14:41

Hallo Herr Günter,
es macht doch einen Unterschied, ob man ein 1-3,5 Tonnen schweres Auto oder einen Zug, der ein Vielfaches wiegt, bremsen muss, oder nicht? Das ist keine Frage des Willens oder fahrerischen Könnens sondern der Physik. Dazu kommt, dass auf Bahnstrecken oft die markanten Punkte zur Orientierung für den Beginn des Bremsvorgangs fehlen.

Schließlich halten an vielen Bahnsteigen verschiedene Züge mit unterschiedlichen Türabständen. Eine schräge Bahnsteigkante oder eine schräge Stufe nach einem sehrr engen Bahnsteig ist da gefährliich. Ähnliches gilt für eine Plattform, die im Buden versinkt.

Doppelstockzüge sind übrigens überwiegend Liniien bzw. Strecken mit hoher Nachfrage im Einsatz, wo eine Taktverdichtung durchaus Sinn macht.