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Musikperformance und Empowerment

Logo des Deutschen Gehörlosen-Bundes
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Foto: DGB

BERLIN (kobinet) Das Thema Musikperformance beschäftigt die Gehörlosen-/Gebärdensprachgemeinschaft (sprich: taube, schwerhörige und hörende Gebärdensprachnutzer/-innen) – und das zu Recht, denn die Anzahl der in Musikkonzerten performenden hörenden Dolmetscherinnen und Dolmetscher für Deutsche Gebärdensprache und Deutsche Sprache nimmt zu. Dies stellt alle unmittelbar Beteiligten, insbesondere die gehörlosen Menschen, aber auch ihre Umgebung, vor erhebliche Herausforderungen. Die Begeisterung darüber, wie die Liedtexte, Rhythmen, Melodien und Tanzeinlagen durch die Gebärdensprache sichtbar werden, ist riesengroß.

Auf einmal entsteht in der Öffentlichkeit der Eindruck, dass auch gehörlose Menschen Zugang zur Musik haben. Was die Dolmetscherin / der Dolmetscher auf der Bühne angeblich dolmetschen, ist keine Übersetzung des Liedtextes, sondern vielmehr eine Performance. Somit sind vorhandene Liedtexte nicht wirklich für Gehörlose verständlich. Fragen über die Gebärdensprache und Gehörlosenkultur von Veranstalterinnen und Veranstalter sowie hörenden Konzertteilnehmerinnen Kozertteilnehmern wurden nach Konzerten von einigen hörenden Dolmetscherinnen und Dolmetschern, die selber nicht betroffen sind, beantwortet.

Es wurde ein Unterschied zwischen der Verdolmetschung von Liedtexten in Gebärdensprache und Musikperformance festgestellt. Die Aufgabe eines/einer Dolmetscher/-in ist klar definiert, und zwar übersetzt er/sie eine Ausgangssprache in eine Zielsprache und überwindet auf diesem Weg Sprachbarrieren zwischen Menschen. Nicht mehr und nicht weniger. Da ist die Definition klar. Anders ist es bei einer Verdolmetschung von Liedtexten in Gebärdensprache: Hierbei werden die Lieder nicht nur Wort für Wort übersetzt, sondern sie müssen auch interpretiert werden, und es muss den Gefühlen Ausdruck verliehen werden. Damit bewegt man sich schon in Richtung Musikperformance.

Aus diesem Grund hat der Deutsche Gehörlosen-Bund eine Arbeitsgruppe „Deaf Performance“ ins Leben gerufen. Diese Arbeitsgruppe möchte auf verschiedene Weise die künstlerischen Fähigkeiten gehörloser Performer durch Konzerte, Musicals und verschiedene Musik- und Tanzprojekte entwickeln. Denn die Musikperformance bietet viele Möglichkeiten für die Ausbildung aller Fähigkeiten, bei denen der Schwerpunkt darauf liegt, konzeptuelle Interpretationen und musikalische Strukturen zu bilden.

Der Leitgedanke der Inklusion und der UN-Behindertenrechtskonvention „Nichts über uns ohne uns“ ist in diesem Zusammenhang zu betonen.

Denn die Kehrseite dieser Begeisterung über die Verdolmetschung von Liedertexten in Gebärdensprache und Musikperformances ist, dass die gehörlosen Menschen auf schmerzhafte Weise erleben und erfahren müssen, wie ihre eigene Gehörlosenkultur durch eine andere kulturelle und sprachliche Gruppe, zum Teil auch nicht authentisch, vertreten wird. Die Folge ist, dass gehörlose Menschen wieder marginalisiert und ihre eigenen Stimmen und Meinungen nicht gehört werden. Dies lässt in der Öffentlichkeit ein Bild entstehen, wonach gehörlose Menschen nicht in der Lage sind, sich selbst darzustellen und ihre eigene Kultur und vor allem die Gebärdensprache zu vertreten.

Den DGB-Film 24/2019 in Gebärdensprache und mit UT über Stellungnahme „Musikperformance und Empowerment“ gibt es hier zu sehen: