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Birger Höhn: Gedanken zum Buch „Aspergers Kinder“

Birger Höhn
Birger Höhn
Foto: privat

Dresden (kobinet) Der Inklusionsbotschafter Birger Höhn trägt nicht zuletzt mit seinem Buch "Auf dem Weg zu mir selbst: Innenansichten eines Menschen mit Autismus" und damit verbunenen Lesungen für ein besseres Verständnis von Autismus und die damit verbundenen Menschenrechtsverletzungen bei. Nun hat sich der Inklusionsbotschafter, der sich derzeit verstärkt dem Gedenken an die Verbrechen im Nationalsozialismus widmet, mit dem Buch von Edith Sheffers mit dem Titel "Aspergers Kinder - Die Geburt des Autismus im Dritten Reich" beschäftigt und dazu seine Gedanken auf seiner Facebookseite geschildert.

Beitrag von Birger Höhn

Ich danke Edith Sheffer für ihre akribische Recherchearbeit, die sie geleistet hat. Dafür gebührt ihr ein Mega Respekt und Anerkennung, zumal sie selber auch Mutter eines autistischen Kindes ist. Obwohl ich das Buch noch nicht zu Ende gelesen habe, ziehe ich jetzt schon folgendes Fazit: Hans Asperger war für mich ein nationalsozialistischer Arzt, der die NS-Ideologie und das nationalsozialistische Gedankengut zu sehr großen Teilen in sich aufgesaugt hat, obwohl er selbst nicht Mitglied der NSDAP war. Seine Forschung aber konnte er nur so betreiben, weil er das NS-Gedankengut sozusagen in Fleisch und Blut in sich drinnen hatte, und es von daher nie Beanstandungen des NS-Regimes gab. Ganz im Gegenteil: Er baute seine Erkenntnisse der „autistischen Psychopathie“ auf der NS-Ideologie auf, indem er Kinder untersuchte, die er für „korrigierbar“ im Sinne des nationalsozialistischen Gedankengutes hielt, und solche Kinder, bei denen dies nach seinem Dafürhalten nicht der Fall war, und die somit in die sichere NS-„Euthanasie“ auf dem Wiener Spiegelgrund wanderten.

Nach dem Krieg wurden seine Thesen und Erkenntnisse völlig unreflektiert und losgelöst vom NS-Gesellschaftsbild in Wissenschaft und Gesellschaft übernommen. Das macht mich, auf Grundlage der jetzigen Erkenntnisse als links denkender und fühlender Autist und als autistischer Peer in der NS-„Euthanasie“ Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein einfach nur extrem wütend und fassungslos! Denn als dieser wurde ich diagnostiziert mit Diagnose Kriterien, die einerseits auf dem faschistischen, rechtsextremen NS-Gesellschaftsbild fussten und fussen. Und mit diesem Diagnosekriterium wurden hunderttausende von Kindern in den Tod der NS-„Euthanasie“ getrieben!

Bis heute gab und gibt es keine selbstkritische Reflexion, ganz im Gegenteil. Ich denke, von Aspergers Methoden bzw. Erkenntnissen gibt es für mich schon eine Verbindung zu Therapiemethoden wie ABA, die in der Wissenschaft immer noch hofiert zu werden scheinen, und die ich schon länger ablehne. Denn auch bei ABA geht es darum, autistische Verhaltensweisen unter dem Deckmantel der Integration von Autisten abzutrainieren bzw. um es mit Aspgerger selbst zu sagen „zu korrigieren“. Mit Methoden, die menschenrechtliche Folter sind! Aber bis heute in universitären und wissenschaftlichen Einrichtungen und Forschungsinstituten zum Teil hofiert werden, und zum Beispiel bei Autismus Speaks sehr stark gepriesen wird. Und auch in vielen Autismuszentren und bei Autismus Deutschland gibt es sehr starke Verfechter dieser faschistischen Methode bzw. Therapie.

Dabei gibt es mittlerweile viel bessere und sinnvollere Alternativen, die ebenfalls sehr hilfreich sein koennen. Die beste im SInne des autistischen Empowerments ist: Den autistischen Menschen soweit zu fördern bzw. zu bringen, das er oder sie selber sagen kann: Das kann ich gut! Und bei der Sache brauche ich Hilfe und Unterstützung! Und das dann auch von Behörden und Ämtern anerkannt und unterstützt wird! Ich fordere eine breite und deutlich, deutlich sehr, sehr kritische und selbstkritische Auseinandersetzung von Universitäten, wissenschaftlichen Institutionen, Autismuszentren und Autismus Deutschland über deren gesellschaftspolitisch vor dem historischen Hintergrund von Aspergers vermeintlichen Erkenntnissen, die zum Ziel haben muss, diese Erkenntnisse nicht losgelöst von dem faschistischen nationalsozialistischen Gesellschaftsbild zu betrachten, und in der Folge diese Erkenntnisse, die im übrigen auch überhaupt nicht auf alle AutistInnen passen, kategorisch abzulehnen, inklusive Therapieformen wie ABA.

Ein neues Diagnosekriterium muss her, am besten in partizipativer Forschung im Peer Gedanken erstellt. Wir müssen diese Debatte sehr, sehr breit angelegt führen. Denn solches Gedankengut erleben wir nicht nur bei den bereits beschriebenen oder den Elitekreisen der AfD. Sondern auch in manchen linken elitären Kreisen. Das alles muß und wird sicherlich eins der Schwerpunktthemen für unsere autistische Peer-Bewegung Autistisches Selbstbestimmtes Leben (ASL) werden. Aus meiner Sicht lautet das Gegenmittel dazu: Inklusion von AutistInnen. Darum muss es uns konsequent gehen und dass muss ebenso konsequent vorangetrieben werden. Auf allen Ebenen!

Link zu weiteren Informationen zum Buch „Aspergers Kinder – Die Geburt des Autismus im Dritten Reich von Edith Sheffer