Menu Close

CDU-Netzwerk appelliert an Jens Spahn

Jens Spahn
Jens Spahn
Foto: BMG

Düsseldorf (kobinet) In diesen Tagen bekommt Jens Spahn viel Post. Viele behinderte Menschen haben sich schon an den Bundesgesundheitsminister gewandt, um Änderungen bei den geplanten Regelungen zur Intensivpflege einzufordern. Nun bekommt der Minister auch Post aus den eigenen Reihen. Das Netzwerk "Menschen mit Behinderungen" der CDU Nordrhein-Westfalen appelliert ebenfalls in einem Brief an den Minister, die geplanten Regelungen so nicht weiter voranzutreiben.

„Sehr geehrter Herr Gesundheitsminister, sehr geehrter Herr Spahn, mit Ihrem geplanten Reha- und Intensivpflegestärkungsgesetz wollen Sie Fehlversorgungen bei der außerklinischen Intensivpflege entgegenwirken. Sie zielen darauf ab, ’solange wie möglich ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, die besonderen Bedarfe intensivpflegebedürftiger Versicherter angemessen zu berücksichtigen, eine qualitätsgesicherte und wirtschaftliche Versorgung nach aktuellem medizinischen und pflegerischen Standard zu gewährleisten und Fehlanreize und Missbrauchsmöglichkeiten zu beseitigen.‘ (Präambel des Referentenentwurfes) Durch den geplanten §37c konterkarieren Sie diese Ziele allerdings mit einem Federstreich, wenn die ambulante Versorgung für den Personenkreis komplett entfällt, der auf Grund seiner chronischen Grunderkrankung gar nicht in der Lage ist, sich von einer Dauerbeatmung zu entwöhnen“, schreibt der Landesvorsitzende des Netzwerk „Menschen mit Behinderungen“ der CDU Nordrhein-Westfalen Benjamin Daniel Thomas.

Als Beispiele werden in dem Brief auszugsweise benannt: Muskeldystrophien, ALS oder COPD. Der geplante §37c widerspreche nicht nur dem Grundgesetz Artikel 3 Absatz 3, sondern auch der UN Behindertenrechtskonvention Art. 19 und torpediere sämtliche Bemühungen um Inklusion im Sinne des Bundesteilhabegesetzes. Weiter heiße es im Referentenentwurf: „Die Leistungen der außerklinischen Intensivpflege werden künftig regelhaft in vollstationären Pflegeeinrichtungen, die Leistungen nach § 43 des Elften Buch SGB erbringen, oder in speziellen Intensivpflege-Wohneinheiten erbracht.“ Weiter heiße es auf S. 16 des Referentenentwurfs: „Die ambulante Versorgung, insbesondere in der eigenen Häuslichkeit der Pflegebedürftigen, erfordert wesentlich größere personelle und finanzielle Ressourcen als die Versorgung in vollstationären Einrichtungen.“

„Auf den ersten Blick erscheint das richtig, aber glauben Sie ernsthaft, dass diese regelhafte Unterbringung in Pflegeeinrichtung in irgendeiner Weise ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht und, dass eine 1:10 Betreuung, wie sie in solchen Pflegeeinrichtungen üblich ist, wirklich die besonderen Bedarfe in der Pflege des Individuums gewährleisten kann? Mit Sicherheit nicht, ganz im Gegenteil! Die Qualität leidet gerade dort wegen Überforderung, Stress und mangelnder Zeit für die durchaus notwendige persönliche Zuwendung des Pflegepersonals an die zu Betreuenden. Alles Ursachen für die hohe Fluktuation, Burn Out und Ausstieg aus dem gelernten Beruf bei den Pflegekräften. Mal ganz davon abgesehen: Die Qualitätsmängel bei beatmeten Patienten sind in stationären Einrichtungen deutlich größer als in der ambulanten Pflege. In Einrichtungen ist die Keimgefahr viel größer als zuhause! Gerade bei Problemen mit den Atemwegen stellen Infekte eine große Gefahr für Gesundheit und Leben dar. Schon deshalb sollten Pflegeeinrichtungen die Ausnahme darstellen“, heißt es in dem Brief von Benjamin Daniel Thomas an Jens Spahn.

Und weiter heißt es dort: „Im Referentenentwurf stellen Sie die gewagte These auf, ‚dass gerade in der ambulanten Intensivpflege in der eigenen Häuslichkeit in manchen Fällen nicht ausreichend qualifiziertes Personal eingesetzt wird.‘ Hier legen wir als Forum der Menschen mit Behinderung in der CDU den direkten Austausch mit Menschen, die ihren Alltag in Form des Arbeitgebermodells des persönlichen Budgets regeln, äußerst dringend ans Herz. Sie werden sehen, dass diese selbst, schon allein aus Eigeninteresse, als Experten in eigener Sache für eine hohe Qualität in ihrer Pflege sorgen. Denn sie wissen am allerbesten, welche Art der Pflege und Betreuung benötigt wird und lernen ihr Personal dementsprechend an.“

Beim Studium des Entwurfs stelle sich die Frage, wem das Gesetz im Endeffekt nutzen soll. Den Betroffenen oder den Pflegeeinrichtungen? „In der jetzigen Form eindeutig letzteren. Der geplante Paragraph 37c hält die zentralistischen Pflegeeinrichtungen, die in Zeiten ernstgemeinter Inklusion ein Auslaufmodell darstellen sollten, nicht nur künstlich am Leben, sondern bläht diese noch viel mehr auf. Stattdessen sollte das Ziel des Gesetzes viel mehr sein, die zeitgemäße und menschenrechtskonforme persönliche Assistenz zu unterstützen und zu stärken. Deshalb ist es wichtig den Sachbearbeitern bei der Entscheidung über die Zumutbarkeit keinerlei Ermessensspielraum mehr zu lassen. Eine ‚Massenunterbringung‘ wie Pflegeeinrichtungen oder Pflege-WGs, letztere sind geradezu Einfallstore für Missbrauch, müssen stattdessen als Ausnahmefall geregelt werden! Mit dem bestehenden Paragraphen leisten Sie Vorschub zu dem, was Sie eigentlich verhindern wollten. Wir fordern Sie auf, den Paragraphen zu ändern oder zu streichen!“