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Bundesteilhabegesetz mit Biss

Ottmar Miles-Paul
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KASSEL (KOBINET) Der 3. Dezember wird als Internationaler Tag der Menschen mit Behinderungen gerne dazu genutzt, Forderungen zu bekräftigen und für mehr Inklusion zu werben. Als Koordinator der Kampagne für ein gutes Bundesteilhabegesetz hat sich Ottmar Miles-Paul Gedanken über die Herausforderungen des kommenden Jahres gemacht, in dessen Mittelpunkt die Entwicklung eines Bundesteilhabegesetzes mit Biss stehen muss.

Kommentar von Ottmar Miles-Paul

Würde man die Appelle, Statements, Solidaritätsbekundungen und Forderungen, die um den 3. Dezember herum alljährlich veröffentlicht oder getätigt werden, einfach umsetzen, bräuchten wir diese im nächsten Jahr wohl nicht mehr. Aber Politik ist zuweilen kompliziert, Gesetze werden nicht immer so im Sinne der Betroffenen ausgelegt, wie das gedacht war und die Umsetzung von Gesetzen und Hilfen ist von vielen verschiedenen Menschen geprägt, die nicht immer das beste für ihre Mitmenschen im Sinn haben und häufig ihre eigenen Interessen verfolgen. Unter anderem deshalb ist der Kampf für eine eigentlich selbstverständliche Sache, die Inklusion, so schwierig.

Je mehr und je intensiver man mit dem System der sogenannten Behindertenhilfe bzw. der Rehabilitation zu tun hat, umso mehr tun sich die Abgründe auf, die in diesem System und dessen Umsetzung lauern. Die Würde behinderter Menschen wird vielfach mit Füßen getreten, vermeintliche beschützende Einrichtungen erweisen sich bei genauem Hinsehen allzu oft als Institutionen mit enormer Macht über Menschen, die sich kaum an den Bedürfnissen der einzelnen orientiert. Das milliardenfach investierte Geld fließt weitgehend in Aussonderung statt in Maßnahmen, die Inklusion ermöglichen. Das Ganze wird darüber hinaus noch weichgespült, schön geredet und mit moderner Medienkompetenz als das tollste der Welt verkauft und damit bewahrt.

Diejenigen, die andere Wege als die durch die Sonderwelten vorgezeichneten vermeintlichen Hilfen gehen wollen, müssen sich recken und strecken, um hierfür die nötige Unterstützung zu bekommen. Sie müssen immer wieder klagen, sich immer wieder vor den Ämtern ausziehen und ständig beweisen, dass es anders geht und aufpassen, dass ihnen dabei möglichst kein Fehler passiert. Denn sie stehen unter besonderer Beobachtung, während das herkömmliche Aussonderungssystem die Regel ist und mit dem weiterhin gute Geschäfte gemacht werden können. So können ständig neue Aussonderungseinrichtungen entstehen, auch wenn sie durch kleinere Einheiten etwas schöngestutzt werden. Alter Wein wird uns dann in neuen Schläuchen präsentiert und alle klatschen ob des vermeintlichen Fortschrittes. Mit Inklusion, Menschenrechten, Empowerment und Selbstvertretung behinderter Menschen hat dies jedoch meist nicht viel zu tun. So erleben wir im Vorweihnachtswohltätigkeitsgedudelrausch aufs Neue auch wieder, wie um die Gunst der vielen mitleidsvollen Spender gebuhlt wird und die Spendenkassen klingeln – damit neue Sonderwelten entstehen können. Diejenigen, die ambulante Alternativen aufbauen, sich für die Menschenrechte einsetzen oder Persönliche Budgets und neue Wege durchkämpfen, haben derweil gar keine Zeit, eine menschenwürdige Spendenwerbung zu machen.

Dieses System zu brechen und im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention und der Menschenrechte umzusteuern, bleibt trotz aller Gründe zur Depression ob der allmächtigen Aussonderungsmaschinerie hierzulande, eine Hauptaufgabe der Behindertenbewegung. Hierfür gilt es wie eh und je für veränderte Rahmenbedingungen und gesetzliche Regelungen sowie deren Umsetzung zu kämpfen. Dass veränderte Gesetze nötig sind, daran erhebt sich angesichts von über 300.000 behinderten Menschen, die in Werkstätten für behinderte Menschen für einen Durchschnittslohn von ca 185 Euro pro Monat arbeiten, angesichts der hunderttausenden von Menschen, die in Behinderteneinrichtungen und sogenannten Seniorenzentren bzw. -heimen ohne echte Alternativen leben müssen und der vielen Barrieren kein Zweifel.

Das derzeit in der Vorbereitung befindliche Bundesteilhabegesetz bietet eine Chance, in einigen Bereichen im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention und der Menschenrechte umzusteuern. Deshalb gilt es, diesem Vorhaben auch eine große Aufmerksamkeit zu widmen, denn die Chance für eine solche Gesetzesreform mit den entsprechenden Mehrheiten im Bundestag und Bundesrat kommt nicht so oft. Persönliche Assistenz, echte Wahlmöglichkeiten für inklusive Angebote, Alternativen zu Werkstätten, Tagesförderstätten, Sonderschulen und sogenannten Heimen, barrierefreie Informationen über die Rechte behinderter Menschen und mehr Selbstbestimmung durch ein Bundesteilhabegeld, das den Namen verdient, sind hierfür nur einige Eckpunkte. Und natürlich geht es auch darum, behinderte Menschen aus der Fürsorge- und Armutsfalle heraus zu holen und endlich die unleidige Anrechnung des Einkommens und Vermögens bei der Inanspruchnahme von Hilfen aufzuheben.

Der 3. Dezember ist neben all den Appellen aber auch ein Tag, um sich auf die Herausforderungen des nächsten Jahres einzustimmen. So wechselt heute der Staffelstab des Deutschen Behindertenrates vom Sozialverband Deutschland (SoVD) zum Allgemeinen Behindertenverband in Deutschland (ABiD). Kämpfen wir nächstes Jahr also für einen Gesetzesentwurf für ein Bundesteilhabegesetz mit Biss. Behinderte Menschen und ihre Angehörigen müssen endlich das Werkzeug und die Hilfen an die Hand bekommen, um die Uhren auf Inklusion umstellen zu können und ein Leben mitten in der Gesellschaft mit der nötigen Unterstützung zu führen.