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Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zu Artikel 3 Abs. 3 GG

Foto zeigt Bundesverfassungsgericht
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HOLLENBACH (KOBINET) Das Bundesverfassungsgericht hat am 10.10.2014 in einem Beschluss über die Überlassung von Prozessunterlagen in Blindenschrift seine Ansicht über die Wirksamkeit des Artikels 3 Absatz 3, Satz 2 mitgeteilt. Der folgende Satz lässt aufhorchen.

Es ist so ein schöner Satz!
ein Kommentar von kobinet-Redakteur Gerhard Bartz

Als vor 20 Jahren nach langem Kampf dieser Satz in den Artikel 3 unseres Grundgesetzes eingefügt wurde, haben wir uns alle gefreut. Die Ernüchterung kam jedoch schnell: Viele Juristen auch aus den Reihen der Behindertenverbände klärten uns auf, dass wir uns mit diesem Satz nichts kaufen könnten. Er wäre eine reine Absichtserklärung. Nun kommt das Bundesverfassungsgericht und schreibt seine Interpretation dieses Urteiles in einen Beschluss. Nach meiner Ansicht ist es geradezu eine Aufforderung, Urteile unter diesem Gesichtspunkt auf die Übereinstimmung mit dem Artikel 3 prüfen zu lassen. Herausgreifen möchte ich zwei Beispiele, die für mich nach der Lesart des BverfG nicht mehr zu halten sind:

Versagung der bedarfsdeckenden Assistenz: Wenn behinderten Menschen mit Assistenzbedarf diese Assistenz ganz oder teilweise verweigert wird, dann werden diese Menschen im Vergleich zu nicht behinderten Menschen durch gesetzliche oder behördliche Regelungen schlechter gestellt.

Anrechnung von Einkommen und Vermögen: Wenn Teile des Einkommens und/oder des Vermögens genommen werden, weil behinderungsbedingt Assistenz benötigt wird, dann wird die Lebenssituation dieser Menschen ebenfalls im Vergleich zu Menschen ohne Behinderung durch gesetzliche oder behördliche Regelungen verschlechtert.

War der Satz in Artikel 3 am Ende doch so gemeint, wie er geschrieben wurde? Sind daraus entgegen juristischer Bewertungen doch praktische Handlungsweisen abzuleiten? Zu hoffen ist, dass auf jeden Fall dieser Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes diskutiert und bewertet wird.

Im selben Beschluss gab das Verfassungsgericht auch einen Hinweis auf den Umgang mit der Behindertenrechtskonvention:

„Gesetzgeber und Rechtsprechung sind daher gefordert, bei Gestaltung und Auslegung der Verfahrensordnungen der spezifischen Situation einer Partei mit Behinderung so Rechnung zu tragen, dass ihre Teilhabemöglichkeit der einer nichtbehinderten Partei gleichberechtigt ist. Entsprechende Vorgaben enthält auch Art. 13 Abs. 1 der UN-Behindertenrechtskonvention (…) die in Deutschland Gesetzeskraft hat (…) und als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite der Grundrechte herangezogen werden kann.“

Somit müssen Gerichte zukünftig angegriffene Behördenentscheidungen zwingend auch auf die Übereinstimmung mit der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen und unserem Grundgesetz überprüfen. Die alles deswegen, weil der Gesetzgeber nur noch auf der Basis der Konvention handeln darf und deshalb das Handeln so weit als möglich vor sich herschiebt? Und nun muss er auch noch die Verfassung in seine Überlegungen einbeziehen?

Das Nichthandeln ist mehr als unfair. Es ist die oft ohnehin eingeschränkte Lebenszeit behinderter Menschen, die hier verstreicht. Zeit, in denen diese Menschen nicht oder nur eingeschränkt ihre verbleibenden Möglichkeiten nutzen könnten. Zeiten, in denen sie beispielsweise vom Gesetzgeber daran gehindert werden, Lebenspartnerschaften einzugehen. Oder die gesamte Familie in Mitleidenschaft durch eine zumindest finanzielle Sippenhaft gezwungen wird.

Link zum Beschluss des BVerfG vom 10.10.2014, Az.: 1 BvR 856/13