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Ein Querdenker hat uns verlassen

Gerlef Gleiss am Beratungstelefon
Gerlef Gleiss am Beratungstelefon
Foto: Christian Schmid

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Gerlef Gleiss am Beratungstelefon
Foto: Christian Schmid

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Gerlef Gleiss am Beratungstelefon
Foto: Christian Schmid

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Gerlef Gleiss am Beratungstelefon
Foto: Christian Schmid

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Gerlef Gleiss am Beratungstelefon
Foto: Christian Schmid

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Gerlef Gleiss am Beratungstelefon
Foto: Christian Schmid

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Gerlef Gleiss am Beratungstelefon
Foto: Christian Schmid

HAMBURG (KOBINET) Gerlef Gleiss, der nicht nur die Beratungsstelle Autonom Leben in Hamburg über Jahrzehnte hinweg geprägt hat, sondern auch bundesweit durch kritische Zwischenrufe aus dem hohen Norden immer wieder den Finger in die Wunden der sogenannten Behindertenhilfe gelegt hat, ist gestern in Hamburg gestorben. Damit hat die deutsche Behindertenbewegung einen weiteren Querdenker verloren, dessen kritische Zwischenrufe und sein Engagement fehlen werden.



Wer Gerlef Gleiss von Diskussionen oder Veranstaltungen kannte, der weiß, dass er die Selbstvertretung behinderter Menschen stets ernst genommen hat. Er war keiner, der einfach nur so dabei war, sondern er mischte sich ein und hinterfragte vieles kritisch. Dabei war es meist nicht einfach mit ihm zu diskutieren, denn er besaß eine scharfe Zunge und argumentierte fundiert. Sein Herz schlug links und er setzte sich vehement für eine selbstbestimmte Assistenz behinderter Menschen und eine unabhängige Beratung von behinderten Menschen durch behinderte Menschen ein. Leider war seine Lebenszeit zu kurz, um noch zu erleben, dass die Persönliche Assistenz in Deutschland einkommens-, vermögensunabhängig und bedarfsgerecht geregelt wird. Mit seinem langjährigen Wirken bei Autonom Leben in Hamburg schaffte er es trotz vielfältiger Widrigkeiten, dem Anpassungsdruck durch öffentliche Förderungen Paroli zu bieten und die Eigenständigkeit zu bewahren.

Sein gesundheitlicher Zustand hat dem 1954 geborenen Gerlef Gleiss in den letzten Jahren sehr zu schaffen gemacht. Schon im vergangenen Jahr war gerlefs blog wegen der Erkrankung des Hamburger Rollstuhl-Aktivisten verstummt. Als Blogger war der Berater von Autonom Leben in der Szene hoch geschätzt und bei denen gefürchtet, die immer noch einem selbstbestimmten Leben behinderter Menschen im Wege stehen. Die kobinet-Redaktion hat die gesellschaftskritischen Anmerkungen von Gerlef Gleiss veröffentlicht, weil sie mit genauer Analyse und starken Argumenten vorgebracht wurden. Diese aktuelle journalistische Arbeit des Hamburgers hat oft, wenn leider auch nicht immer, zu Veränderungen in seinem Umfeld geführt.

„Gerlef war ein Kämpfer für Selbstbestimmung und hat sich nie mit weniger zufrieden gegeben und das sollten wir auch nicht, so wird er für uns immer sehr lebendig bleiben“, erklärte Barbara Vieweg von der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL), die folgenden Text von Gerlef Gleiss gefunden hat:

Es geht auch anders: Papst Johannes Paul II.:

von Gerlef Gleiss

Dann erleben wir monatelang am Beispiel des Karol Woytila, des jetzt verstorbenen Oberhauptes der katholischen Kirche, wie anders, wie beispielhaft – sieht man mal von der spekulativen öffentlichen Inszenierung des Sterbens ab – auch in der kapitalistischen Gesellschaft mit schwerbehinderten, alten Menschen umgegangen werden kann. Trotz seines hohen Alters und trotz seiner schweren, fortschreitenden Behinderung darf er seinen hoch bezahlten Job behalten und wird nicht wie so viele andere schwerbehinderte oder alte Menschen wegrationalisiert und als unnütz und unproduktiv ausselektiert.

Er erhält ausreichend Arbeitsassistenz und eine bedarfsgerechte Ausstattung mit Hilfsmitteln und kann dadurch zeigen, dass auch schwerbehinderte Menschen leistungsfähig sind und ihren Job ordentlich machen können. Er wird in der Schlussphase seiner Behinderung und im Sterben nicht allein gelassen. Er erhält ausreichend Schmerzmittel. Er wird nicht in die technische Kälte von Intensivstationen abgeschoben, sein Wunsch, in vertrauter Umgebung zu sterben, wird akzeptiert, seine engsten Freunde sind bei ihm, niemand vermittelt ihm das Gefühl, anderen nur noch zur Last zu fallen. Und niemand, weder in seiner näheren Umgebung noch in der Öffentlichkeit, lockt ihn mit der schnellen tödlichen Spritze als „humane, selbstbestimmte“ Alternative. Vielleicht, weil niemand seiner Freunde, Neider, oder Erbschleicher die Macht dazu gehabt hat, ganz sicher aber vor allem deshalb nicht, weil ein solches Lockangebot vergeblich gewesen wäre, weil unter solchen Bedingungen des Sterbens niemand die schnelle Spritze als „selbstbestimmte“ Alternative verlangen wird.

In seinem Blog hat Gerlef Gleiss das Zitat „Wie mutig man ist, weiß man immer erst hinterher“ verwendet. Gerlef Gleiss war mutig und hoffentlich wirkt sein Mut noch lange und nachhaltig für die deutsche Behindertenpolitik.