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Wie Prothesen-Weitspringer bewerten?

Weitspringer Rehm siegte mit Weltrekord bei den Paralympics in London
Weitspringer Rehm siegte mit Weltrekord bei den Paralympics in London
Foto: Dr. Ralf Otto

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Weitspringer Rehm siegte mit Weltrekord bei den Paralympics in London
Foto: Dr. Ralf Otto

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Weitspringer Rehm siegte mit Weltrekord bei den Paralympics in London
Foto: Dr. Ralf Otto

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Weitspringer Rehm siegte mit Weltrekord bei den Paralympics in London
Foto: Dr. Ralf Otto

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Weitspringer Rehm siegte mit Weltrekord bei den Paralympics in London
Foto: Dr. Ralf Otto

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Weitspringer Rehm siegte mit Weltrekord bei den Paralympics in London
Foto: Dr. Ralf Otto

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Weitspringer Rehm siegte mit Weltrekord bei den Paralympics in London
Foto: Dr. Ralf Otto

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Weitspringer Rehm siegte mit Weltrekord bei den Paralympics in London
Foto: Dr. Ralf Otto

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Weitspringer Rehm siegte mit Weltrekord bei den Paralympics in London
Foto: Dr. Ralf Otto

UNBEKANNT (KOBINET) Weitspringer Markus Rehm hat mit Weltrekord bei den Paralympics in London Gold erkämpft. Derzeit misst sich der Mann mit der Prothese in Wettbewerben mit Aktiven ohne Handicap. Das führt zu Diskussionen und Entscheidungen, die heute Dr. Ralf Otto vom Behinderten-Sportverband Berlin kommentiert. Nicht sehr einfach scheint eine wissenschaftlich fundierte Antwort auf die Frage zu sein: Haben Sportler beim Weitsprung mit einer Prothese nachweisbare Leistungsvorteile gegenüber dem Absprung mit einem Bein? 

Berlin (kobinet) Wenn Markus Rehm am 21. Juni 2014 bei den Deutschen Meisterschaften in Berlin im Weitsprung an den Start gehen wird, dann wird er auf jeden Fall innerhalb der Wertung sein, denn hier misst er sich mit anderen Aktiven mit einem Handicap. Sicher wird er dort bei seinem momentanen Leistungsvermögen von knapp 8 Metern die größte Weite erzielen. Ob er damit dann auch gewinnen wird, oder ob die im Behindertensport angewandte Punktewertung ihn auf die Plätze verweist, wird sich zeigen.

Momentan misst sich Markus Rehm jedoch bei diversen Hallenmeisterschaften in Nordrhein-Westfalen mit nichtgehandicapten Aktiven, und dies führte zu nicht unerheblichen Diskussionen und eigenwilligen Entscheidungen. Vorletztes Wochenende gab es erst die Siegerehrung, dann die Disqualifikation, und am nächsten Tag die Zurücknahme dieser Entscheidung. Alles erinnert stark an die Diskussion um den südafrikanischen Doppelprothesensprinter Oscar Pistorius aus den Jahren 2007/2008, die letztendlich vor Gericht endete.

Die Begründung bei den Nordrhein-Meisterschaften war allerdings mehr als abstrus: Rehm wurde nicht etwa wegen Verstoßes gegen die Regel 144.2c, in der „der Gebrauch von Technologien, die dem Nutzer einen Vorteil gewähren, den er bei regelgerechter Ausrüstung nicht hätte“, disqualifiziert, sondern weil er 60 cm weiter gesprungen war als der Zweite. Das wäre damit vergleichbar, als wenn Robert Harting bei einer Berliner Meisterschaft Diskus wirft, anschließend aber disqualifiziert wird, weil er 15 Meter weiter wirft als der Zweite. Felix Streng, ein anderer Prothesensprinter mit identischer Behinderung, lief beim gleichen Wettkampf in der 4 x 200m Staffel, und hier gab es keine Disqualifikation, denn er war ja nicht schneller als andere Aktive.

Wobei es dem Weitspringer Rehm eigentlich nur um einen guten Wettkampf und eine gute Weite geht. Er will zeigen was er kann, und das im Kreise anderer Weitspringer, unter guten Bedingungen, vor Zuschauern und natürlich auch vor den Medienvertretern.

Sein nächster Start bei den Westdeutschen Hallenmeisterschaften nächstes Wochenende wird von daher sicher mehr Beobachter finden, als noch vor Wochenfrist. Ein vom Deutschen Behindertensportverband (DBS) gewünschter, längst überfälliger Gesprächstermin um diesen Wettkampf herum, wurde allerdings vom Deutschen Leichtathletikverband (DLV) mit dem Hinweis „zu kurzfristig“ bereits abgesagt.

Nun ist die Diskussion keineswegs neu. Exakt vor einem Jahr passiert dem Unterschenkelprothesensprinter Nick Weihs bei den Berliner Hallenmeisterschaften 2013 in Berlin das gleiche wie jetzt Rehm in Leverkusen. Er wurde überraschend aus der Wertung genommen, unter Berufung auf die Regel 144.2c. Nach Protesten und einem Artikel in der FAZ wurde diese Regel dann DLV-intern ausgesetzt, besteht jedoch im Regelwerk weiterhin. Und der DLV beantragt auch nach wie vor, diesen Passus in das internationale Regelwerk des Weltleichtathletikverbandes IAAF zu übernehmen, was die Brisanz noch erhöht.

Leider wird innerhalb dieser Grundsatzdiskussion vieles miteinander vermischt: Ein Verstoß gegen den Inklusionsgedanken taucht genauso auf wie Begriffe von Unfairness und Wettbewerbsvorteil. Prothesen als Hilfsmittel zu bezeichnen und sie mit Sprungschuhen mit Federelementen gleichzusetzen, was die eigentliche Ursache für die Regel 144.2c war, sollte jedoch gänzlich aus dem Sprachgebrauch verschwinden, denn eine Prothese ersetzt ein Körperteil und ist keinesfalls zusätzlich vorhanden. Vielleicht sollte man im Regelwerk einmal weiter lesen, denn hier sagt Regel 144.2f aus, dass „jede Art von persönlicher Maßnahme zum Schutz und/oder aus medizinischen Gründen“ nicht als Unterstützung gilt, und daher erlaubt ist.

Festzuhalten ist – und da ist die Parallele zu Oscar Pistorius und seinem Streit mit der IAAF um einen Start bei Olympia -, dass momentan keinerlei biomechanische Nachweise vorliegen, die einen Vorteil bestätigen. Und hier hatte das oberste Sportgericht CAS eindeutig geurteilt, dass dann auch kein Aktiver ausgeschlossen werden darf. Hier sollte für Rehm das Gleiche gelten wie für Pistorius oder für den Brasilianer Oliveira, bei dem man erwarten kann, dass er der nächste Diskussionsfall für die IAAF werden wird.

Die Lösung kann eigentlich nur eine wissenschaftlich fundierte Aussage zu der Fragestellung sein: Hat man beim Weitsprung mit einer Prothese nachweisbare Leistungsvorteile gegenüber dem Absprung mit einem Bein?

Die Antworten sind dabei momentan nicht vorhersehbar, hängen sie ja auch von der jeweiligen Disziplin ab: Der Weitsprung mit seiner hohen vertikalen Komponente ist völlig anders zu betrachten als ein horizontal verlaufender Sprint. 100 Meter mit seinem entscheidenden Start- und Beschleunigungsverhalten ist völlig anders als die von der anderer Fähigkeit maßgeblich bestimmten 400-Meter-Strecke. Nicht zuletzt sind einseitig Amputierte völlig anders zu betrachten als Prothesen an beiden Beinen und so weiter. Vielleicht muss letztendlich die Prothese abgenommen und mit einem Prüfsiegel versehen werden, denn auch die Länge – bei zwei Prothesen – und der Härtegrad können entscheidend sein bei der Antwort auf die Frage, ob Prothesen im Gesamtsystem der jeweiligen Disziplin Vorteile bringen oder eben nicht.

Der DLV geht jetzt sehr kurzfristig den Weg, bei Prof. Dr. Gerd Peter Brüggemann in Köln ein Gutachten in Auftrag zu geben, analog zu dessen Gutachten zu Pistorius aus dem Jahr 2007, das die Frage von Vor- oder Nachteil klären soll. Dies soll bereits geschrieben sein und dem DLV vorliegen, mit der Aussage, dass eine Prothese im Weitsprung einen Vorteil darstellt. Ob dabei beispielsweise der Härtegrad der Feder – im Weitsprung ein entscheidender Faktor – oder auch die Nachteile im Sprint, was die Anlaufgeschwindigkeit maßgeblich bestimmt, berücksichtigt wurde, ist momentan unbekannt und eher unwahrscheinlich.

Man darf gespannt sein, wie sich das weitere Verfahren gestalten wird, denn wie uns die Diskussion um Oscar Pistorius mit zwei völlig unterschiedlichen Ergebnissen in zwei erstellten Studien gezeigt hat, können Gutachten von der Fragestellung, aber auch von der Zielvorgabe des Auftraggebers abhängen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass das CAS am Ende das letzte Wort haben wird, scheint vorprogrammiert zu sein, obwohl das eigentlich keiner will …