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Lummerland

Harald Reutershahn
Harald Reutershahn
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FRANKFURT AM MAIN (KOBINET) "Hustenbonbons, Alleskleber, Regenschirme, Leberkas, / Körbe, Hüte, Lampen, Würste, Blumenkohl und Fensterglas, / Lederhosen, Kuckucksuhren. Und noch dies und dann noch das!" Ja, so schön ist's nur in Lummerland. Doch wo sind bloß die Brüder und die Schwestern von Jim Knopf? Wo seine Eltern und die Onkel und Tanten? Sie sind abgeschoben worden, wenn sie nicht ertrunken sind vor Lampedusa. Tausende sterben auf diesem Weg jedes Jahr. Am härtesten trifft es die behinderten Flüchtlinge. Sie haben kaum eine Chance zu überleben.

Doch wo kommt das alles her? Woher wohl? Aus aller Welt. Futtermittel und Dünger für unsere Landwirtschaft, Öl und Erdgas, Gold und die anderen Edelmetalle, Diamanten, Rohstoffe, Elektronik, Baumwolle, Textilien, Früchte, Genussmittel, Palmöl und Holz. Und Fische, massenweise Fische aus den Weltmeeren und aus den Küstengewässern Afrikas. Nichts davon ist einheimisch in Lummerland.

Ja, bei uns lässt es sich leben. Ich gehe bloß vor die Tür, und alles ist da. Über und über, in Hülle und Fülle in den Supermärkten, Kaufhallen und den Shoping-Malls. Und zuhause, da gibt es elektrisches Licht, TV rund um die Uhr, Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik, Kühl- und Gefrierschrank, Waschmaschine – ist doch klar, Feinwaschmittel, Seifen, Shampoos, Wasserklosett, Badewanne, Dusche, frisches Trinkwasser aus der Leitung – kalt und warm, Heizung für die angenehme Tag- und Nachttemperatur, Kleidung für jeden Tag – für oben und für unten, für dunter und für drüber und für jede Jahreszeit. „Hustenbonbons, Alleskleber, Regenschirme, Leberkas, / Körbe, Hüte, Lampen, Würste, Blumenkohl und Fensterglas, / Lederhosen, Kuckucksuhren. Und noch dies und dann noch das!“ Ja, so schön ist’s nur in Lummerland.

Doch wo sind bloß die Brüder und die Schwestern von Jim Knopf? Wo seine Eltern und die Onkel und Tanten? Sie sind abgeschoben worden, wenn sie nicht ertrunken sind vor Lampedusa. Im Mittelmeer, wo viele kleinen Boote kentern und untergehen mit den Flüchtlingen aus den afrikanischen Ländern, die bitter arm sind, weil das meiste, was sie säen, ernten, nähen, knüpfen, rösten, fischen und mühsam aus ihrer Erde graben, billig von uns gekauft und abtransportiert wird zu uns nach Lummerland. Sie sind arm, weil wir reich sind. Ihre Kinder haben keine ordentlichen Schulen. Sie ernten Kakaobohnen und haben selbst noch niemals ein Stückchen Schokolade gegessen. Die Fische aus ihren Küstengewässern werden von riesigen Fischereiflotten gefangen, verarbeitet und bei uns in Lummerland abgeliefert, bis die Gewässer leergefischt sind. Alles, was irgendwie brauchbar, nahrhaft und wertvoll ist in den Ländern der Brüder und Schwestern, Eltern, Onkel und Tanten von Jim Knopf, wird abgeliefert bei uns in Lummerland. Und wir haben unsere Freude daran.

Damit wir uns nicht schäbig fühlen müssen, bezahlen wir ein wenig Entwicklungshilfe dafür. Wegen der Armut. Einer Armut, die den Wohlstand in Lummerland schafft. Was dabei Entwicklungshilfe genannt wird, ist ein Teil dieser Armut, denn für jeden Euro unserer gnädigen Hilfe bekommen wir fünf Euro zurück. Die Kleidung auf unserer Haut ist Bangladesh. Unsere Handys und Computer sind Afrika.

Die Leichen der ertrunkenen Verwandten von Jim Knopf werden nicht angespült in Lummerland, sondern an den Stränden der kleinen vorgelagerten Insel Lampedusa. Im Oktober ertranken mehr als 400 Menschen innerhalb von wenigen Tagen unmittelbar vor der europäischen Küste. Tausende sterben auf diesem Weg jedes Jahr. Am härtesten trifft es die behinderten Flüchtlinge. Sie haben kaum eine Chance zu überleben.

Dass nur wenige derer, die aus dem Elend fliehen, dort ankommen, wo die begehrten Güter ihrer Heimat ankommen, dafür sorgt die „Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen„, genannt Frontex. Die Aufgabe von Frontex ist es jedoch nicht, den in Not geratenen ertrinkenden Menschen in den gekenterten Flüchtlingsbooten Hilfe zu leisten. Flüchtlinge verdursten, verhungern oder ertrinken qualvoll unter Radarüberwachung. Denn Frontex soll verhindern, dass die Flüchtlinge Europa erreichen. Die Flüchtlingsabwehr wird weiter aufgerüstet mit dem Europäischen Überwachungssystem Eurosur. Mit modernster Überwachungstechnologie und unbemannten Drohnen sollen künftig Flüchtlingsboote aufgespürt werden, um zu verhindern, dass sie in Europa ankommen. Allein das wird mindestens zwei Milliarden Euro kosten, ermittelte kürzlich eine Studie im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung.

In Lummerland mag man den Jim Knopf. Jedenfalls solange er an Marionettenfäden hängt.