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Ernst Klee ist tot

Foto zeigt Ernst Klee 1999 bei Studenten in Hamburg
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Foto zeigt Ernst Klee 1999 bei Studenten in Hamburg
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FRANKFURT A.M. (KOBINET) Der Frankfurter Journalist, Autor und Filmemacher Ernst Klee starb heute im Alter von 71 Jahren in Frankfurt am Main. Wie der S. Fischer Verlag mitteilte, erlag Klee in seiner Frankfurter Wohnung einer langen schweren Krankheit. Als Historiker, Sozialpädagoge und Theologe hatte sich Ernst Klee mit der Emanzipation behinderter Menschen auseinandergesetzt. Mit seinem Buch über die "Vernichtung lebensunwerten Lebens" im Nationalsozialismus wurde er international bekannt.

Ernst Klee galt zusammen mit Gusti Steiner als Mitbegründer der bundesdeutschen emanzipatorischen Behindertenbewegung, die zu Beginn der 1970er Jahre einen Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik einleitete. Beide hatten im Herbst 1973 in Frankfurt den Volkshochschulkurs „Bewältigung der Umwelt“ gestartet. In diesem Kurs mit behinderten und nichtbehinderten Menschen wurde zum ersten Mal in Deutschland die übliche Linie gestört, dass behinderte Menschen sich den gesellschaftlichen Realitäten zu beugen haben. Der legendäre Frankfurter VHS-Kurs erregte 1974 großes öffentliches Aufsehen mit einer Straßenbahnblockade durch Rollstuhlfahrer auf der Frankfurter Zeil und mit einer Demonstration Behinderter vor der Hauptpost der Mainmetropole. Unter dem Motto „Wir schenken der Post eine Rampe“ wurde damals bereits gegen die diskriminierenden Barrieren für Behinderte protestiert.

Zuvor hatte Ernst Klee die Bücher „Der Zappler. Der körperbehinderte Jürgen erobert seine Umwelt; ein großes wagemutiges Abenteuer“ und „Behindertsein ist schön. Unterlagen zur Arbeit mit Behinderten“ veröffentlicht. Danach erschien sein zweibändiges Fischer Taschenbuch „Behinderten-Report“. „Unser Mitarbeiter Ernst Klee hat das wichtigste, umfassendste, schonungsloseste Buch über Behinderte herausgebracht“, hieß es seinerzeit in einer ersten Buchbesprechung des Verlags. Darin schrieb Klee u.a. über Verhaltensmuster gegenüber Behinderten – Geplante Dummheit – Gettoisierung der Behinderten in Heimen und Alternativen – Behinderte als Almosen-Proletariat – Geplante Missstände – Eltern Behinderter – behinderte Eltern – Die Organisation der Unterdrückten – Behinderte, die geschlechtslose Minderheit – Eine Stadt-aus dem Rollstuhl betrachtet.

1981 wurde sein Film „Verspottet“ (über das Leben einer Kleinwüchsigen) mit einem Adolf-Grimme-Preis von der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste in Frankfurt ausgezeichnet. „Nach allem, was behinderten Menschen in Deutschland zugefügt worden ist, müssten sie uneingeschränkt als gleichwertig gelten“, forderte Klee. Internationales Renommee erwarb er sich mit seinem Buch „Euthanasie im NS-Staat. Die Vernichtung lebensunwerten Lebens“. Darin erschloss er der Öffentlichkeit erschütterndes Archivmaterial, das bis dahin der Öffentichkeit unbekannt gewesen war. 1997 beleuchtete sein Buch „Auschwitz, die NS-Medizin und ihre Opfer“ die Rolle von Ärzten und Pflegern, die im Rahmen der sogenannten „Euthanasie“ und im Namen der Wissenschaft verheerende Experimente an wehrlosen Menschen vornahmen.

Andere Buchveröffentlichungen von Ernst Klee waren u.a. „Psychiatrie-Report“, „Behindert“, „Dokumente zur ‚Euthanasie‘ im NS-Staat“, „Was sie taten – Was sie wurden: Ärzte, Juristen und andere Beteiligte am Kranken- oder Judenmord“, „‚Durch Zyankali erlöst‘: Sterbehilfe und Euthanasie heute“, „Irrsinn Ost – Irrsinn West. Psychiatrie in Deutschland“, „Auschwitz, die NS-Medizin und ihre Opfer“.

Für den Film „Auschwitz, die NS-Medizin und ihre Opfer“ (1997) erhielt er den Geschwister-Scholl-Preis. Die Stadt Frankfurt am Main zeichnete ihn 2001 mit der Goethe-Plakette aus, und 2007 verlieh ihm das Land Hessen die Wilhelm Leuschner-Medaille. Seit 2005 ist eine Förderschule im westfälischen Mettingen nach ihm benannt.

Georg Gabler, damals Teilnehmer des VHS-Kurses und heute Vorstandsmitglied des Frankfurter Clubs Behinderter und ihrer Freunde (CeBeeF), erinnert sich in einem Gespräch mit den kobinet-nachrichten an Ernst Klee: „Der Kurs stellte die Forderung auf, dass sich die Gesellschaft zu ändern habe. Dies geschah aber nicht in philosophischen Diskussionen, sondern demonstrativ am geeigneten Objekt. Ernst hat uns, den Kursteilnehmern, immer wieder klargemacht, dass wir nur dann gesellschaftlich erfolgreich sein werden, wenn wir das bisherige Behindertenbild ‚dankbar, lieb, ein bisschen doof‘ umstürzen. Wir haben durch unsere Kursarbeit schon damals an einem Behindertenbewusstsein gearbeitet, das uns heute geläufig ist: autonom und selbstbestimmt leben, mit selbstverständlicher Forderung  nach Mobilität, Barrierefreiheit und inklusiver Bildung. Für mich, der 1975 zur der Truppe stieß, war dies die wichtigste ‚Lehrzeit‘ meines Lebens. Sie hat mich ermutigt, 1979 mit anderen zusammen den ambulanten Dienst des CeBeeF Frankfurt aufzubauen. Wir hatten dazu keine Praxisvorbilder. Was wir aber hatten: Wir hatten ein im Kurs entwickeltes Bewusstsein, das später unser Selbstbewusstsein im Umgang mit Verwaltung und Politik sehr gefördert hat. Wir sind Ernst sehr dankbar. Dass er nicht behindert war, stört mich überhaupt nicht.“