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Verbesserung und Umsetzung der Rechte behinderter Menschen nicht auf die lange Bank schieben

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Foto: Kooperation Behinderter im Internet e.V./Tom Kallmeyer (Creative Commons BY-SA 4.0)

Berlin (kobinet) Anlässlich des 30. Jahrestags des Inkrafttretens des Benachteiligungsverbots in Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 im Grundgesetz haben sich die Behindertenbeauftragten von Bund und Ländern in Bremen mit den rechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes befasst. Die Verfassung gewährleistet allen Menschen jene Rechte, die für eine umfassende Teilhabe am gesellschaftlichen Leben nötig sind. Dennoch werden Menschen mit Behinderungen weiterhin strukturell benachteiligt. Tiefsitzende Vorurteile der Gesellschaft gegenüber Menschen mit Behinderungen bestehen fort. Der konsequente Paradigmenwechsel hin zu einer gleichberechtigten Teilhabe wird dadurch verhindert, heißt es in der Presseinformation zum Abschluss der 68. Konferenz der Behindertenbeauftragten der Länder und des Bundes. Die Beauftragten haben die Bremer Erklärung mit ihren Forderungen verabschiedet, die kurz nach Abschluss der Konferenz auch in Leichter Sprache und in Gebärdensprache veröffentlicht wurde. Erstmals gab es auch eine Pressekonferenz, die hybrid durchgeführt wurde.

Arne Frankenstein, Landesbehindertenbeauftragter der Freien Hansestadt Bremen, Gastgeber und Sprecher der Konferenz der Beauftragten von Bund und Ländern für die Belange von Menschen mit Behinderungen (KBB) betonte: „Die Verfassung enthält einen Transformationsauftrag hin zu einer inklusiven Gesellschaft. Diesem kommt Deutschland gegenwärtig nicht hinreichend nach.“ Nach wie vor bestünden für Menschen mit Behinderungen viele Sonderstrukturen. Kinder mit Behinderungen gingen beispielsweise oft auf Förderschulen und arbeiteten später in Werkstätten für behinderte Menschen. Bestehende Ausgrenzungen würden damit fortgesetzt. Deshalb erklärte Arne Frankenstein: „Insbesondere beim Abbau benachteiligender Sonderstrukturen verdichten sich die Vorgaben der Verfassung zu einem unmittelbaren Handlungsauftrag. Wir appellieren daher heute sehr eindringlich, dass Deutschland insbesondere den Abbau von Sonderstrukturen als politischen Handlungsschwerpunkt weiterverfolgt und hierfür die erforderlichen Haushaltsmittel bereitstellt.“

Jürgen Dusel, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen erklärte: „Die strukturelle Benachteiligung zeigt sich auch daran, dass dringend notwendige inklusionspolitische Vorhaben von politisch Verantwortlichen oftmals auf die lange Bank geschoben werden. Das gilt auch für diese Legislaturperiode. Damit wird Politik unglaubwürdig und verspielt Vertrauen.“ Vor dem Hintergrund der aktuellen bundespolitischen Entwicklungen fordern die Beauftragten von der neuen Bundesregierung und dem Parlament, dass die inklusionspolitischen Vorhaben aus der 20. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages (insbesondere das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz AGG, das Behindertengleichstellungsgesetz BGG, das Gesetz zur Ausgestaltung der inklusiven Kinder- und Jugendhilfe IKJHG sowie die Reform des Werkstattrechts) besonders prioritär umgesetzt werden. Ob einzelne Reformen, für die beispielsweise wie beim Behindertengleichstellungsgesetz bereits fertige Entwürfe vorliegen von den Fraktionen im Bundestag noch aufgegriffen und verabschiedet werden, das vermochte Jürgen Dusel nicht einzuschätzen. Er baut aber darauf, dass die wichtigen Themen fraktionsübergreifend angegangen und konsequent vorangetrieben werden, dazu gehöre vor allem auch die längst überfällige Verpflichtung privater Anbieter von Dienstleistungen und Produkten zur Barrierefreiheit.

Um die gebotene Transformation mit Nachdruck und im Sinne des verfassungs- und menschenrechtlichen Auftrags zu gestalten, hat die Konferenz konkrete Forderungen an Bund, Länder und Kommunen adressiert. Diese Forderungen sind im „Bremer Appell“, der zum Abschluss der Konferenz verabschiedet wurde, zusammengefasst.

Link zum Bremer Appell und zu weiteren Informationen

In Ihrem Beitrag im Rahmen der Konferenz der Beauftragten würdigte Prof. Dr. Theresia Degener den Erfolg der Behindertenrechtsbewegung vor 30 Jahren mit der Aufnahme von Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 in das Grundgesetz. Es wurde das besondere Diskriminierungsverbot: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ Teil der Verfassung. Hierbei handelt es sich zum einen um ein subjektives Abwehr- und Teilhaberecht für behinderte Menschen, zum anderen ist es aber auch Ausdruck einer objektiven Werteentscheidung, aus der sich auch Handlungs- und Schutzpflichten des Staates ableiten lassen.

Daneben machte Prof. Dr. Degener aber auch den für Deutschland in den Staatenprüfungen im Jahr 2018 und 2023 durch den UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen festgestellten dringenden Handlungsbedarf, unter anderem bei Diskriminierungen durch Institutionalisierung und Sonderstrukturen, deutlich. Sie forderte, das Potential von Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 Grundgesetz für eine Transformation in eine inklusive Gesellschaft endlich auszuschöpfen und damit dieser besonderen Grundrechtsnorm die ihr gebührende Bedeutung zu verleihen.

Lesermeinungen

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Uwe Heineker
15.11.2024 21:31

Gesellschaft und Politik sind nun gleichermaßen dazu aufgerufen: sich den Herausforderungen der BEGEGNUNGEN mit Menschen mit Behinderung zu stellen – das UNO-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderung umsetzen anstatt es zu ignorieren. Kurzum: INKLUSION WAGEN UND ZUSAMMEN ERLEBEN!