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10 Jahre Archiv der behindertenpolitischen Selbsthilfe

Protestzug bei der Eröffnung des UNO-Jahres in der Dortmunder Westfalenhalle am 24.1.1981
Protestzug bei der Eröffnung des UNO-Jahres in der Dortmunder Westfalenhalle am 24.1.1981
Foto: Ernst Herb

Dortmund (kobinet) Ohne den Aktivisten und Vordenker einer neuen auf Selbstbestimmung ausgerichteten Behindertenbewegung Gusti Steiner (1938-2004) gäbe es das Archiv der behindertenpolitischen Selbsthilfe nicht. Die Sichtung seiner beim Verein MOBILE - Selbstbestimmtes Leben Behinderter gelagerten umfangreichen Sammlungen ließen nur den Schluss zu, dass diese Materialien der Nachwelt erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden müssen, weil sie einen einzigartigen Zugang zur Geschichte der emanzipatorischen Behindertenbewegung seit den frühen 1970er Jahren bieten. Sie bilden heute den Nachlass Gusti Steiner im Archiv der behindertenpolitischen Selbsthilfe. Es folgte die Sichtung und Verzeichnung weiterer Sammlungen von Behindertenaktivist*innen und emanzipatorischen Behindertengruppen. Der Verein MOBILE wird dieses Jahr 40 und das von ihm verantwortete Archiv der behindertenpolitischen Selbsthilfe schon 10 Jahre alt, wie Dr. Birgit Rothenberg den kobinet-nachrichten mitteilte.



Im Archiv der behindertenpolitischen Selbsthilfe gibt es Personenbestände wie zum Beispiel die Nachlässe von Gusti Steiner, Rolf Steltzer und Volker van der Locht. Daneben sind Gruppenbestände u. a. zur Dortmunder Selbsthilfe (DSH) und zu ihrem Kampf gegen Heime und Abschiebeeinrichtungen oder zum Anti-Euthanasieforum Rhein/Ruhr aufgenommen worden, das sich 1989 im Zusammenhang mit dem geplanten Auftritt des australischen Bioethikers Peter Singer an der Uni Dortmund unter starker Beteiligung von Behindertenaktivist*innen gründete. Singer war für das Anti-Euthanasie-Forum Ausdruck eines Zeitgeistes, der das Lebensrecht Behinderter grundsätzlich in Frage stellte (s. a. https://kobinet-nachrichten.org/2015/05/20/wieder-peter-singer/).

Über die vorhandenen Quellen in den verschiedenen Beständen und Nachlässen kann man sich in Findbüchern informieren (https://www.archive.nrw.de/archiv-der-behindertenpolitischen-selbsthilfe-mobile-selbstbestimmtes-leben-behinderter-ev.)

Grundlegend ist dabei, dass man zu bestimmten Themen Materialien in unterschiedlichen Beständen finden kann. Zum Beispiel gibt es Materialien über den Kampf für einen barrierefreien ÖPNV („Bus und Bahn für Alle“) seit den 1970er Jahren in den Nachlässen von Gusti Steiner und Rolf Steltzer, im Sonderbestand Horst Frehe, im Bestand zu den studentischen Interessengemeinschaften und zum Aktionskreis „Der behinderte Mensch in Dortmund.“

Das Archiv der behindertenpolitischen Selbsthilfe besitzt viele unveröffentlichte Quellen zur Geschichte der emanzipatorischen Behindertenbewegung. Das sind Protokolle von Behindertentreffen, Vorbereitungsnotizen von Aktionen (oft handschriftlich), Flugblätter, Plakate, Aufkleber. Das ist eine wichtige Komponente für das „Gedächtnis der Behindertenbewegung“ und ergänzt die Materialien vom archiv.behindertenbewegung.org, das in erster Linie veröffentlichtes Material wie Zeitschriften oder Bücher aus der Bewegung digital zur Verfügung stellt. Unser Material muss man sich „vor Ort“ bei uns ansehen, was eine spätere Digitalisierung nicht ausschließt, heißt es in einer Presseinformation des Archivs.

Sehr wichtig ist auch der Bestand zu Examensarbeiten/wissenschaftlichen Arbeiten von Behindertenaktivist*innen. Viele von ihnen haben sich schon in den 1970er und 1980er Jahren, also lange vor der Etablierung der Disability Studies, kritisch mit dem Thema Behinderung auseinandergesetzt. Diesen Bestand würde das Archiv gerne um Studien- und Abschlussarbeiten erweitern, denn sie sind wertvolle Quellen zum Thema Behinderung aus Betroffensicht. Wer noch Materialien aus Behinderteninitiativen oder Examensarbeiten zum Thema Behinderung habt, kann gerne Kontakt zum Archiv aufnehmen.

Archiv der behindertenpolitischen Selbsthilfe, Dr. Birgit Rothenberg, Wolfgang Wilkop, Märkische Straße 239a, 44141 Dortmund, Telefonnummer: 0231/53211406, E-Mail [email protected] – Öffnungszeiten: Besuchstermine nach Vereinbarung