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Inklusion auf dem Arbeitsmarkt scheitert an Einstellungspolitik der Unternehmen

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Foto: Aktion Mensch

Bonn (kobinet) Die Folgen der Pandemie sind für Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt noch immer spürbar: Zwar sinken die Arbeitslosenzahlen nach Jahren der Krise wieder, gleichzeitig verschärft sich jedoch die Langzeitarbeitslosigkeit. Nahezu die Hälfte aller arbeitslosen Menschen mit Behinderung ist mindestens ein Jahr ohne Beschäftigung – ein Plus von über fünf Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr. Erholung und Fortschritt der Inklusion auf dem Arbeitsmarkt scheitern dabei insbesondere an der Beschäftigungsbereitschaft der Unternehmen. Zu diesem Ergebnis kommt das Inklusionsbarometer Arbeit der Aktion Mensch und des Handelsblatt Research Institutes, das in diesem Jahr zum zehnten Mal erscheint.

Ausgleichsabgabe statt Beschäftigung – Mehrheit der Unternehmen kauft sich frei

Etwa 173.000 Unternehmen in Deutschland sind gesetzlich dazu aufgefordert, mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze an Menschen mit Behinderung zu vergeben. Während lediglich rund 40 Prozent dieser Unternehmen alle Pflichtarbeitsplätze besetzen, beschäftigen fast 26 Prozent keinerlei Arbeitnehmer*innen mit Behinderung – sie entziehen sich gänzlich ihrer Verpflichtung und zahlen stattdessen die volle Höhe der sogenannten Ausgleichsabgabe.

Die derzeitige Einstellungspolitik ist umso kritischer vor dem Hintergrund der positiven Erfahrungen von Unternehmen zu bewerten, die Menschen mit Behinderung beschäftigen: 80 Prozent geben laut einer repräsentativen Befragung im Rahmen der Studie an, keine Leistungsunterschiede zwischen Kolleg*innen mit und ohne Behinderung wahrzunehmen. „Die Entwicklung der Inklusion auf dem Arbeitsmarkt hängt entscheidend von der Beschäftigungsbereitschaft der Unternehmen ab. Doch trotz zunehmender Personalengpässe ignorieren viele das Potenzial von Arbeitnehmer*innen mit Behinderung“, so Prof. Dr. Bert Rürup, Präsident des Handelsblatt Research Institutes.

Gespaltene Situation: Stabile Arbeitsverhältnisse versus Langzeitarbeitslosigkeit

Einmal auf dem Arbeitsmarkt angekommen, bewertet das Gros der Angestellten mit Behinderung den Einsatz ihrer Fähigkeiten als adäquat: 89 Prozent bestätigen, dass sie ihren beruflichen Qualifikationen entsprechend eingesetzt werden. Gleichzeitig erweisen sich bestehende Arbeitsverhältnisse als stabil – im Jahr 2021 gab es mit 19.746 so wenig Anträge auf Kündigung von Menschen mit Behinderung wie noch nie seit Erscheinen des ersten Inklusionsbarometers.

Sind Menschen mit Behinderung dagegen arbeitslos, zeigt sich ein anderes Bild: Im vergangenen Jahr gelang lediglich drei Prozent die Rückkehr in den Arbeitsmarkt, während es bei Menschen ohne Behinderung sieben Prozent waren. Arbeitslose ohne Behinderung haben folglich eine mehr als doppelt so hohe Chance, eine Anstellung zu finden als Arbeitslose mit Behinderung. Dies verstärkt weiterhin die Gefahr der Langzeitarbeitslosigkeit: Mehr als 80.000 potenzielle Arbeitnehmer*innen – und damit rund 47 Prozent aller arbeitslosen Menschen mit Behinderung – sind mindestens ein Jahr ohne Beschäftigung.

„Der in ganz Deutschland erneut gestiegene Anteil an langzeitarbeitslosen Menschen mit Behinderung ist alarmierend – dieser Missstand verfestigt sich mehr und mehr. Ohne eine drastische Verstärkung der Inklusionsbemühungen wird die Ungleichheit auf dem Arbeitsmarkt in den kommenden Jahren kaum aufzuheben sein“, mahnt Christina Marx, Sprecherin der Aktion Mensch.

Weitere Informationen gibt’s unter unter www.aktion-mensch.de/inklusionsbarometer