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Trauer um Lars Bruhn

Lars Bruhn
Lars Bruhn
Foto: privat

Bochum/Hamburg (kobinet) "Sehr erschüttert mussten wir erfahren, dass Lars Bruhn am 2. Dezember 2021 im Alter von nur 50 Jahren von uns gegangen ist. Sein Name ist eng mit ZeDiS verbunden, dem Zentrum für Disability Studies. Im Jahr 2005 gründete er gemeinsam mit seinem langjährigen Freund aus Studientagen Jürgen Homann und Prof. Dr. Gerlinde Renzelberg das ZeDiS an der Universität Hamburg, ehe es sich 2014 als ZeDiSplus der Evangelischen Hochschule Hamburg für Soziale Arbeit und & Diakonie anschloss", so heißt es in einem Nachruf von Gudrun Kellermann, Mitarbeiterin im Bochumer Zentrum für Disability Studies und ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiterin im ZeDiS Hamburg von 2009-2013.

Und weiter heißt es im Nachruf von Gudrun Kellermann:

„ZeDiS war eine Revolution und wohl die ‚lauteste‘ Institution in Deutschland, die die Verbreitung der Disability Studies vorantrieb. Es machte sich vor allem durch seine öffentlich zugänglichen barrierearmen Ringvorlesungen einen Namen, aus denen zahlreiche Vortragstexte und Publikationen hervorgingen. Nach dem Vorbild von ZeDiS entwickelten sich ähnliche wissenschaftliche Institutionen in Deutschland mit unterschiedlichen Schwerpunkten, darunter BODYS, das Bochumer Zentrum für Disability Studies.

Gemeinsam mit seinem Team, das von Beginn an aus fast ausschließlich Menschen mit eigenen Behinderungserfahrungen besteht, leistete Lars Bruhn einen bedeutsamen Beitrag zum Empowerment der modernen Behindertenbewegung. In die Veranstaltungen von ZeDiS werden seit jeher bevorzugt von Behinderung betroffene Menschen aus den Wissenschaften und aus aktivistischen Bewegungen als Referierende eingeladen, aber auch nichtbetroffene Menschen aus unterschiedlichen Fachdisziplinen. Bis zuletzt attackierte Lars Bruhn den von Barrieren und Paternalismus geprägten wissenschaftlichen Betrieb und prangerte die fehlende Selbstbestimmung behinderter Menschen in sämtlichen Lebensbereichen an.

Lars Bruhn studierte Schwerhörigen- und Gehörlosenpädagogik, Geschichtswissenschaften und evangelische Theologie, nach seinem Studium engagierte er sich in der Arbeitsgemeinschaft Disability Studies, wurde 2005 wissenschaftlicher Mitarbeiter im ZeDiS und 2010 war er Gründungs- und Vorstandsmitglied des Vereins Disability Studies Deutschland e.V. Er veröffentlichte zahlreiche Fachbeiträge, die von hoher Wissenschaftlichkeit geprägt sind, setzte sich als spätertaubter Mensch auch kritisch mit den Deaf Studies auseinander und übte scharf und scharfsinnig Kritik an der Behindertenhilfe, der Sonderpädagogik und entsprechenden Arbeitsfeldern. Voraussichtlich im kommenden Jahr erscheinen zwei Buchtitel von Lars Bruhn als Mit-Herausgeber: ‚Disability Studies und Soziale Arbeit‘ und ‚Religionen inklusiv. Zur Dekonstruktion (nicht-)behinderter Körper‘. Eines seiner wichtigsten Werke ist das im Jahr 2018 erschienene Buch ‚Inklusiver Arbeitsmarkt – zwischen menschenrechtlichem Anspruch und vielfältigen Barrieren. Ein Arbeitsmarkt für Alle‘, das auch Texte in Leichter und einfacher Sprache enthält.

Lars war ein stiller Revolutionär, Pragmatiker und zeichnete sich durch stoische Ruhe, Gelassenheit und Klarheit aus. Zugleich war er ein sehr feinfühliger und empathischer Mensch, der das konstruktive Gespräch bevorzugte, aber auch messerscharf argumentieren konnte – vor allem wenn es um Selbstbestimmung, Barrierefreiheit und die Missstände bei der Umsetzung von Inklusion ging. Unvergesslich bleibt sein feiner Humor, durchsetzt mit einer Spur von Sarkasmus. Lars liebte das Leben, war ein ‚Arbeitstier‘ und ein Familienmensch. Er war glücklicher Familienvater und zuletzt stolzer Opa eines fünfjährigen Enkelkindes. BODYS trauert mit der Familie um Lars Bruhn. Er fehlt sehr und wird in und durch seine Werke weiterleben.“

Link zur Biographie und Publikationen von Lars Bruhn: https://www.zedis-ev-hochschule-hh.de/ueber-uns/personal/lars-bruhn.html

Downloadseite zu Vortragstexten aus den Veranstaltungen von ZeDiS Hamburg: https://www.zedis-ev-hochschule-hh.de/downloads/index.html