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Paukenschlag zum Auftakt des Superwahljahres

Ottmar Miles-Paul
Ottmar Miles-Paul
Foto: Franziska Vu - ISL

Stuttgart/Mainz (kobinet) Die Tatsache, dass die Ministerpräsident*innen von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz bei den gestrigen Landtagswahlen bestätigt bzw. gestärkt wurden, scheint auf den ersten Blick aufgrund deren Beliebtheit als nichts Besonderes. Dennoch waren die ersten Wahlen des Superwahljahres 2021 im Hinblick auf die großen Verluste der CDU ein Paukenschlag, der bei einigen Akteur*innen Hoffnungen auf eine Mehrheit im Bundestag ohne der seit 2005 durchgängigen Beteiligung der CDU/CSU aufkommen lassen. Zudem war vor einigen Wochen aufgrund der hohen während der Corona-Pandemie entstandenen Umfragewerte für die Union von einem solch deutlichen Sieg der Grünen in Bedan-Württemberg und der SPD in Rheinland-Pfalz nicht auszugehen.

Kommentar von kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul

In Baden-Württemberg kann sich Winfried Kretschmann nun aussuchen, ob er weiter mit einer noch mehr angeschlagenen CDU oder mit einer Koalition aus Grünen, SPD und FDP im Ländle weiterregieren will. Die Grünen konnten nach ihrem guten Ergebnis von 2016 mit einem Zugewinn von weiteren 2,3 Prozent ausbauen. In Rheinland-Pfalz waren die Verluste für Ministerpräsidentin Malu Dreyer mit 0,5 Prozent minimal. Hier dürfte eine Weiterführung der Koalition mit den Grünen und der FDP wahrscheinlich sein, allerdings mit etwas veränderten Vorzeichen, durch mit einem Zugewinn von 4,0 Prozent erstarkte Grüne. Positiv zu bewerten ist in beiden Bundesländern, dass die AfD kräftige Verluste hinnehmen mussten und einstellig blieben. Für die FDP zeigt sich ein gemischtes Bild nach den Landtagswahlen. In Baden-Württemberg konnten sie um 2,2 Prozent zulegen und ein mit 10,5 Prozent ein zweistelliges Ergebnis erreichen, während es in Rheinland-Pfalz Verluste für die Freidemokraten von 0,7 Prozent gab, so dass sie hier nur noch 5,5 Prozent der Stimmen bakamen. Die LINKE schaffte in beiden Bundesländern nicht den Einzug in die Länderparlamente. In Rheinland-Pfalz werden nun aber die Freien Wähler mit im Landtag vertreten sein.

Spannend dürfte die Frage sein, ob Stephanie Aeffner weiterhin Behindertenbeauftragte von Baden-Württemberg bleibt und Matthias Rösch in Rheinland-Pfalz sein Amt als Landesbehindertenbeauftragter weiterhin ausüben kann. Die politschen Konstellationen stehen hierfür auf jeden Fall gut. Bei der Kommunalwahl in Hessen verzeichneten die Grünen zum Teil kräftige Zugewinne, so dass sie bei den derzeitigen Ergebnissen in Kassel und Frankfurt beispielsweise stärkste Kraft wären. Eine Reihe von behinderten Kandidat*innen aus verschiedenen Parteien muss wahrscheinlich noch bis Mittwoch bibbern, ob sie den Einzug in die Kommunalparlamente geschafft haben, weil hier die Auszählung der Stimmen wegen des Kummulierens und Panaschierens länger dauert.

Behindertenpolitisch dürften die nächsten Monate und vor allem die Bundestagswahl spannend werden, denn die Optionen für andere Regierungsmehrheiten und damit vielleicht auch für eine engagiertere Behindertenpolitik sind durch diesen Paukenschlag zum Auftakt des Superwahljahres offener geworden. Die einzelnen Bundestagsfraktionen haben in den nächsten Wochen also noch Zeit, durch konkrete Gesetzesbeschlüsse zur Behindertenpolitik um die Stimmen behinderter Menschen und ihrer Angehörigen für die nächste Bundestagswahl zu werben. Die Verabschiedung eines guten Barrierefreiheitsrechts, die gesetzliche Verankerung der Assistenz im Krankenhaus und die Verdoppelung der Ausgleichsabgabe für beschäftigungspflichtige Betriebe, die keinen einzigen behinderten Menschen beschäftigen, wären die beste Wahlwerbung für die verschiedenen Parteien in Sachen Behindertenpolitik.