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Foto: Birger Höhn
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Foto: Birger Höhn
DRESDEN (KOBINET) Birger Höhn ist einer von 100 Inklusionsbotschafter*innen, die sich im Rahmen eines von der Aktion Mensch geförderten und von der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) durchgeführten Modellprojektes für die Inklusion stark machen. In den letzten Jahren hat er dabei nicht nur viel in seinem eigenen Leben verändert, sondern behindertenpolitisch so einiges angeschoben. kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul sprach mit dem "roten Mann mit rotem Schal", wie Birger Höhn sein neues Bild selbst beschreibt, darüber, was er so alles macht und was er noch vor hat.
kobinet-nachrichten: In Ihrem Wirken als Inklusionsbotschafter hatten Sie sich unter anderem vorgenommen, Ihre Geschichte in Form eines Buches aufzuschreiben. Wie hat sich dieses Ziel entwickelt und gibt es da etwas aktuelles?
Birger Höhn: Dieses Ziel hat sich sehr erfreulich entwickelt. Aktuell ist es so, dass die erste Auflage von 300 Stück fast aufgebraucht ist, bzw. sich dem Ende entgegenneigt, und wir gerade über eine zweite Auflage verhandeln. Ich habe mein Buch in Lesungen in Dresden verkauft, aber auch bei Lesungen in Pirna, beim Sommercamp der Inklusionsbotschafter*innen in Duderstadt, im Erzgebirge, in Dortmund und zuletzt bei Lesungen in der Hochschule Hannover. Es sind weiterhin verschiedene Lesungen in Dresden und Chemnitz – organisiert durch die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung – geplant, darüber hinaus in Rostock am 5. März. Gegebenenfalls findet über den AStA der Uni Saarland auch eine Lesung in Saarbrücken statt. Das steht aber noch in den Sternen und muss noch genauer geplant werden. Der Bücherversand erfolgte national und international (Österreich). Für die zweite Auflage soll das Buch auch in einigen kleineren Buchhandlungen in Dresden und Umland verkauft werden. Sehr bewegt haben mich die zum großen Teil bewegenden Einführungsworte der Veranstalter, bei denen ich lesen durfte. Eine ganz besondere Veranstaltung war dabei für mich die Lesung mit der Bundestagsabgeordneten Katja Kipping.
kobinet-nachrichten: Ihr Herz schlägt links und Sie haben begonnen, sich bei den Linken zu engagieren. Wo sind Sie da genau aktiv und was konnten Sie schon bewegen, bzw. möchten Sie noch bewegen?
Birger Höhn: Ich bin Mitglied im Dresdner Stadtverband der Linken, demzufolge natürlich auch Mitglied des Landesverbandes und der Bundespartei. Im Dresdner Stadtverband bin ich seit Ende 2017 Mitglied des Stadtvorstandes, wo ich in den inhaltlichen Debatten auch immer wieder bei passender Gelegenheit behindertenpolitische Belange vertrete. Gleichzeitig habe ich im Herbst 2015 eine eigene AG Inklusion im Stadtverband ins Leben gerufen, die sich seitdem regelmäßig einmal im Monat trifft und bei diversen Anlässen aktiv ist.
Gerade im letzten Jahr hat sich im Landesverband der Linken behindertenpolitisch sehr viel positives getan. So haben wir mit Kathleen Noack seit Mitte Mai erstmalig eine eigene Landesinklusionsbeauftragte, die eine sehr engagierte Arbeit macht und mit der ich, ebenso wie mit unserem Landesvorstand und mit der Geschäftsstelle in diesen Fragen sehr gut zusammenarbeite. Der parteinahe Jugendverband Linksjugend solid wird in diesem Jahr eine eigene Inklusionsbeauftragte bekommen. Ausserdem spielt das Thema in den Wahlprogrammen, die derzeit erstellt werden, eine wichtige Rolle. Auf Bundesebene bin ich aktives Mitglied der BAG Selbstbestimmte Behindertenpolitik der LINKEN. Mit der Dresdner Bundestagsabgeordneten und Parteichefin Katja Kipping gibt es einen sehr guten Kontakt und sie unterstützt mich in diverser Weise.
kobinet-nachrichten: „Behinderte in die Parlamente“ lautet ein Slogan, den die Behindertenbewegung in den 90er Jahren geprägt hat. Was ist Ihrer Meinung nach nötig, damit es gelingt, dass wirklich mehr behinderte Menschen in den Parteien und Parlamenten aktiv und vertreten sind?
Birger Höhn: Es braucht in den Parteien Menschen, die offen sind für die Belange behinderter Menschen. Das schließt zum Beispiel schon mal die rechtsextremistisch werdende AfD aus. Und behinderte Menschen müssen unterstützt werden, wenn sie sich in den Parteien engagieren wollen. Diese Unterstützung kann und sollte auf unterschiedliche Art und Weise gelingen, je nach Bedarf individuell verschieden. Menschen mit Behinderungen brauchen in der Politik das Gefühl, dass ihre Anliegen genauso ernst genommen werden, wie alle anderen auch. Parteien haben allerdings, außerhalb von Wahlkämpfen usw., kaum die Möglichkeit, mit behinderten Menschen zusammen zu kommen. Eine Ursache hierfür sehe ich in dem System von Förderschulen, Werkstätten und Wohnheimen. Denn viele Werkstättengänger werden nach dem Werkstattbesuch wieder ins Wohnheim gekarrt und umgekehrt. Dadurch ist eine Kontaktaufnahme wenig bis gar nicht möglich. Das muss auf jeden Fall geändert werden!
kobinet-nachrichten: Ein weiteres Ziel Ihres Wirkens als Inklusionsbotschafter war, aus der Werkstatt für behinderte Menschen rauszukommen und eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu bekommen. Auch hier hat sich einiges getan mit Ihrer Tätigkeit bei der Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatungsstelle (EUTB) in Dresden. Wie kam es dazu und was hatten Sie vorher versucht?
Birger Höhn: Ich habe seit 2003 in drei verschiedenen Behindertenwerkstätten mit unterschiedlichem Profil gearbeitet. Dabei wurden etliche Praktika in verschiedenen Branchen absolviert. So war ich im Einzelhandel, im Kfz-Betrieb im Büro, in der Gastronomie, bei örtlichen Stadtwerken, sowie hier in Sachsen in der hiesigen Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, bei Abgeordneten der Landtagsfraktion von DIE LINKE im Sächsischen Landtag und bei einer Selbstständigen, die eine soziale Personalvermittlung mit dem Schwerpunkt Vermittlung von Menschen mit Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt hat. Dadurch, dass es hier in Dresden ein sehr gutes Nsstzwerk von behindertenpolitischen Aktiven gibt, war ich sehr gut eingebunden und hatte davon erfahren, dass die Stadt AG aktives Netzwerk für ein inklusives Leben in Dresden e. V. ein Projekt im Rahmen der EUTBs beantragt hat. Ich habe mich dann schriftlich beworben und bin genommen werden. Ich arbeite in der EUTB in einem sehr guten Team aus KollegInnen und fühle mich dort sehr wohl. Früher, als ich in der Werkstatt war, war ich froh, wenn endlich Arbeitsschluss war. Heute rennt die Zeit nur so dahin.
kobinet-nachrichten: Im Raum Dresden sind ja einige Inklusionsbotschafter*innen aktiv. Wie gestaltet sich dort die Vernetzung und welche Ideen haben Sie für die Vernetzung von Aktiven vor Ort?
Birger Höhn: Die Zusammenarbeit läuft sehr gut und sehr eng. Wir treffen uns in regelmässigen Abständen und dazwischen besteht ein ebenso reger E-Mail Austausch. Die Ideen für 2019 befinden sich derzeit im Aufbau. Daher an dieser Stelle nur soviel: Nach den Protesten zum BTHG 2016 ist es ja 2017 und 2018 etwas ruhiger geworden. Ich bzw. wir möchten 2019 daran etwas ändern. Zur Zeit wird an Aktionen gebastelt, die wir 2019 machen könnten.
kobinet-nachrichten: Was steht noch an bei Ihnen? Haben Sie schon Pläne für 2019?
Birger Höhn: Ohja… Neben meiner beruflichen Tätigkeit als EUTB-Berater beteilige ich mich zur Zeit am Projekt der AWO Gedenkstätte Pirna Sonnenstein, die Menschen mit Behinderungen / Peer-Berater für die Führung in Leichter Sprache in der NS-Eutanasie-Gedenkstätte ausbilden will. Gerade in Zeiten des stark aufkeimenden Rechtspopulismus ein sehr, sehr wichtiges Projekt!
Desweiteren möchte ich unbedingt die politische Selbstvertretung von Menschen mit autistischen Behinderungen nach US-Vorbild stärken, zusammen mit einem Unterstützerteam. In den USA läuft das, dank ASAN (steht für: Autistic Self Advocacy Network) sehr viel besser und wir wollen eine solche Organisation, bislang unter dem Arbeitstitel ASAN Germany – auch langfristig in Deutschland etabliert sehen. Da ist Deutschland Entwicklungsland!
Und zum dritten schreibe ich zur Zeit an meinem ersten Roman. Es wird ein Roman zu den Themen Inklusion, Werkstätten/1. Arbeitsmarkt, Soziales, Flüchtlinge/Migration und Rechtsextremismus. Ein spannender Themenzusammenschnitt also. Das für mich spannendste daran ist, dass es gegenüber meiner Biografie kein fertiger Stoff ist, sondern sich die Ideen beim Schreiben entwickeln.
kobinet-nachrichten: Was nervt Sie so richtig?
Birger Höhn: Ich möchte statt „nerven“ lieber sagen, was meine grösste Sorge bzw. Angst ist. Eine Angst, die ich mit vielen Menschen mit Behinderungen, aber auch mit Nichtbetroffenen teile. Ich lebe in Sachsen und hier in Dresden. Dresden hat wie ich bereits schrieb ein sehr tolles inklusionsaktives Netzwerk. Aber Sachsen und damit auch Dresden hat ein ganz massives Problem mit dem Rechtsextremismus. Aktive, die sich dem entgegenstellen, werden nicht gerade gefördert, ganz im Gegenteil: Seit 2014 marschiert die fremdenfeindliche PEGIDA jeden Montag durch Teile der Stadt und verbreitet Angst und Schrecken. In Sachsen war die rechtsextremistische AfD bei der Bundestagswahl knapp stärkste Kraft. Wir haben dieses Jahr Superwahljahr in Sachsen und besonders bei der Landtagswahl, ausgerechnet am 1. September 2019, wo sich die „Eutanasie-Verordnung“ vom 1.09.1939 zum 80. Mal jährt, könnte die AfD stärkste politische Kraft in Sachsen werden. Ich, und viele meiner InklusionsbotschafterkollegInnen, werden alles, aber auch wirklich alles tun, um dies zu verhindern!
kobinet-nachrichten: Und worüber freuen Sie sich, bzw. welche Wünsche sind bei Ihnen noch offen?
Birger Höhn: Ich freue mich riesig über die vielfältige Unterstützung, die ich innerhalb wie außerhalb der Partei erfahren habe. Daraus sind viele neue Freundschaften entstanden, die ich auf keinen Fall missen möchte und weiter intensivieren sowie festigen werde. Mein grösster Wunsch, wie der aller EUTB-BeraterInnen denke ich ist es, dass die EUTBs auch über den 31.12.2020 weiter bewilligt und besser von der Politik unterstützt sowie gefördert werden.
kobinet-nachrichten: Vielen Dank für das Interview.
Birger Höhn: Sehr gern. Vielen Dank auch meinerseits.