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Willkür trotz Bundesteilhabegesetz

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HOLLENBACH (KOBINET) Wie die kobinet-nachrichten berichteten, hat das Sozialgericht Mannheim ein sehr interessantes Urteil gefällt. Es interpretiert den § 87 SGB XII, der den Einsatz des Einkommens über der Einkommensgrenze regelt. Der Gesetzgeber gibt die Kriterien vor, bleibt ansonsten im Ungefähren.

Das Urteil beschäftigt sich im Wesentlichen mit zwei Sätzen:

1.) Bei der Prüfung, welcher Umfang angemessen ist, sind insbesondere die Art des Bedarfs, die Art oder Schwere der Behinderung oder der Pflegebedürftigkeit, die Dauer und Höhe der erforderlichen Aufwendungen sowie besondere Belastungen der nachfragenden Person und ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen zu berücksichtigen.
2.) Bei Pflegebedürftigen der Pflegegrade 4 und 5 und blinden Menschen nach § 72 ist ein Einsatz des Einkommens über der Einkommensgrenze in Höhe von mindestens 60 vom Hundert nicht zuzumuten.

Im Folgenden geht es stets um das „übersteigende Einkommen“. Dieses errechnet sich grob aus Einkommen abzüglich des doppelten Eckregelsatzes, Kosten der Unterkunft und noch ein paar kleinere Positionen wie z.B. Versicherungen. Selbst hier gab es Eingriffe dieses Gesetzgebers: In einer fast konspirativ anmutenden Aktion hat die Bundesregierung entgegen eindeutiger Festlegung des Bundessozialgerichtes 2015 die Berücksichtigung der Heizkosten bei er Berechnung des übersteigenden Einkommens herausgenommen. Was ist das für eine Systematik, die Wasserkosten berücksichtigt, Heizkosten dagegen nicht mehr. Es bedarf keiner großen Phantasie zur Feststellung, dass hier einfach ein Einsparungsposten gesucht wurde.

Der zweite Satz dagegen wird von vielen davon betroffenen Menschen als Willkür empfunden: Menschen mit Pflegegrad 4 oder 5 (bis Ende 2016 Pflegestufe 3) dürfen mindestens 60 Prozent des übersteigenden Einkommens behalten, also müssen sich höchstens 40 % als Eigenanteil anrechnen lassen. Dieser Satz lässt sich durch die Regelung in Satz 1 noch deutlich reduzieren, oft auf Null!

Bei allen anderen behinderten Menschen gibt es keinen anrechnungsfreien Sockelbetrag. Eine Minute weniger Hilfebedarf im letzten Jahr kann also monatlich viele hundert Euros kosten. Sie müssen von Null aufbauend anhand der Kriterien in Satz 1 ihren freien Einkommensanteil erkämpfen. Das Gericht orientierte sich zudem alleine an den Sozialhilferichtlinien Baden-Württembergs. Andere Länder haben sicherlich andere Kriterien.

Der Willkür Einhalt gebieten!

Ein Kommentar von kobinet-Redakteur Gerhard Bartz

Wer sich das Urteil des SG Mannheim anschaut, kann sicherlich nachvollziehen, dass mit der Einkommensanrechnung Heerscharen von steuerfinanzierten Staatsbediensteten Beschäftigung gefunden haben. Da die meisten Kriterien auch noch Ermessensspielräume bieten, liegen streitige Auseinandersetzungen auf der Hand. Mit Gerechtigkeit hat das alles nichts zu tun. Zudem ist Einkommenseinsatz verfassungswidrig und verstößt gegen die Behindertenrechtskonvention. Solange der Gesetzgeber sich dieser Einsicht verweigert, sind Streitigkeiten vorprogrammiert. Jeder Sachbearbeiter urteilt anders als sein Kollege, jedes Sozialamt anders als andere Sozialämter und jedes Bundesland hat sich eigene Regelungen gegeben. Diese aufwändigen Berechnungen kosten den Staat viel Geld und bringen nur Minimalbeiträge zurück. Nach Berechnungen von ForseA e.V. und Nitsa e.V. wurden seit dem 1.12.2011 über 2,5 Milliarden für diese Berechnungen zum Fenster hinausgeworfen. Da hier keine Erträge zu erzielen sind, warum besteht der Gesetzgeber dann so vehement auf die Einkommensanrechnung? Spontan fällt mir hierzu nur ein, dass er behinderte Bürgerinnen und Bürger abschrecken will, ihre Rechte in Anspruch zu nehmen. Dass er dafür deren Verfassungsrechte bricht, interessiert wohl weder Regierung, Bundestag, Bundesrat, auch nicht den Bundespräsidenten. Denn wie sonst hätte das Bundesteilhabegesetz in Kraft treten können? Die Einkommensanrechnung unter diesen willkürlichen Vorgaben und Beurteilungsmöglichkeiten wird den hilfesuchenden Menschen nicht gerecht!

Wer immer nach Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft sucht, kann sich das Bundesteilhabegesetz vornehmen. Behinderte Menschen empfinden dieses als Versuch, sie um die Fortschritte durch die Behindertenrechtskonvention zu betrügen. Sie werden es sich nicht nehmen lassen, dies im Bundestagswahlkampf zu thematisieren und die Schuldigen zu benennen.