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Gewalthilfegesetz auf der Zielgeraden

Martina Puschke
Martina Puschke 2022
Foto: Weibernetz

Kassel (kobinet) In den Abendstunden des 31. Januar 2025 hat eine Mehrheit im Bundestag in einer seiner letzten Sitzungstage das Gewalthilfegesetz verabschiedet. Damit endete dieser denkwürdige Sitzungstag doch noch mit einem guten Beschluss. kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul sprach mit Martina Puschke von der Politischen Interessenvertretung behinderter Frauen im Weibernetz über den Erfolg des Gesetzes, der jetzt allerdings auch noch eine Zustimmung im Bundesrat benötigt.

kobinet-nachrichten: Martina Puschke, das war sehr knapp für das Gewalthilfegesetz zum Ende der Legislaturperiode, oder?

Martina Puschke: Ja, das war selbst zu Beginn der letzten Woche bei der Ausschussanhörung noch nicht absehbar. Zwar war klar, dass alle demokratischen Fraktionen Verbesserungen im Gewaltschutz befürworten. Aber es gab durchaus Differenzen. In der Nacht zum Mittwoch wurde schließlich ein Kompromiss zwischen Grünen und SPD mit der CDU/CSU gefunden. Dieser hat am Freitag dann die Mehrheit dieser drei Fraktionen mit Stimmen der Linken gefunden. Wir hatten in den letzten Monaten erhebliche Zweifel, ob das noch gelingen kann, auch wenn wir die Hoffnung natürlich nie aufgegeben haben.

kobinet-nachrichten: Herzlichen Glückwunsch! Worin besteht jetzt der Erfolg? Was wird sich konkret verbessern?

Martina Puschke: Danke für den Glückwunsch. Dieser gebührt einer starken Frauenbewegung und starken Bündnissen wie dem Bündnis Istanbul Konvention, in vorderster Linie der Frauenhauskoordinierung und der Zentralen Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser sowie dem Bundesverband der Frauenberatungsstellen und –notrufe. Denn sie streiten seit Jahrzehnten für eine einheitliche Finanzierung der Frauenhäuser und Beratungsstellen. Wir vom Weibernetz haben in den letzten beiden Legislaturperioden für Barrierefreiheit des Hilfesystems geworben, in allen Bündnissen und am Runden Tisch von Bund und Ländern gegen Gewalt an Frauen.

Sie fragen nach dem Erfolg des Gesetzes. Es wird erstmalig einen Rechtsanspruch auf Hilfe und Unterstützung im Frauenhaus und Beratung für Frauen und ihre Kinder nach erlebter geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt geben. Das ist ein echter Meilenstein! Die Hilfe wird kostenfrei für die Nutzerinnen erfolgen. Außerdem müssen die Länder ausreichend Frauenhäuser und Beratungsstellen zur Verfügung stellen unter Berücksichtigung der Barrierefreiheit. An der Finanzierung beteiligt sich erstmals der Bund.

kobinet-nachrichten: Sind Sie zufrieden mit dem Ergebnis nach den langen Verhandlungen der letzten 7 Jahre?

Martina Puschke: Der Rechtsanspruch ist ein echter Erfolg und dieser wird auch für Frauen mit Beeinträchtigungen, die Gewalt erlebt haben, Verbesserungen geben. Natürlich hatte ich erwartet, dass es im Gesetz eine Festlegung für Barrierefreiheit im kompletten Frauenhilfesystem geben wird. Es ist jetzt nur eine Soll-Vorschrift. Wir sind in dieser Legislaturperiode jedoch so weit gekommen, wie wir noch nie vorher waren und es ist real zu befürchten, dass wir in der nächsten Regierungsrunde nicht mehr bekommen hätten.

Wir sehen derzeit, dass Barrierefreiheit beim Neu- und Umbau von Frauenhäusern und Beratungsstellen einen hohen Stellenwert hat. Das gilt insbesondere, wenn sich der Bund an der Finanzierung beteiligt. Das zeigen die aktuellen Ergebnisse des Bundesinvestitionsprogramms „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“, welches ebenfalls am oben genannten Runden Tisch gegen Gewalt an Frauen entwickelt wurde. Von den knapp 70 Vorhaben, die dort finanziert wurden, haben mehr als 40 Frauenhäuser einen Um- oder Neubau für mehr Barrierefreiheit realisiert. Es geht also endlich voran, auch wenn wir natürlich mehr Tempo fordern.

kobinet-nachrichten: Zu Beginn haben Sie von Kompromissen bei der Einigung für das Gesetz gesprochen. Worin bestehen diese?

Martina Puschke: Besonders gravierend ist die neue Zielgruppenbegrenzung auf Frauen. Damit fallen trans, inter und nicht-binäre Personen hinten über, die besonders häufig geschlechtsspezifische Gewalt erleben. Der Schutz für geflüchtete Frauen mit prekärem Aufenthaltsstatus ist bereits im Laufe des Gesetzgebungsverfahren hinten über gekippt. Hier und im Bereich der verpflichtenden Barrierefreiheit bedarf es bereits jetzt dringender Nachbesserungen, denn geschlechtsspezifischer Gewaltschutz ist ein Menschenrecht und damit nicht teilbar. Er muss für alle gelten, wie es die Istanbul Konvention vorsieht.

kobinet-nachrichten: Das Gewalthilfegesetz ist ja bundesratszustimmungspflichtig. Wie geht es jetzt weiter?

Martina Puschke: Am 14. Februar wird im Bundesrat über das Gesetz abgestimmt. Wir fordern alle Länder auf, dem Gewalthilfegesetz ihre Zustimmung zu geben. Es ist überfällig!

kobinet-nachrichten: Vielen Dank für Ihre Einschätzungen und Infos. Ich drücke die Daumen!

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