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Gesetz ohne Durchbruch für echte Barrierefreiheit

Mehrere Paragraphenzeichen auf einem Blatt
Paragraphen zeigen, dass etwas geregelt wird
Foto: Pixabay/geralt

BEERLIN (kobinet) Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) ist also nun in Kraft getreten. Was auf dem Papier nach Fortschritt klingt, bleibt aus Sicht der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) hinter den Erwartungen zurück. Als behindertenpolitische Selbstvertretungsorganisation begrüßt die ISL zwar die grundsätzliche Zielrichtung des Gesetzes – kritisiert aber die vielen Einschränkungen, Übergangsfristen und vor allem das Fehlen einer wirksamen Marktüberwachung.

„Das BFSG ist ein überfälliger Schritt auf dem Weg in eine inklusive Gesellschaft, aber kein großer Wurf“, erklärt Markus Ertl, Beiratssprecher der ISL für Barrierefreiheit. „Menschen mit Behinderungen dürfen nicht länger von Dienstleistungen, Informationen und Produkten ausgeschlossen werden – doch mit einem Gesetz, das nur punktuell wirkt und Ausnahmen zementiert, kommen wir diesem Ziel kaum näher.“

Das BFSG bleibt nach Einschätzung des ISL auf bestimmte Produkt- und Dienstleistungsbereiche beschränkt: Postdienste, Haushaltsgeräte, beruflich genutzte Produkte oder der stationäre Einzelhandel sind nicht erfasst – obwohl sie für eine gleichberechtigte Teilhabe essenziell wären. Die Fristen von bis zu 15 Jahren zeigen nach Meinung des ISL weiter, wie ernst es der Gesetzgeber hinsichtlich der raschen Umsetzung meint. Ein weiterer zentraler Kritikpunkt der ISL ist die Tatsache, dass es bis heute keine flächendeckend funktionierende Marktüberwachung, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben überprüft. „Die Behörden sind weder personell noch strukturell ausreichend ausgestattet. „Ein Gesetz ohne Überwachung ist wie ein Aufzug ohne Strom – theoretisch hilfreich, praktisch wirkungslos“, so Ertl.

„Barrierefreiheit darf nicht länger als technische Zusatzleistung verstanden werden. Es ist deshalb unverzichtbar, bereits bei der Entwicklung von Produkten und Dienst-leistungen, bei der Festlegung von Normen, aber auch bei der Rechtsdurchsetzung durch die Marktüberwachung Menschen mit Behinderungen ausreichend zu beteili-gen“, betont Ertl. „Solange Unternehmen sich herausreden dürfen und der Staat kaum kontrolliert, bleibt Teilhabe ein Versprechen ohne Garantie.“

Die Interessengemeinschaft selbstbestimmt leben fordert deshalb:

  • eine schnelle Erweiterung des Geltungsbereichs auf alle Lebensbereiche, analog zu den Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK),
  • eine funktionierende Marktüberwachung, die auch zivilgesellschaftlich eingebunden ist,
  • ein effektives Verbandsklagerecht, damit Verstöße juristisch verfolgt werden können,
  • eine klare Verzahnung mit dem BGG und AGG, wie auch vom Deutschen Behindertenrat gefordert.

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