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Außerklinische Intensivpflege: ISL begrüßt Versorgungssicherheit – rechtskonforme Lösungen nöitg

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Foto: ISL

Berlin (kobinet) Die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) begrüßt den aktuellen Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), dieser steht jedoch noch nicht im Einklang mit dem geltenden Recht. Der Beschluss verbessert die Versorgung für Menschen, die bereits vor dem 1. Juli 2025 auf außerklinische Intensivpflege nach § 37c SGB V angewiesen waren – also auf medizinisch-pflegerische Unterstützung, zum Beispiel bei Beatmung in der eigenen Wohnung oder in einer Wohngemeinschaft. Der G-BA ist das höchste Gremium im Gesundheitswesen und legt fest, welche Leistungen die Krankenkassen bezahlen. Die bislang geltende Pflicht zur Potenzialerhebung – eingeführt durch das GKV-IPReG (Gesetz zur Stärkung der intensivpflegerischen Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung) und seit dem 31. Oktober 2023 verbindlich in der AKI-Richtlinie geregelt – stellte für viele Betroffene eine erhebliche Belastung dar, sowohl medizinisch als auch psychisch.

Potenzialerhebung bedeutet: eine ärztliche Prüfung, ob eine Entwöhnung von Künstlicher Beatmung oder Trachealkanüle – also einer Kanüle in der Luftröhre – möglich ist. Bisher war jede Verordnung außerklinischer Intensivpflege an eine solche Potenzialerhebung gekoppelt. Mit der jetzt beschlossenen Änderung der AKI-Richtlinie – den Vorgaben des G-BA zur außerklinischen Intensivpflege – wird diese Kopplung für die oben genannte Personengruppen aufgehoben. Die Betroffenen werden dadurch spürbar entlastet. Ihre Versorgung wird endlich an die tatsächlichen Bedingungen vor Ort und die bestehende ärztliche Unterversorgung angepasst. Künftig soll eine Potenzialerhebung nur noch dann erfolgen, wenn ein begründeter Verdacht auf Entwöhnungspotenzial besteht – oder wenn die betroffene Person dies ausdrücklich wünscht.

Für Menschen, die ab dem 1. Juli 2025 erstmals Leistungen der außerklinischen Intensivpflege in Anspruch nehmen, bleibt die verpflichtende Potenzialerhebung zunächst bestehen. Erst wenn innerhalb von zwei Jahren zweimal ärztlich dokumentiert wurde, dass keine Entwöhnung möglich ist, kann auch in diesen Fällen auf eine weitere Potenzialerhebung verzichtet werden.

„Die neue Regelung kann – sofern sie konsequent und richtliniengetreu umgesetzt wird – einen wichtigen Beitrag zur Entlastung dieser besonders vulnerablen Menschen leisten“, betont Thomas Koritz, Co-Geschäftsführer der ISL. „Viele Menschen mit chronisch-fortschreitenden Erkrankungen und Behinderungen erleben die wiederholte Potenzialerhebung als belastend, entwürdigend und medizinisch fragwürdig. Die Regelung greift diese Problematik auf – ob sie sich auch in der Praxis bewährt, bleibt abzuwarten.“

Gleichzeitig macht die ISL deutlich, dass die Ausnahmeregelung nicht mit der geltenden Gesetzeslage in Einklang steht. § 37c Absatz 1 Satz 6 SGB V schreibt die Potenzialerhebung verbindlich vor jeder Verordnung vor, unabhängig vom Versorgungsstatus. Die aktuelle Regelung führt daher zu erheblicher Rechtsunsicherheit und macht Betroffene noch stärker abhängig von uneinheitlichen Einzelfallentscheidungen durch die Krankenkassen.

„Wir verstehen das Anliegen des G-BA, in der Praxis handlungsfähig zu bleiben und eine unbürokratische Umsetzung zu ermöglichen. Aber auch pragmatische Lösungen müssen rechtskonform sein und konsequent umgesetzt werden“, erklärte Thomas Koritz. Die ISL fordert gemeinsam mit anderen Verbänden eine längst überfällige gesetzliche Änderung. Potenzialerhebungen dürften nicht länger verpflichtend an jede Verordnung geknüpft sein, sondern müssen klar und eindeutig auf medizinisch notwendige Fälle begrenzt werden. Der Gesetzgeber sei jetzt in der Verantwortung, die geltende Rechtslage an die AKI-Richtlinie anzupassen – statt weiterhin durch pragmatische Auslegung geltendes Recht zu beugen. Diese Praxis sei unhaltbar und gehe zulasten der Betroffenen.

Der G-BA stellte zudem klar, dass Folgeverordnungen für bis zu zwölf Monate zulässig sind. Die ISL weist jedoch darauf hin, dass diese Regelung in der Praxis häufig unterlaufen wird, insbesondere, weil einzelne Krankenkassen die Richtlinie systematisch unterlaufen, indem sie Verordnungen nur für sechs Monate oder kürzer genehmigen. Das führe zu unnötigen Zusatzbelastungen für die Betroffenen.

Ausführliche Informationen zur außerklinischen Intensivpflege, zur Potenzialerhebung sowie zu den Positionen der ISL finden Sie auf der Projektseite:

www.leben-mit-aki.de

Die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) ist eine menschenrechtsorientierte Selbstvertretungsorganisation und die Dachorganisation der Zentren für Selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen. Sie wurde nach dem Vorbild der US-amerikanischen „Independent Living Movement“ gegründet, um die Selbstbestimmung behinderter Menschen auch in Deutschland durchzusetzen.