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Nichts verschüttet, Dank und Antwort an Riedl

Hans-Willi Weis im Biergarten Bier trinkend
Weis legt ein "Sondervermögen Nachdenken" nach dem anderen auf und trinkt Bier, ohne es zu verschütten.
Foto: Hans-Willi Weis

Staufen (kobinet) Vielen Dank Stephan Riedl. Beachtlich, was Sie kenntnisreich und weit ausholend an Material zusammengetragen haben, um ihre Position darzustellen. So ist ein kontrast- und facettenreiches Bild unserer gegensätzlichen Positionen entstanden, das all denjenigen eine große Hilfe sein dürfte, die bereit sind, sich überhaupt derart ernsthaft und eingehend mit unserer Argumentation zu beschäftigen und auseinanderzusetzen. Und sich ein eigenes Urteil zu bilden.

In aller Kürze (um es auf diesem für ein solch anspruchsvolles Diskursformat nicht gerade geeigneten Medium nicht ausufern zu lassen) noch ein paar Bemerkungen zu einigen ihrer Kontra-Argumente und Thesen. Übrigens der Bezug auf Abraham Maslows „Bedürfnispyramide“, mit diesem Rekurs wecken sie bei mir nostalgische Gefühle an langen zurückliegende Lektüren und früher publizistische Arbeiten. Dass derartige Referenzen über Alterskohorten und Generationsgrenzen hinweg noch möglich sind, wunderbar!

Dass es Berührungspunkte meiner Argumentation mit evangelikalen Kreationisten geben soll, sehe ich nicht und darauf werden Sie auch nicht im Ernst beharren. Dass ich Neitzel und Masala mit der „Spitzhacke“ zu Leibe rücke und dies als radikaler Pazifist, davon kann keine Rede sein. Bei Lektüre und Zitation bin ich ausgesprochen penibel, nichts stört mich mehr als Schludrigkeit. Ich nehme beide intellektuell ernst und karikiere nicht, mache mir keine „Pappkameraden“ zurecht.  Masala, sagen Sie, sei kein „Befürworter von Blutzoll“ ? Wer Krieg, wenn es hart auf hart geht, für notwendig und alternativlos erklärt, kommt am Berappen von Blutzoll nicht vorbei. Dass er ihn sich nicht wünscht, geschenkt. Den Ausdruck „Blutzoll“ bringt er bewusst ins Spiel, um keinen Zweifel an der Art von Opferbereitschaft (auch der Bevölkerung) im Verteidigungsfall aufkommen zu lassen. Bei aller Drastik der Argumentation von Neitzel und Masala sind die beiden für mich aber keine „Monster“. Dass die beiden ihre beabsichtigte Diskreditierung postheroischer Zivilität unter den gegenwärtigen globalpolitischen Bedingungen und darüber hinaus historisch generell für auch moralisch vertretbar und geboten halten, sehe ich sehr wohl.

Ich nehme in dieser Sache jedoch eine radikal andere moralische oder ethische Haltung ein.  Für eine auch verantwortungsethisch nicht vertretbare  Haltung – ich wiederhole mich – erachte ich deren Bereitschaft zum Risiko globaler Vernichtung und Selbstauslöschung der Menschheit im Fall nuklearer Eskalation. Dass Putin diese provoziere, ändert nichts daran, dass sie gemäß der Glaubwürdigkeit von Abschreckung vorhaben, mitzuspielen. Dieses Skandalon der „nichtintendierten Komplizenschaft“ mit dem Gegner oder Aggressor, wie ich es nenne – wenn Putin Krieg will und ihn führt, haben wir keine andere Wahl als auch Krieg zu führen, er bestimmt das Spiel –, ist die entscheidende Herausforderung, an der sich ein radikales Denken (und Intellektuelle sollten radikal, an die Ursache, an die Wurzel gehend, denken) auf keinen Fall beruhigen darf und nach Auswegen suchen muss. Wie aporetisch, weglos, die Situation und ihr Dilemma auch zu sein scheint. An diesem Punkt gilt es (sehr wohl die Waage zwischen Moral und Macht im Auge behalten, wie Sie zurecht verlangen) die Reflexion auf Möglichkeiten bzw. ziviler Verteidigung voranzutreiben und zwar energisch. Schwerpunkt meiner Forderung nach einem „Sondervermögen Nachdenken“.

Ihr „Im Kleinen wie im Großen“ und der Vergleich oder die Parallelisierung ihres sympathischen Bäckermeisters und seiner Betriebsführung mit den Aufgaben einer Staatsführung sowie den auf dieser Ebene im Krisen unter Umständen verhängnisvollen (vgl. Argumentation im Antikriegsessay von Lit.beilage IV). – Gleichfalls weit hergeholt der Vergleich mit dem Kampf der Behindertenbewegung. Bei der es sich schließlich um eine unbewaffnete zivilgesellschaftliche Bürgerrechtsbewegung handelt. Der ich sogar oftmals etwas mehr Militanz wünschte, zu defensiv bis politisch naiv (kennen Sie meine behindertenpolitischen Kolumnen?)

Wirklich ärgerlich für mich ihre undurchdachte Rechtfertigung des Unterrichts an der Waffe an baltischen Schulen. Und auch noch, das meinen Sie doch nicht im Ernst mit dem Hinweis, dass es Putin und die Russen mit der Kinder- und Jugendmilitarisierung noch doller treiben! – Letzte Bemerkung: Ich schätze Sie als klugen Kopf und reflektierten Argumentierer. Präpotente Sprüche wie den folgenden sollten Sie sich verkneifen, steht ihnen meines Erachtens nicht gut zu Gesicht: „Wenn ein kriegsbereiter Staat glaubt, uns kostengünstig unterwerfen zu können, knallt es auch bei uns.“ Ich denke, wir sind uns einig in dem Wunsch, dass es dazu nicht kommen möge und es bei uns in Zukunft höchstens an Silvester knallt mit abnehmender Tendenz.

P.S. Den „Neorömer“ (da hat Riedl einen Punkt) streiche ich. Ich nannte ihn so im Zusammenhang mit „pacem para bellum“, der auf die römische Republik zurückgehenden machtpolitischen Formel. Da sich heute Hinz und Kunz auf dieses Axiom berufen, bleibt kaum jemand, der kein „Neorömer“ wäre. Womit dieser Ausdruck zur Charakterisierung der Position eines Einzelnen jegliche Trennschärfe und Aussagekraft verliert. Woran ich festhalte ist, dass sich Masala für die staatspolitische Tradition „machtpolitischer Kälte“ ausspricht (und als deren Archetyp ebenfalls die imperiale Machtpolitik Roms gelten kann), wie sie von den Akteuren der internationalen Politik auch ganz offen zynisch bekannt und praktiziert wird. Die Berufung aufs Völkerrecht oder die regelbasierte Ordnung (Kategorien eines auch ethisch begründeten internationalen Rechts werden dabei selber moralmachiavellistisch instrumentalisiert).

PPS. Gewundert hat mich, dass Riedl die Number Nine von MoW verschmäht hat und mit keinem Wort auf ihren Inhalt eingegangen ist. Dieser bezieht sich nämlich auf ein vom Bundeswehrverband beglaubigten Zahlen- bzw. Rechenexempel, das für den Kriegsfall ein verheerendes Bild zeigt, was die Opferzahlen und die Zerstörung betrifft. Die oberste richterliche Autorität in Sachen „was Behinderte lesen (oder newsletterig zu Gesicht bekommen) sollten und was besser nicht“, Mastermind Krauthausen, hat diese Number Nine sogar für die Veröffentlichung in seinem Sozialhelden-Newsletter durchgewunken bzw. geadelt. Obviously hat sie ihn convinced, mindestens beeindruckt.