Fladungen (kobinet)
Manchmal zweifle ich an mir selbst.
Ich kritisiere Menschen.
Diese Menschen wollen eigentlich nur Gutes tun.
Ich stelle Fragen zu alten Strukturen.
Diese Strukturen gibt es seit vielen Jahren.
Die Menschen sagen: Diese Strukturen helfen.
Ich sage manchmal harte Worte.
Diese Worte tun anderen Menschen weh.
Auch Menschen, die sich für gut halten.
Trotzdem mache ich das weiter.
Nicht weil ich wütend bin.
Nicht weil ich immer recht haben will.
Sondern weil es wichtig ist.
Heute sprechen viele Menschen von Inklusion.
Inklusion bedeutet: Jeder Mensch darf überall mitmachen.
Alle sollen gleich behandelt werden, egal ob mit oder ohne Behinderung.
Aber oft ist das nicht echte Inklusion.
Es ist nur ein neuer Name für alte Sachen.
Viele Menschen verwechseln verschiedene Dinge:
- Barriere-Freiheit und Teil-Habe
- Zugänglich-keit und Gleich-Stellung
- Ein-Ladungen und Mit-Bestimmung
Ich kritisiere bestimmte Projekte.
Diese Projekte bauen extra Programme für Menschen mit Behinderung.
Das ist falsch.
Menschen mit Behinderung sollen bei den normalen Programmen mit-machen.
Ich kritisiere bestimmte Träger.
Diese Träger behandeln uns als Ziel-Gruppe.
Wir sind aber keine Ziel-Gruppe.
Wir sind Mit-Macher.
Ich kritisiere bestimmte Förder-Programme.
Diese Programme tun so, als ob wir mit-bestimmen dürfen.
Aber wir bekommen keine echte Macht.
Ich weiß: Viele Menschen kennen es nicht anders.
Sie haben das so gelernt.
Es gibt Organisationen wie Aktion Mensch und Lebens-Hilfe.
Diese Organisationen wollten immer nur helfen.
Sie wollten nichts verändern.
Diese Organisationen versorgen Menschen mit Behinderung.
Aber sie geben uns keine gleichen Rechte.
Sie geben uns keine Macht.
Viele Menschen glauben: Teil-Habe heißt dabei sein.
TeilHabe bedeutet: Jeder Mensch soll überall mitmachen können.
Alle sollen bei der Schule, Arbeit oder Freizeit dabei sein dürfen.
Sie denken: Gut gemeint ist auch gut gemacht.
Sie merken nicht: Sie denken immer noch wie Betreuer.
Sie glauben aber, sie machen Fortschritt.
Das macht alles noch schwerer:
Die Verantwortlichen wissen genau, was echte Inklusion ist.
Das sind Menschen von Förder-Stellen.
Das sind Projekt-Planer.
Das sind Funktionäre.
Sie kennen den Unterschied zwischen:
- barriere-frei und gleich-berechtigt
- dabei sein und mit-entscheiden
Und sie vermeiden diesen Unterschied absichtlich.
Sie benutzen das Wort Inklusion als Tür-Öffner:
- für Förder-Geld
- für ein gutes Image
- für strategisches Wohl-Wollen
Das ist kein Miss-Verständnis.
Das ist berechneter Miss-Brauch.
Sie benutzen die Sprache der Gleich-Stellung.
GleichStellung bedeutet: Alle Menschen sollen gleich behandelt werden.
Keiner soll Nachteile haben wegen seines Geschlechts, seiner Herkunft oder Behinderung.
Aber sie wollen das System stabil halten.
Dieses System will keine Gleich-Stellung.
Das ist der eigentliche Verrat:
Nicht nur an uns.
Wir fordern Teil-Habe ein.
Sondern auch an dem Wort selbst.
Inklusion wird kaputt gemacht.
Das Wort wird banalisiert.
Das Wort wird funktionalisiert.
Am Ende bleibt nur ein Wort.
Die echte Bedeutung ist weg.
Ich weiß das.
Das macht meine Kritik nicht einfacher.
Aber meine Kritik ist trotzdem wichtig.
Solange wir Rücksicht nehmen, ändert sich nichts.
Manche Menschen wissen es nicht besser.
Aber dieses Nicht-Wissen ist zur Struktur geworden.
Solange niemand sagt: Das reicht nicht.
Dann bleibt alles beim Alten.
Es gibt nur Rampen dazu.
Es gibt barriere-freie Toiletten dazu.
BarriereFreiheit bedeutet: Jeder Mensch soll überall mitmachen können und alles verstehen können.
Wenn es keine Hindernisse gibt, ist etwas barrierefrei.
Es gibt Texte in Leichter Sprache dazu.
Ich schreibe diesen Text nicht zum Verurteilen.
Ich schreibe ihn, weil ich glaube:
Wir müssen das Wort Inklusion zurück-holen.
Weg von den Förder-Mitteln.
Weg aus den Broschüren der Wohlfahrts-Verbände.
Weg aus den PR-Kampagnen.
Hin zur echten Teil-Habe.
Diese Teil-Habe ist:
- unbequem
- gleich-berechtigt
- konsequent
Ich schreibe diesen Text, weil ich kritisiere.
Auch wenn es weh tut.
Weil ich es muss.
Weil ich es besser weiß.
Und weil ich will, dass andere es auch lernen.

Foto: Ralph Milewski
Fladungen (kobinet) Ich gebe zu: Manchmal hadere ich mit mir selbst. Weil ich Menschen kritisiere, die eigentlich nur Gutes wollen. Weil ich Strukturen hinterfrage, die seit Jahrzehnten "helfen". Weil ich mit Worten anstoße, die weh tun – auch jenen, die sich für "die Guten" halten. Und doch tue ich es. Nicht aus Wut. Nicht aus Rechthaberei. Sondern weil es nötig ist. Denn was sich heute vielerorts "Inklusion" nennt, ist in Wahrheit oft nur ein neuer Anstrich alter Verhältnisse. Barrierefreiheit wird mit Teilhabe verwechselt. Zugänglichkeit mit Gleichstellung. Einladungen mit Mitbestimmung.
Ich kritisiere Projekte, die Menschen mit Behinderung ein eigenes Programm bauen – anstatt sie in das Bestehende einzubinden.
Ich kritisiere Träger, die uns als Zielgruppe behandeln, nicht als Akteure.
Ich kritisiere Förderlogiken, die Beteiligung simulieren, aber nie Macht abgeben.
Und ich weiß: Viele der Menschen, die ich kritisiere, kennen es nicht anders.
Sie wurden sozialisiert in einem System von Aktion Mensch, Lebenshilfe und Co.,
das helfen statt verändern wollte.
Ein System, das von Anfang an darauf ausgelegt war, Menschen mit Behinderung zu versorgen,
aber nicht, ihnen gleichberechtigt Macht zu überlassen.
Sie glauben, Teilhabe sei das Dabeisein.
Sie haben gelernt, was gut gemeint ist, sei auch gut gemacht.
Und sie merken oft gar nicht, dass sie in einer Logik der Fürsorge gefangen sind,
während sie glauben, Fortschritt zu ermöglichen.
Was diesen Zustand noch schwerer macht:
Die Verantwortlichen – Förderstellen, Projektplaner:innen, Funktionär:innen – wissen sehr genau, was echte Inklusion bedeutet.
Sie kennen den Unterschied zwischen barrierefrei und gleichberechtigt,
zwischen dabei sein und mitentscheiden – und sie vermeiden ihn gezielt.
Der Begriff „Inklusion“ wird als Türöffner benutzt:
für Fördermittel, Imagepflege, strategisches Wohlwollen.
Das ist kein Missverständnis, es ist kalkulierter Missbrauch.
Die Sprache der Gleichstellung wird instrumentalisiert, um ein System zu stabilisieren, das keine Gleichstellung will.
Und genau darin liegt der eigentliche Verrat:
Nicht nur an uns, die Teilhabe einfordern – sondern am Begriff selbst.
Inklusion wird ausgehöhlt, banalisiert, funktionalisiert.
Und am Ende bleibt ein Wort – und eine Lücke, in der die Realität verschwunden ist.
Ich weiß das. Und es macht meine Kritik nicht einfacher.
Aber es macht sie nicht weniger notwendig.
Denn solange wir Rücksicht nehmen auf das Unwissen, das zur Struktur geworden ist,
ändert sich nichts.
Solange niemand sagt: „Das reicht nicht.“,
bleibt alles beim Alten – nur mit Rampen, barrierefreier Toilette und erklärenden Texten in Leichter Sprache.
Ich schreibe diesen Text nicht, um zu verurteilen.
Ich schreibe ihn, weil ich glaube, dass wir den Begriff Inklusion zurückholen müssen –
aus den Händen der Fördermittel, aus den Broschüren der Wohlfahrtsverbände, aus den PR-Kampagnen,
und hinein in die Realität echter Teilhabe: unbequem, gleichberechtigt, konsequent.
Ich schreibe diesen Text,
weil ich kritisiere – auch wenn es weh tut.
Weil ich muss.
Weil ich es besser weiß.
Und weil ich will, dass andere es auch wissen lernen.

Foto: Ralph Milewski
Fladungen (kobinet) Ich gebe zu: Manchmal hadere ich mit mir selbst. Weil ich Menschen kritisiere, die eigentlich nur Gutes wollen. Weil ich Strukturen hinterfrage, die seit Jahrzehnten "helfen". Weil ich mit Worten anstoße, die weh tun – auch jenen, die sich für "die Guten" halten. Und doch tue ich es. Nicht aus Wut. Nicht aus Rechthaberei. Sondern weil es nötig ist. Denn was sich heute vielerorts "Inklusion" nennt, ist in Wahrheit oft nur ein neuer Anstrich alter Verhältnisse. Barrierefreiheit wird mit Teilhabe verwechselt. Zugänglichkeit mit Gleichstellung. Einladungen mit Mitbestimmung.
Ich kritisiere Projekte, die Menschen mit Behinderung ein eigenes Programm bauen – anstatt sie in das Bestehende einzubinden.
Ich kritisiere Träger, die uns als Zielgruppe behandeln, nicht als Akteure.
Ich kritisiere Förderlogiken, die Beteiligung simulieren, aber nie Macht abgeben.
Und ich weiß: Viele der Menschen, die ich kritisiere, kennen es nicht anders.
Sie wurden sozialisiert in einem System von Aktion Mensch, Lebenshilfe und Co.,
das helfen statt verändern wollte.
Ein System, das von Anfang an darauf ausgelegt war, Menschen mit Behinderung zu versorgen,
aber nicht, ihnen gleichberechtigt Macht zu überlassen.
Sie glauben, Teilhabe sei das Dabeisein.
Sie haben gelernt, was gut gemeint ist, sei auch gut gemacht.
Und sie merken oft gar nicht, dass sie in einer Logik der Fürsorge gefangen sind,
während sie glauben, Fortschritt zu ermöglichen.
Was diesen Zustand noch schwerer macht:
Die Verantwortlichen – Förderstellen, Projektplaner:innen, Funktionär:innen – wissen sehr genau, was echte Inklusion bedeutet.
Sie kennen den Unterschied zwischen barrierefrei und gleichberechtigt,
zwischen dabei sein und mitentscheiden – und sie vermeiden ihn gezielt.
Der Begriff „Inklusion“ wird als Türöffner benutzt:
für Fördermittel, Imagepflege, strategisches Wohlwollen.
Das ist kein Missverständnis, es ist kalkulierter Missbrauch.
Die Sprache der Gleichstellung wird instrumentalisiert, um ein System zu stabilisieren, das keine Gleichstellung will.
Und genau darin liegt der eigentliche Verrat:
Nicht nur an uns, die Teilhabe einfordern – sondern am Begriff selbst.
Inklusion wird ausgehöhlt, banalisiert, funktionalisiert.
Und am Ende bleibt ein Wort – und eine Lücke, in der die Realität verschwunden ist.
Ich weiß das. Und es macht meine Kritik nicht einfacher.
Aber es macht sie nicht weniger notwendig.
Denn solange wir Rücksicht nehmen auf das Unwissen, das zur Struktur geworden ist,
ändert sich nichts.
Solange niemand sagt: „Das reicht nicht.“,
bleibt alles beim Alten – nur mit Rampen, barrierefreier Toilette und erklärenden Texten in Leichter Sprache.
Ich schreibe diesen Text nicht, um zu verurteilen.
Ich schreibe ihn, weil ich glaube, dass wir den Begriff Inklusion zurückholen müssen –
aus den Händen der Fördermittel, aus den Broschüren der Wohlfahrtsverbände, aus den PR-Kampagnen,
und hinein in die Realität echter Teilhabe: unbequem, gleichberechtigt, konsequent.
Ich schreibe diesen Text,
weil ich kritisiere – auch wenn es weh tut.
Weil ich muss.
Weil ich es besser weiß.
Und weil ich will, dass andere es auch wissen lernen.
Gute Analyse und ich füge hinzu: ich kann mich nicht des Eindrucks verwehren, dass Inklusion seitens der Politik – entgegen ihrer mittlerweile nichhtssagender Inklusionsrhetorik – in Wirklichkeit nicht gewollt ist