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Statement von Wilfried Oellers zu Aussagen von Friedrich Merz zur Eingliederungshilfe

Wilfried Oellers
Wilfried Oellers
Foto: Wilfried Oellers

Berlin (kobinet) Bezugnehmend auf die aktuellen Berichterstattung in den kobinet-nachrichten mit der Kritik zu den Äußerungen zu Einsparungen bei der Eingliederungshilfe von Bundeskanzler Friedrich Merz hat sich Wilfried Oellers, der Beauftragten für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, mit einem Statement zu Wort gemeldet. "Wir planen keineswegs Einschnitte bei den Leistungen der Eingliederungshilfe. Allerdings wollen wir in diesem Bereich das Dickicht der kostentreibenden Bürokratie lichten. Hier geht es darum, die Leistungserbringung für die Träger auch zugunsten der Menschen mit Behinderungen zu vereinfachen, zu flexibilisieren und zu beschleunigen. Denkbar wären beispielsweise Vereinfachungen beim Bedarfsermittlungsverfahren, die Vereinbarung von Trägerbudgets mit pauschalierten Leistungen und Verbesserungen bei der Leistungskoordinierung", so Wilfried Oellers.

Das Prinzip „Leistungen aus einer Hand“ müsse endlich in der Praxis ankommen. „Von all diesen Maßnahmen profitieren vor allem die leistungsberechtigten Menschen mit Behinderungen“, erklärte Wilfried Oellers.

Bundeskanzler Friedrich Merz hatte sich nach Medieninformationen zu Einsparungen bei Leistungen für Menschen mit Behinderung geäußert. Auf dem Kommunalkongress des Deutschen Städte- und Gemeindebundes in Berlin sagte er nach Informationen der Bundesvereinigung Lebenshilfe, dass jährliche Steigerungsraten von bis zu zehn Prozent bei der Jugendhilfe und der Eingliederungshilfe nicht länger akzeptabel seien. Ulla Schmidt, die Bundesvorsitzende der Lebenshilfe, reagierte darauf mit aller Schärfe: „Mit dieser pauschalen Aussage unterstellt der Kanzler, dass Menschen mit Behinderung und ihre Familien sowie Kinder und Jugendliche zu Unrecht Leistungen beziehen und zu viel Geld kosten. Das ist ungeheuerlich! Menschen mit Behinderung erhalten ausschließlich bedarfsgerechte Unterstützung, damit sie am gesellschaftlichen Leben gleichberechtigt teilhaben können. Das wird ihnen schon im Grundgesetz garantiert, wo es heißt: Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Wer denkt, Menschen mit Behinderung machen sich ein schönes Leben auf Kosten des Staates, der irrt gewaltig.“ Auch von Corinna Rüffer von den Grünen und der LIGA Selbstvertretung hagelte es Kritik an den Äußerungen des Bundeskanzlers.

Hintergrund der Diskussion ist u.a. ein Positionspapier der BAGüS, also der überörtlichen Träger der Eingliederungshilfe, in dem diese ebenfalls Einsparungen einfordern. Hierzu hatten die Grünen erst vor kurzem eine Analyse und Stellungnahme zu den Forderungen der BAGüS veröffentlicht.

Link zur kritischen Analyse des BAGüS-Papiers der Arbeitsgruppe zur Eingliederungshilfe der Grünen

Link zum Positionspapier zur Bundestagswahl 2025 der BAGüS

Link zum kobinet-Bericht vom 4. Juni 2025 zur Kritik an den Äusserungen von Friedrich Merz zur Eingliederungshilfe

Lesermeinungen

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Stephan Laux
05.06.2025 13:07

Die aktuelle praktizierte Bedarfsermittlung, zuerst ITP dann PIT in der hessischen, stationären Behindertenhilfe, leitete sich aus dem BTHG ab.
Bei betroffenen Mitarbeitenden hat sie ein kollektives Stöhnen hervorgerufen.
Politik und Kostenträger, in diesem Falle der LWV haben aber nicht damit gerechnet, dass Einrichtungen, also sogenannte Leistungserbringer, erprobt in solchen sinnentleerten bürokratischen Reformen sind und sich entsprechend akklimatisieren.
Viele Hilfebedarfe konnten so hochgestuft werden. Man könnte sagen, die Leistungserbringer haben den Kostenträger mit seinen eigenen Waffen geschlagen. Und klargemacht, personenzentrierte stationäre Behindertenhilfe kostet viel Geld.
Andererseits entstand aber auch der Eindruck, dass der LWV viele Fachkräfte als Sachbearbeiter*innen abgeworben hat, die der stationären Behindertenhilfe ohnehin schon fehlten. Das erklärt vielleicht auch einen Teil der Kostensteigerungen der letzten Jahre.
Privatpersonen, Familien und Haushalte außerhalb der stationären Behindertenhilfe war es nicht möglich, sich entsprechend „einzugrooven“. Ihnen fehlt es schlichtweg an Ressourcen.

AnnaLutz
05.06.2025 11:39

Eine korrekte Bedarfsermittlung führt in der Regel zu einem höheren Bedarf als der Kostenträger bereit ist zu zahlen.
Unter dem Deckmantel „Bürokratieabbau“, was positiv klingt, möchte man die Bedarfsermittlung deshalb „vereinfachen“.
Ein typisches Beispiel für Augenwischerei.
Die Gegenrechnung, was die Abwehr von Ansprüchen kostet, wird natürlich nicht gemacht.
Wer nicht betroffen ist, erkennt das natürlich nicht und versteht nur, dass endlich was gegen die ganze Bürokratie gemacht wird.

Inge Ro.
05.06.2025 10:18

Einsparungspotential in unserem Fall:
Drei Bedarfsermittlungen in vier Jahren und immer noch keinen Bescheid. Statt dessen Verzögerungs- und Verhinderungstaktik und bürokratische Hürden ohne Ende.
Richtig wäre: Bedarfsermittlung mit einem korrekten Instrument, gemeinsames Gespräch, Zielvereinbarung, Bescheid.
Von meiner Seite aus hat das viel gekostet: Nerven, Kraft, Zeit und auch Geld.
Ich wüsste jetzt noch zu gerne, was diese bürokratische Behinderung bisher den Steuerzahler gekostet hat.

AnnaLutz
05.06.2025 09:21

Hallo Klaus,
es klingt doch aber überall durch, dass die Bedarfsermittlung als zu bürokratisch empfunden wird. Was mal als Kernstück einer bedarfsgerechten Leistungserbringung angepriesen wurde.
Von einfacheren Genehmigungsverfahren habe ich nichts gelesen.
LG

Klaus K
Antwort auf  AnnaLutz
06.06.2025 08:31

Hallo Anna,

es ist ein Klassiker. Einer schreibt, alle glauben. Am Ende zählt aber genau das gesprochene Wort und nicht die daraus folgende Interpretation einzelner Sätze, denn damit besteht die Gefahr, dass einzelne Inhalte nicht mehr im Gesamtkontext betrachtet werden.

Hört man sich die Rede von Merz mal genau an, dann geht es um eines, nämlich um einen Entbürokratisierungsprozess, damit zukünftig um vereinfachte Verfahren um den Prüfaufwand zu vereinfachen.

Ob das letztendlich damit auch zu Leistungseinbußen kommen wird, das wird von der Union bestritten, wird sich aber in der Praxis wohl erst dann zeigen, wenn die Entbürokratisierungsverfahren, damit vereinfachte Genehmigungsverfahren, abgeschlossen sind.

LG

AnnaLutz
05.06.2025 07:58

Ich möchte Herrn Theben gerne beipflichten, da wir schon seit fast drei Jahren um ein gerechtes „Budget“ kämpfen und schon tausende Euro an Anwälte gezahlt haben, ohne das ein Ende in Sicht ist, weil alles verschleppt wird. Der Aufwand dieser Aktion ist auch auf Seiten des Kostenträgers sehr hoch (Bürokratie), da mehrere Ebenen und die „Rechtsabteilung“ darin verstrickt sind.
Zwischenzeitlich frage ich mich, ob man versucht, uns durch finanziellen Ruin zum Aufgeben zu zwingen.
Eine gerechte Bedarfsermittlung mit anschließendem realistischen Ergebnis ist weniger Bürokratie.

Martin
05.06.2025 07:09

Herr Oellers kann sich und uns die Welt gerne schönreden. Was uns hier als bürokratieabbau verkauft werden soll, stellt natürlich eine Einschränkung von Leistungen zu Lasten der Betroffenen und ihre Angehörigen da. Was anderes soll denn bitte die Pauschalierung von Leistungen für Träger bedeuten. Pauschalierung ist die euphemistische Umschreibung für Deckelung. Herr Oellers sollte trotz identischen parteibuch endlich seine Rolle gerecht werden und die Interessen der Betroffenen innerhalb der Regierungsfraktion vertreten und nicht erfüllungsgehilfe des Bundeskanzlers sein.

Im Rahmen meiner Tätigkeit als Rechtsanwalt erfahre ich von jetzt dass der Wind für Betroffene und ihre Angehörigen deutlich schärfer geworden ist. Im Grunde genommen könnte sich mein Berufsstand freuen, denn was da auch nach dem Positionspapier der BAGÜS geplant zu sein scheint, ist letztendlich ein Wirtschaftsförderungsprogramm für meinen Berufsstand . Aber viele können es sich aus diversen Gründen gar nicht leisten sich einen rechtsbeistand zu nehmen oder fürchten auch einfach den Gang zum Gericht. Zumal auch der Zugang zu den Gerichten in vielfacher Hinsicht eher exklusiv als inklusiv ist!

Martin Theben Berlin

Klaus K
Antwort auf  Martin
05.06.2025 08:30

So ganz kann ich Ihre Ausführungen nicht nachvollziehen. Ist her Oellers nicht behindertenpolitischer Sprecher? Wenn ja, ist er kein Behindertenvertreter oder Behindertenbeauftragter!

Etwas zu pauschalisieren heißt immer, Bürokratie abbauen um mit weniger Aufwand (Kosten) das gleiche Ziel zu erreichen.

Ob es dazu führt, dass in der Eingliederungshilfe für betroffene Menschen weniger Geld herausspringt, oder das Ziel verfolgt durch weniger Bürokratie Personal einzusparen, das wird sic sicherlich zeigen, wenn erste Konzepte vorliegen.

Wenn diese vorliegen, genau dass kommt der Zeitpunkt den Taschenrechner anzuwenden um die Auswirkungen zu berechnen.

Ralph Milewski
Antwort auf  Klaus K
05.06.2025 11:05

„Herausspringen“?

Diese Wortwahl irritiert. Wenn über Eingliederungshilfe gesprochen wird, geht es nicht darum, was für die Betroffenen dabei „herausspringt“, als handele es sich um ein Glücksspiel oder Verhandlungsergebnis. Es geht um individuell festgestellten Bedarf und ein gesetzlich garantiertes Recht auf Teilhabe. Wer solche Leistungen in die Nähe von „Abgreifen“, „Maximieren“ oder „noch was rausholen“ rückt, verkennt den Sinn der Eingliederungshilfe grundlegend – oder versucht, ihn umzudeuten. Sprache ist nicht neutral. Wer so redet, verschiebt den Fokus weg vom Menschen und hin zur Kasse.

Klaus K
Antwort auf  Ralph Milewski
06.06.2025 08:44

Das sehe ich etwas anders, da es sich um ein umgangssprachliches Wort mit Interpretationsspielraum handelt. Somit ist die Interpretation „frei“, aber am Ende im Gesamtkontext zu betrachten und darf nicht aus eine Kontext gezogen werden um dadurch freie Interpretation zu ermöglichen. Solche Wortspielchen sind von andere Seite bekannt und bringen niemanden weiter, eher im Gegenteil, sie sind gefährlich für unsere Demokratie.

Natürlich weiß jeder, dass Eingliederungshilfe ein Individualbedarf ist und jeder weiß auch, dass beantragtes nicht immer genehmigt wird und genau in diesem Kontext betrachtet, beginnt das „Glücksspiel“ (um Ihre Interpretation zu verwenden), denn wenn beantragtes eben nicht genehmigt wird, dann ist der Messparameter „Bedarf“ zu einer frei interpretierbaren „Sache“ geworden.

Den Bedarf können nur betroffene feststellen, oder deren Assistenz/Betreuung. Was davon aber genehmigt wird, dass wissen Antragsteller zum Zeitpunkt des Erstantrags nicht.

Sie schreiben selbst „Es geht um individuell festgestellten Bedarf“, doch er stellt die Richtigkeit eines Bedarfes am Ende fest? Nur weil Person X einen Bedarf erkennt, muss Person Y diesen nicht zustimmen und da beginnt vielleicht genau die Frage nach dem was in der Bedarfsermittlung anerkannt wird …

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