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Sonderklassen an Berlins Regelschulen widersprechen dem Gesetz

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Foto: Kooperation Behinderter im Internet e.V./Tom Kallmeyer (Creative Commons BY-SA 4.0)

BERLIN (kobinet) Das Deutsches Institut für Menschenrechte weist darauf hin, dass die Berliner novellierte Sonderpädagogikverordnung (SopädVO) vom 03. März 2025 für das Land Berlin gegen die Vorgaben aus der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK, Konvention) verstößt. Die SopädVO sieht vor, sonderpädagogische Kleinklassen etwa für die Förderschwerpunkte "Autismus", "Emotionale und soziale Entwicklung", "Sprache" und "Geistige Entwicklung" an Regelschulen einzurichten. Kinder mit Förderbedarf lernen dann nicht (mehr) mit Kindern ohne Förderbedarf zusammen, sondern werden in einer exklusiven Klasse unterrichtet. "Die Novellierung ist nicht vereinbar mit dem Recht auf inklusive Bildung und verhindert gemeinsames Lernen, wie es die UN-Behindertenrechtskonvention vorgibt", stellt das Deutsche Institut für Menschenrecht fest.

„Die Einrichtung von Sonderklassen an allgemeinbildenden Schulen widerspricht zudem dem Berliner Schulgesetz“, stellt Catharina Hübner, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention am Deutschen Institut für Menschenrechte, klar. Das Schulgesetz (SchulG) gebe vor, im gemeinsamen Unterricht zu lernen. Temporäre, also zeitlich begrenzte Lerngruppen, seien dabei durchaus möglich, nicht aber eine dauerhafte Segregation in einer neu geschaffenen Klasse. Auch das Landesgleichberechtigungsgesetz (LGBG) fordert Maßnahmen, die gewährleisten, dass Kinder und Jugendliche mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen Kindern und Jugendlichen alle Rechte, insbesondere das Recht auf Bildung genießen können.

„Gemeinsames Lernen in kleinen Klassen sowie im Einzelfall ein Anspruch auf Unterstützungsmaßnahmen fördern die gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe von Kindern mit Behinderungen“, so Hübner. Der Ausbau exklusiver Lernorte dagegen widerspreche den Vorgaben der UN-BRK, des Schulgesetzes und des LGBG.

Auch die Tatsache, dass durch die Novelle der SopädVO bestimmte Nachteilsausgleiche gestrichen werden, etwa die Möglichkeit, Aufgaben zu reduzieren oder unterstützendes Personal als Schreibdienst einzusetzen, ist vor dem Hintergrund der Verpflichtungen etwa aus der UN-BRK und dem LGBG aus dem Blickwinkel des Deutschen Instituts für Menschenrecht nicht akzeptabel.

Das Institut moniert weiter, dass die Unterstützung durch Inklusionsassistent*innen nur bis einschließlich Jahrgangsstufe 10 ermöglicht werden soll. Dies stehe im Widerspruch zu den bereits genannten Regelungen des LGBG und der Konvention. „Auch Schüler*innen mit Behinderungen muss der bestmögliche Schulabschluss, also auch das Abitur nach 13 Jahren, gegebenenfalls mit der Unterstützung durch Inklusionsassistent*innen ermöglicht werden. Das Recht auf inklusive Bildung umfasst auch den Anspruch auf lebenslanges Lernen“, sagt Hübner.

Anstoß nimmt das Institut nicht nur an den inhaltlichen Änderungen der Verordnung, sondern auch am gesamten Verfahren. So wurden die Änderungen der SopädVO unter Missachtung der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Berliner Verwaltung (GGO II) in Kraft gesetzt. „Die Senatsverwaltung für Soziales hat im Rahmen des Mitzeichnungsverfahrens wiederholt Vorbehalte gegen die Einführung von Sonderklassen und die Streichung von Nachteilsausgleichen eingebracht. Entgegen dieser – nicht ausgeräumten – Vorbehalte hat die Bildungsverwaltung hier im Alleingang Fakten geschaffen, die von der Sozialverwaltung zurecht als nicht vereinbar mit der UN-BRK eingestuft wurden“, kritisiert Hübner.

„Das im Berliner Koalitionsvertrag enthaltene Bekenntnis zur UN-BRK und das Versprechen, die Inklusion an den Berliner Schulen zu unterstützen und qualitativ weiterzuentwickeln, müssen endlich umgesetzt werden.“ so die Forderung des Deutschen Instituts für Menschenrecht.