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Den „Masters of War“ widersprochen. Numer Nine. John Lennon „Give Peace a Chance“

alte Schreibfeder liegt auf einem Brief
Worte statt Waffen
Foto: Momentmal In neuem Fenster öffnen via Pixabay In neuem Fenster öffnen

Staufen (kobinet) Ehrlich, hätte ich bis vor kurzem auch nicht von mir gedacht: Dass ich mich mit Mitte Siebzig noch einmal in einen geistigen Ostermarschierer verwandle. Und statt Ostereier aus dem Nest zu holen, einen seit langem eingemotteten John-Lennon-Klassiker wieder hervorhole und auf kobinet "All we are saying is give peace a chance" trällere. – Ihr fragt euch warum? Weil ich hier mal eine ganz einfache Rechnung aufgemacht habe mit Zahlen, die der Präsident des Reservisten-Verbands neulich in den Medien lanciert hat. Was unterm Strich herauskommt, ist dermaßen verheerend, dass sich am Ende nur ein einziges überlebensfähiges Ergebnis daraus ableiten lässt, nämlich SCHLUSS mit der KRIEGS- und VERTEIDIGUNGSHYSTERIE und statt dessen ab sofort "GIVE PEACE A CHANCE". Hier noch meine Rechnung.

Man muss nur rechnen, dann ist alles ganz einfach

Der Reservisten-Präsident hat vorgerechnet: Für eine flächendeckende Verteidigung braucht es mindestens 350 000 Bundeswehrsoldaten. Bei einem Angriff im Osten, so die realistische Einschätzung eines Generals, sei mit 5000 Toten pro Tag zu rechnen. Die müssen ersetzt werden. Dazu reiche die von Pistorius veranschlagte Reservisten-Zahl nicht aus, es müssten dreimal so viele Reservisten zur Verfügung stehen. – Nun meine Anschlussrechnung: 5000 tote Soldaten täglich, das macht 50 000 innerhalb von zehn Tagen. Und nach hundert Tagen 500 0000 Tote. 100 Tage sind etwas mehr als drei Monate. Das heißt, dauert der Krieg neun bis zehn Monate (also nicht einmal ein volles Jahr), so sind das bereits eineinhalb Millionen Tote. Tote Soldaten wohlgemerkt, die Zahl an Toten aus der Kategorie „zivile Kollateralschäden“ ist da noch nicht mitgerechnet. Glücklicherweise müssen die nicht ersetzt werden, es genügt, dass sie tot sind.

Richtig gerechnet? Auf jeden Fall. Oder jedenfalls im Prinzip. Die Militärs gehen von einem, wie sie sich ausdrücken, „mit hoher Intensität geführten Krieg“ aus. Da könnte sich die Zahl der täglich 5000 toten Soldaten sogar als eher konservativ gerechnet herausstellen. Die Zahl der kollateralschädlich Getöteten jetzt mal beiseite gelassen. – Höre ich da jemanden rufen, aber hallo! Wo soll denn das hinführen? Ich denke, dieser Zwischenruf ist nicht ganz falsch. Auf alle Fälle fällt er an diesem Ostermontag bei Ostermaschierern wie mir auf fruchtbaren Boden.

Genug gerechnet, heute am Ostermontag. Ich weiß nun endlich, was ich Leuten entgegne, die steif und fest behaupten, gegen Putins Aggression kann uns nur eine Bundeswehr mit immer mehr und immer besseren Waffen, Taurussen usw., verteidigen. Folgendes werde ich ihnen erwidern: Ihr kennt sicher den Kalauer „Operation gelungen, Patient tot“. Der geht analog auf den militärischen Verteidigungsfall übertragen so: „Verteidigungskrieg erfolgreich, Land und Leute nicht wiederzuerkennen.“ Das Land, „unsere Heimat“, verwüstet, zurück in die Steinzeit gebombt, seine Bewohner entweder tot oder traumatisiert, zu Krüppeln geschossen oder körperlich anderswie versehrt. Meine bescheidene Gegenfrage, war es das wert?

P.S. Kurznotiz zu John Lennons „All we are saying is give peace a chance„. Im Jahr 1969 ist der vor allem von der Jugend getragenen Protest gegen den Vietnam-Krieg in den USA (und auch sonst überall im Westen) auf einem Höhepunkt. Der internationale Kontext ist der des Ost-West-Konflikts zwischen dem Kapitalismus und dem Kommunismus, speziell den USA und der Sowjetunion. Massenmedial hat im Westen zu diesem Zeitpunkt die kapitalistische Konsumkultur begonnen, die Hirne der Medienkonsumenten mit politisch-ideologischen, religiös-weltanschaulichen und nicht zuletzt kommerziellen Codes zu fluten. Die popkulturelle Formatierung des Massenbewusstseins im westlichen Kosumkapitalismus persifliert das Bed-In-Happening von John Lennon und Yoko Ono im kanadischen Montreal. Insbesondere in ihrem Song „Give peace a chance“, in dem er ein dadaistisches Laute- und Silbengewitter a la Kurt Schwitters von Stapel lässt. Und dadurch der ernstgemeinten Message in einer dialektischen Volte einmal mehr Nachdruck verleiht.
Hier der Link zum Event:
https://www.youtube.com/watch?v=ftE8vr0WNus&t=2s

PPS: Ich wünschte mir übrigens, dass LeserInnen und Leser, die in diese abschließende „Number Nine“ meiner antimilitaristischen und antibellizistischen Serie „Den Masters of War widersprochen“ eingeflochtene popkulturelle Erinnerung an John Lennons und Yoko Onos dadaistischen Friedensappell nicht wie eine unterhaltsame Reminiszenz verpuffen lassen. Vielmehr das inständig wiederholte „All we are saying is give peace a chance“ im Sinne einer hier und jetzt in die Tat umzusetzenden Aufforderung verstehen. Nachzudenken über Alternativen zu militärischer Verteidigung und Kriegsvorbereitung. Ein solches „Sondervermögen Nachdenken“ verursacht null Schulden, verspricht aber einen unendlichen Gewinn, die Rettung der Menschheit vor ihrer Selbstvernichtung und die Möglichkeit, die mühsam errungenen Standards humaner Zivilisiertheit zu erhalten und allen Menschen zugänglich zu machen.